Technik erklären – Verhalten ändern
Vor 20 Jahren startete das Energie- und Umweltzentrum Allgäu – Am Anfang war die politische Rückendeckung enorm wichtig.
KEMPTEN - Energie sparen. Die Umwelt entlasten. Ein Netzwerk Gleichgesinnter aufbauen. Neue technische Möglichkeiten erklären. Und letztlich das Verhalten der Menschen ändern: Das waren die Ziele, die bei der Gründung des Energie- und Umweltzentrums Allgäu (Eza) vor 20 Jahren im Vordergrund standen. Und heute, Plan erfüllt? Inhaltlich sei Eza deutlich vorangekommen, sagen zwei Männer der ersten Stunde – Ulrich Netzer, früherer Oberbürgermeister von Kempten und viele Jahre EzaVorsitzender, sowie Eza-Geschäftsführer Martin Sambale.
Es war der 30. November 1998, als die Gründungsurkunde für Eza beim Notar unterschrieben worden ist. Aber die Geschichte dieser gemeinnützigen Gesellschaft beginnt schon ein paar Jahre vorher. Netzer hatte im Kommunalwahlkampf 1996 gegen den amtierenden Kemptener OB Dr. ANZEIGE Wolfgang Roßmann die Energiepolitik „eine wichtige Aufgabe für die Kommune“genannt, ein Öko-Audit angeregt und den Ausbau des Fernwärmenetzes gefordert. Ferner regte er die Gründung eines Energiesparvereins an.
Netzers Vorstellungen fielen auf fruchtbaren Boden. Auch deshalb gewann er die Wahl. Es war die Zeit, als die Umweltkonferenz von Rio die „Lokale Agenda 21“formulierte, nach der alle Kommunen in jedem Land erneuerbare Energien sowie den Solarstrom fördern und auf energiesparende Bauweise achten sollten. „Über dieses Thema allein habe ich einen Abend lang mit Gerd Gläser vom Bund Naturschutz diskutiert, der dieses Thema stark vorantrieb“, sagt Netzer.
Das Jahr 1996 brachte im Allgäu noch ein paar andere ökologische Weichenstellungen. Das Allgäuer Überlandwerk (AÜW) stellte sich neu auf und wollte künftig nicht mehr nur Energieerzeuger sein, sondern auch zum Energiesparen beitragen. Und der frühere Vorsitzende des Zweckverbandes für Abfallwirtschaft Kempten (ZAK), Gebhard Kaiser, trieb 1996 als neuer Oberallgäuer Landrat die Mülltrennung und Fernwärme voran.
Die beiden CSU-Politiker teilten sich die Aufgaben. Während Kaiser immer noch den Blick auf den ZAK gerichtet hatte, kümmerte sich Netzer um Eza. Über die damals bereits bestehende Allgäu-Initiative, die Vorläuferin der Allgäu GmbH, kamen alle Allgäuer Landkreise und die meisten Kommunen als Mitgesellschafter zu Eza. Auch die Energiewirtschaft mit AÜW, den Lechwerken, Erdgas Schwaben sowie dem Biomassehof waren im Boot. Und sogar die Ölhändler wurden aufgenommen, was bei den Grünen sehr umstritten war („Da wird der Bock zum Gärtner gemacht ...“). Aber Netzer wollte alle, die mit der Energie Geld verdienen, als Mitglieder bei Eza haben. Denn nur mit so einem geballten Netzwerk seien die Ziele zu erreichen – und dabei auch Verhalten zu verändern, war er sich sicher. „Der politische Rückhalt war enorm wichtig“, blickt Sambale zurück. Die gebündelte Energie-Kompetenz bei Eza hatte noch einen anderen Effekt. Sie trug dazu bei, dass das früher oft zerstrittene Allgäu nun in München plötzlich mit einer Stimme sprach und mit seinen Anliegen mehr Gehör fand.
Sambale fing 1998 mit einer Halbtags-Sekretärin in den Räumen des ZAK an der Immenstädter Straße in Kempten an. 2002 erfolgte dann der Umzug ins Eza-Haus an der Burgstraße – ein energetisch saniertes Vorzeigeobjekt. Heute arbeiten bei Eza 34 Menschen, ein Großteil davon in Teilzeit. Zu den Hauptaufgaben zählen die Beratung von Häuslebauern und Gebäudesanierern, die Weiterbildung der Architekten und Handwerker, die Organisation von Messen, das Ausrichten von Wettbewerben und die Öffentlichkeitsarbeit.
Eza hat inzwischen 100 Partnerfirmen, die einen Beitrag je nach Größe von 1500 Euro aufwärts pro Jahr zahlen. Das bringt von anderen Unternehmen schon mal den Vorwurf ein, Eza würde bei Ratsuchenden, die wissen wollen, wer denn eine gute Firma sei, bestimmte Tipps geben. „Wir geben keine ProduktEmpfehlungen“, versichert Sambale. „Allerdings bekommen Bauherren unsere Partner-Liste. Das sind quasi die Gelben Seiten von Eza“, sagt der Geschäftsführer. Und: „Wir profitieren nicht, wenn ein Eza-Partner einen Auftrag bekommt. Es gibt bei uns keine Vermittlungsprovision.“In den 20 Jahren haben sich die Themen von Eza kaum verändert. „Aber wir müssen uns immer wieder was Neues einfallen lassen, um die Menschen zu überzeugen“, sagt Sambale.