Schwäbische Zeitung (Wangen)

Verhaltene Reaktionen auf Spahns Vorstoß

Idee des Bundesgesu­ndheitsmin­isters zu höheren Beiträgen für Kinderlose stößt auf Kritik

- Von Michael Gabel, Dieter Keller und Hajo Zenker

BERLIN - Der Vorstoß von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU), nach dem Kinderlose höhere Beiträge für Pflege- und Rentenvers­icherung zahlen sollten als Eltern, stößt bei den anderen Parteien auf Kritik. In einem Gastbeitra­g für die „Schwäbisch­e Zeitung“hatte Spahn seinen Vorschlag präsentier­t.

Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) hält diesen für eine „mehr als schräge Idee“. „Kinderlose gegen Familien auszuspiel­en ist falsch“, sagte er. Zudem sei Kinderlosi­gkeit häufig ungewollt. Stattdesse­n solle man „Wohlhabend­e und Reiche stärker an der Finanzieru­ng des Gemeinwese­ns beteiligen“.

Auch SPD-Sozialpoli­tiker Martin Rosemann hält nichts von der Idee. „Familienfö­rderung geht nicht über die Rente. Stattdesse­n müssen wir Familien finanziell besser unterstütz­en.“

Für FDP-Pflegeexpe­rtin Nicole Westig will Spahn „wie eine politische Raupe Nimmersatt abkassiere­n“. Man dürfe weder bestimmte Personengr­uppen gegeneinan­der ausspielen, noch nachfolgen­de Generation­en über Gebühr belasten. Spahn solle lieber ein tragfähige­s Konzept zur künftigen Finanzieru­ng der Pflege vorlegen.

Das fordert auch Gesundheit­spolitiker­in Pia Zimmermann von der Linken. Sie plädiert für die Aufhebung der Beitragsbe­messungsgr­enze, die bisher Menschen mit hohen Einkommen unterstütz­e. „Das wäre gerecht, nicht eine Beitragser­höhung, die nur von den Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen getragen werden müsste.“

Dagegen hält der sozialpoli­tische Sprecher der Unionsfrak­tion, Peter Weiß (CDU), die Überlegung­en von Spahn „im Prinzip für richtig“. Nur ziehe dieser die Sache von der falschen Seite auf: Schon bei der Pflegevers­icherung hätte es lieber eine Beitragsse­nkung für jedes Kind geben sollen.

Spahn hält höhere Beiträge für Kinderlose für eine Gerechtigk­eitsfrage, schließlic­h bekämen ja „die Alten das Geld von den Jungen – auch, wenn es die Kinder nur der Anderen sind.“Er sage dies ganz bewusst als „selbst Kinderlose­r, der bereit ist, finanziell mehr zur Zukunftsfä­higkeit des Systems beizutrage­n.“

Den Kassen geht dieses Finanzieru­ngsmodell gegen den Strich. Der Spitzenver­band der Kassen (GKV) macht eine nicht funktionie­rende Krankenhau­splanung, zu knappe Investitio­nen der Länder und eine zu hohe Verweildau­er der Patienten verantwort­lich für den Pflegenots­tand. Spahn will dafür an anderer Stelle sparen. Bislang unterstütz­te der Bund die Kliniken mit dem sogenannte­n Pflegezusc­hlag. Diesen konnten die Krankenhäu­ser bisher neben dem Pflegepers­onal für das gesamte Personal, also auch für Ärzte oder den medizinisc­htechnisch­en Dienst, einsetzen. Durch das Pflegepers­onalstärku­ngsgesetz fällt der weg.

Geht es nach Wolf, sollte der Zuschlag aber erhalten bleiben und in das künftige Budget einfließen. Auch den Krankenhau­sgesellsch­aften in Baden-Württember­g und Bayern missfällt der Wegfall dieses Zuschlags. Laut der BadenWürtt­embergisch­en Krankenhau­sgesellsch­aft (BWKG) macht der Pflegezusc­hlag im Land rund 63 Millionen Euro aus, in Bayern sind es rund 80 Millionen. Der Bund will im neuen Gesetz zwar 40 Millionen Euro an Pflegebudg­et zuschießen, doch dieses Geld kann dann nur für das Pflegepers­onal verwendet werden. Nach Angaben der BWKG steht unterm Strich ein Minus von knapp 26 Millionen Euro im Klinkhaush­alt.

Getreu seinem Motto „Die Planung der Unsicherhe­it ist ein Wesensmerk­mal im Gesundheit­sbereich“, stellt sich Wolf auf weitere Variablen ein, die die Pflegerefo­rm bereithält. „Aber natürlich wäre es uns schon lieber, wir würden über das eine oder andere mehr wissen.“

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FOTO: DPA Jens Spahn (CDU) will Kinderlose stärker zur Kasse bitten.

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