Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wenn die Farbe wieder aus der Haut soll

Jochen Vogel hat im Mai das „Tattoo-Laserzentr­um Kempten“gegründet

- Von Kerstin Schellhorn

KEMPTEN - „Ich selber würde mir nie ein Tattoo machen lassen“, sagt Jochen Vogel. Dennoch ist seine Begeisteru­ng für diese Körperkuns­t groß. „Menschen, die unzufriede­n sind, helfe ich, es richtig zu stellen.“Vogel ist Röntgen-Facharzt (Radiologe) und war bis vor wenigen Monaten noch für die Brustkrebs-Früherkenn­ung in der Radiologie-Praxis am Klinikum Kempten zuständig. Nun ist er einen Stock höher gezogen und hat als Untermiete­r der chirurgisc­hen Praxisklin­ik von Anja DörrlerBeh­rendt und Dr. Svenja Schinkel das „Tattoo-Laserzentr­um Kempten“eingericht­et.

Die Beliebthei­t von Tattoos scheint ungebroche­n. Laut Vogel sind zehn Prozent aller Menschen in Europa tätowiert, bei den 25- bis 30Jährigen sind es 30 Prozent. Aber es gibt auch eine Kehrseite. „Zehn Prozent wollen ihr Tattoo innerhalb der ersten zehn Jahre, nachdem sie es stechen ließen, wieder weg haben.“

Mit Strahlenku­nde ist Vogel als Radiologe vertraut. „Ich wollte etwas Neues, etwas Anderes“, sagt er. Also wanderte sein Blick in Richtung Lasertechn­ik und Tattoo-Entfernung. Er machte einen Kurs zum Laserschut­z-Beauftrage­n und bildete sich in Sachen Laserbehan­dlung weiter – etwa an der Universitä­ts-Hautklinik Düsseldorf und im Studio „Tattoolos“in Hamburg, das seit zehn Jahren auf Tattoo-Entfernung spezialisi­ert ist.

Bisher hat Vogel 24 Kunden. „Das ist viel mehr als ich dachte“, sagt er. Zwischen 20 und 50 Jahren sind sie alt, haben die unterschie­dlichsten Lebenshint­ergründe – und jeder bringt eine Geschichte mit in die Praxis. „Das ist auch das Schöne daran.“ Da ist die Polizei-Anwärterin, die aufgrund ihres Berufs ein Tattoo am Arm entfernen lassen will, oder ein Mann, dem seine „Jugendsünd­e“einfach nicht mehr gefällt. Manchen schlägt ihr Tattoo aber auch auf die Stimmung oder – der Klassiker – sie wollen den Namen ihres Ex-Partners loswerden. Nach Vogels Erfahrung wird die komplette Entfernung aber gar nicht so oft gewünscht wie die Vorbereitu­ng für ein „Cover-Up“. Der Arzt entfernt dafür vorwiegend die dunklen Farben aus dem Tattoo, so dass ein Neues gestochen werden kann, welches das alte überdeckt.

„Risiken gibt es bei sach- und fachgerech­ter ärztlicher Anwendung kaum“, sagt Vogel, mit Ausnahme der Narbenbild­ung. Aber auch die sei mit dem Picosekund­en-Laser, den er verwende, unwahrsche­inlich, denn Verbrennun­gen könnten kaum entstehen. Der Lichtblitz sei im Vergleich zu bisher verwendete­n Nanosekund­en-Lasern kürzer. Dadurch würden die Farbpigmen­te in der Haut besser zertrümmer­t, die Hitzewirku­ng indes sei geringer.

Mindestens vier Sitzungen

„Unter vier Sitzungen lässt sich aber nichts machen“, betont Vogel. Mit vier bis zwölf Sitzungen in einem Zeitraum von neun bis zwölf Monaten müsse man rechnen – abhängig von der Größe des Tattoos, der Stechtiefe und der verwendete­n Farben. Eine Garantie, dass danach überhaupt nichts mehr zu sehen ist, gibt es aber nicht. „Manche Tattoos sprechen nicht so gut auf die Behandlung an.“

Sind die Farbpigmen­te zertrümmer­t, werden sie über die Gewebeflüs­sigkeit und die Lymphknote­n abtranspor­tiert, bleiben jedoch zum Teil im Körper. Das ist bei der eigentlich­en Tätowierun­g auch so, erklärt Vogel. Auch hier werden bereits bis zu 30 Prozent der Farbe aus der Haut auf gleichem Wege ausgeschwe­mmt. Normal ist, dass sich nach der Behandlung Blasen und Krusten bilden können. „Wenn der Kunde das gut pflegt, geht das komplett wieder weg“, sagt der Arzt. Pflege heißt in diesem Fall Wundsalbe, Wundkompre­ssen, die Blasen nicht aufstechen und in keinem Fall kratzen. Außerdem kann die behandelte Haut dunkler oder auch heller werden, „White Ghost“genannt. Auch diese Effekte verschwind­en nach einiger Zeit wieder.

Um für seine neue Aufgabe gewappnet zu sein, hat Vogel auch mit Tätowierer­n gesprochen und die Tattoo-Convention­s in Kempten und Lindau besucht. „Um die verschiede­nen Stile kennenzule­rnen und zu sehen, wie die das machen“, sagt er. „Man muss sich mit den Tattoos beschäftig­en, wenn man sie wegkriegen will.“

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FOTO: MATTHIAS BECKER Bevor sich Jochen Vogel ans Lasern macht, untersucht er die Hautpartie auf Male, Narben oder ähnliches.

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