Café im Mühlenviertel eröffnet im Januar
Ravensburg: Psychisch Kranke arbeiten mit und verkaufen auch Obst, Gemüse und Brötchen
RAVENSBURG - Auf dem mittlerweile in Mühlenviertel umgetauften Bezner-Areal in Ravensburg geht es rasant voran: Die Reisch-Wohnungen wachsen in die Höhe. Und die Bruderhaus-Diakonie ist Mitte September mit einer Werkstatt für psychisch kranke Menschen in das umgebaute Backsteingebäude Holbeinstraße 32 eingezogen. Im dazugehörigen Café bekommen die Klienten bereits Mittagessen und Kaffee. 2019 werden sich in dem Café-Geschäft auch die Auslagen mit Obst und Gemüse vom Riesenhof füllen.
Ständig schaut jemand rein und möchte wissen, ob das Café schon offen ist. Jein. Denn auch wenn die offizielle Eröffnung erst für 9. Januar angesetzt ist, „schicken wir niemanden weg“, sagt Sarah Hagelstein, eine der vier Sozialarbeiterinnen, die in dem Café arbeiten, das die Bruderhaus-Diakonie im Mühlenviertel (derzeit noch im Testlauf) betreibt. Für die psychisch kranken Menschen, die hier in den schmucken, neuen Werkstätten Zucker, Reise oder Gewürze abfüllen, die Tüten dann etikettieren, kommissionieren und verschicken. Aber auch für alle Nachbarn, die Lust haben, hereinzuschneien, in einem gemütlichen Lounge-Sessel Zeitung zu lesen oder einen Cappuccino zu trinken. 60 Plätze gibt es in dem 150 Quadratmeter großen, gemütlichen Café, das ganz bewusst im Wohngebiet seine Türen öffnet – damit zwischen Nachbarn und psychisch kranken Menschen auf unkomplizierte Weise so viel Kontakt wie möglich entsteht.
Café ist auch Nahversorger
Die „Beschäftigten“freuen sich schon sehr auf ihren Einsatz, sagt Andreas Weiss, Fachbereichsleiter Sozialpsychiatrie der BruderhausDiakonie Stiftung Gustav Werner und Haus am Berg der Region Bodensee-Oberschwaben. Acht psychisch kranke Menschen werden die Sozialarbeiter im Service unterstützen. Wobei seine Kollegin Simone Windbüher betont, dabei herrsche „kein Drill“. Das Café firmiert auch als Nahversorger und wird neben Bio-Obst und -Gemüse vom Riesenhof Brötchen, Butter, Käse, Wurst und Milch anbieten. Ein Mittagstisch ist ebenfalls geplant – gekocht wird in der Riesenhofküche. Momentan ist das Café von 10 bis 17 Uhr geöffnet, die Zeiten sollen sich künftig aber „nach dem Bedarf der Bürger richten“, wie Windbühler betont.
Wobei nicht nur das Café der Bevölkerung offen steht: Die hellen, großzügigen Räume im ersten Stock sind zwar unter der Woche von den Klienten belegt – abends und am Wochenende können sich dort aber Mutter-Kind-Gruppen, ein Chor oder andere Vereine treffen. „Wir wollen das Haus beleben“, macht Andreas Weiss deutlich. Zudem sollen hier zehn Veranstaltungen jährlich über die Bühne gehen. Wobei Weiss versichert, man werde lärmtechnisch Rücksicht auf die Anwohner nehmen.
Vier-Millionen-Euro-Investition
Vier Millionen Euro hat sich die Bruderhaus-Diakonie die Sanierung des 1600 Quadratmeter großen Backsteingebäudes kosten lassen. Zahlreiche Zwischenwände wurden ebenso entfernt wie der Teppichboden. Dabei kam unter mehr als 100 Jahre altem Verputz eine alte Holzkonstruktion zum Vorschein, die freigelegt und abgestrahlt wurde und den Räumen nun heimelige Wärme verleiht. 50 psychisch kranke Menschen sind von den Räumen bei dwp in der Hinzistobler Straße, die das Unternehmen selbst brauchte, in die Holbeinstraße umgezogen – Platz ist für weitere 20. Sie arbeiten in Werkstätten
„Wir wollen das Haus beleben.“Andreas Weiss
und im kaufmännischen Bereich und wenn sie beides nicht schaffen, strukturieren Kunst- und Bewegungstherapie oder andere kreative Angebote ihren Tag. Nach Möglichkeit sollen sie es zurück auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen.
Weiss und Windbühler sind glücklich mit der vom Ravensburger Architekten Andreas Ludwig betreuten Sanierung. Lediglich an der Fassade müssen noch etliche Stellen ausgebessert werden. Sobald die Baustelle fertig ist, werden vor dem Haus einige Parkmöglichkeiten ausgewiesen, die restlichen der 20 Stellplätze gibt es in der Tiefgarage.
Am 26. Januar lädt die Bruderhaus-Diakonie zu einem Tag der offenen Tür in das umgebaute Backsteingebäude in der Holbeinstraße 32.