Ein Hybrid fürs Volk
ZF glaubt an kombinierte Strom- und Kraftstoffmotoren und investiert drei Milliarden Euro
FRIEDRICHSHAFEN - Die automobile Zukunft ist elektrisch – aber eben nur zum Teil. Davon ist der Friedrichshafener Autozulieferer ZF fest überzeugt. Vorstandschef Wolf Henning Scheider geht davon aus, dass Autos noch sehr, sehr lange mit einer Kombination aus Verbrennungsmotoren und Elektroantrieben fahren werden. Der Grund: Reine Elektrofahrzeuge werden aufgrund von langen Ladezeiten, geringen Reichweiten und hohen Kosten für die Batterien mittelfristig nur Zweit- oder Drittfahrzeug sein. Aus dem Grund fordert Scheider im „Handelblatt“einen „echten Volks-Hybrid“. „Wenn eine Familie nur ein Auto hat, dann löst nur ein Hybrid mit einer elektrischen Reichweite, die den Pendelverkehr abdeckt, ihre künftigen Mobilitäsanforderungen komplett“, sagte der 56-Jährige der Zeitung. „Elektrisch kommen Sie dann auch bei Fahrverboten zur Arbeit, und das lokal emissionsfrei. Den Verbrenner nutzen Sie bei langen Überlandfahrten oder Fernfahrten in den Urlaub.“
Wie überzeugt ZF von dieser Vision ist, zeigt nun die Tatsache, dass das Unternehmen „in den kommenden Jahren drei Milliarden Euro in die Weiterentwicklung und Elektrifizierung unserer Getriebetechnologie“investiert, „um den sich wandelnden Anforderungen der Mobilität der Zukunft gerecht zu werden“, wie Stephan von Schuckmann, Chef der ZFSparte Autoantriebe, der „Schwäbischen Zeitung“bestätigt. 800 Millionen Euro steckt der Konzern in den Standort Saarbrücken, an dem ZF bislang vor allem konventionelle Automobilgetriebe herstellt. Ein Großteil der übrigen 2,2 Milliarden fließt in die Werke am Stammsitz am Bodensee. „Die gesamte Getriebetechnologie für Saarbrücken und alle Pkw-Getriebestandorte weltweit wird vom Entwicklungszentrum der Pkw-Antriebstechnik in Friedrichshafen und Kressbronn entwickelt – dazu gehören auch die Hybridgetriebe“, erklärt von Schuckmann weiter. Ein Teil des Budgets geht nach Angaben von ZF zudem in Werke in den Vereinigten Staaten und in China, um die Produktionen für die Hybridtechnologie zu ertüchtigen.
Hohe Umsatzerwartungen
ZF setzt hohe Umsatzerwartungen in die Getriebe, die sowohl mit Strom als auch mit fossilen Kraftstoffen funktionieren müssen. „Der Anteil von Hybridgetrieben in der Produktion wird sich in den nächsten Jahren verzehnfachen – von fünf auf dann 50 Prozent“, erklärt der ZF-Chef. Das zeige schon jetzt ein Blick in die Auftragsbücher des Unternehmens.
Die in Aussicht gestellten Milliarden-Investitionen für Entwicklungen stärken den Standort Friedrichshafen, der Stammsitz wandelt sich mehr und mehr zum Forschungslabor des Konzerns. Für reine Produktionsstandorte wie Saarbrücken sieht die Situation anders aus. Wenn die Entwicklung hin zur Elektromobilität so fortschreitet wie prognostiziert, wird der Absatz im Werk Saarbrücken nach ZF-Angaben langfristig sinken – und damit auch die Mitarbeiterzahl. „Diesen Wandel gilt es zu gestalten und zu moderieren“, sagt von Schuckmann. „Die Tatsache, dass diese Effekte erst in einigen Jahren eintreten werden, gibt uns die Chance, uns darauf vorzubereiten.“
Die Umbrüche in der automobilen Welt verändern aber nicht nur die Antriebe und damit verbunden die Produktionen der Unternehmen, sie verändern auch die Rolle der Zulieferer an sich – und nach Ansicht Wolf-Henning Scheiders nicht zuungunsten von ZF und seinen Konkurrenten. Weil die Autohersteller zunehmend komplette Systeme bestellten, müssten die Zulieferer mehr Verantwortung übernehmen. „Damit steigen bei uns die Vorleistungen und die Komplexität“, wie Scheider im „Handelsblatt“erläutert. „Andererseits nimmt die Bedeutung der Zulieferer zu.“