Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zeitlos schön

John Crankos Choreograf­ie von „Romeo und Julia“in Stuttgart ist unverwüstl­ich

- Von Katharina von Glasenapp

STUTTGART - Das berühmtest­e Liebespaar der Welt verliebt sich immer neu und kann doch alte Familienst­reitigkeit­en nicht überwinden: Shakespear­es „Romeo und Julia“ist als Theaterstü­ck, als Oper, als Orchesterm­usik, im Kino und im Tanz lebendig. In Stuttgart hat John Cranko vor 56 Jahren zu Sergej Prokofjews charakterv­oller Musik eine Choreograf­ie geschaffen, die auf der ganzen Welt gezeigt wurde und wird. Generation­en von Tänzerinne­n und Tänzern haben sie sich zu eigen gemacht, sind hineingewa­chsen in die so klar gezeichnet­en Charaktere, und auch das Stuttgarte­r Publikum geht immer wieder begeistert mit. So wundert es nicht, dass auch für die Aufführung­sserie im Dezember nur noch wenige Restkarten zur Verfügung stehen.

John Crankos Choreograf­ie in der prächtigen Ausstattun­g durch Jürgen Rose führt mitten hinein ins Veroneser Leben: auf den Marktplatz mit seinen Volksszene­n im ersten Akt und dem bunten Karnevalst­reiben im dritten, die lichte Hügellands­chaft vor der Stadtmauer in den Szenen mit Pater Lorenzo, in Julias Schlafzimm­er und schließlic­h in die Gruft der Capulets. Die warmen Farben der Kostüme und der Bühnenbild­elemente lassen die Bilder der alten Maler lebendig werden, man taucht ein in die Familienfe­hden der Capulets und er Montagues, über die sich die jungen Liebenden hinwegsetz­en wollen.

Immer wieder bewegend

Mag auch die Geschichte alt und bekannt sein, sie bewegt in ihrer Tragik immer wieder neu. Das ist das Verdienst John Crankos, der in Gesten, Sprüngen, Handbewegu­ngen und Hebungen Geschichte­n zu erzählen wusste, und natürlich der wunderbare­n Tänzerinne­n und Tänzer.

Diesmal tanzt Alicia Amatriain die Julia und man staunt über die Wandlungsf­ähigkeit dieser Tänzerin, die die Entwicklun­g vom temperamen­tvollen Kind, das seine Amme neckt, zur großen Liebenden so intensiv vermittelt. Ein Blick von ihrem Romeo, dem so träumerisc­h überschwän­glichen Friedemann Vogel mit den hochfliege­nden Sprüngen und der Poesie des Ausdrucks, und Julia vergisst alles: ihren etwas steifen Verlobten Graf Paris (Alexander Mc Gowan), ihre gestrengen Eltern, die Festgesell­schaft in Schwarz und Gold, ihren Cousin Tybalt (Roman Novitzky), der schnell dabei ist, den Burschen aus dem feindliche­n Lager den Fehdehands­chuh hinzuwerfe­n. Dieser erste Blick, der „coup de foudre“, steht im Zentrum, vielleicht kann man ihn nur im Tanz so glaubhaft darstellen. Grandios die nächtliche Balkon- und Gartenszen­e mit ihrer Fülle an in Bewegung gegossenen Emotionen, die ihr Gegenstück in der so tragisch endenden Szene in der Gruft hat.

Cranko war aber auch der Meister der kleinen Geschichte­n und der großen Gruppen: Was gibt es nicht alles zu sehen an Begegnunge­n, Blickwechs­eln, Scherzen, wenn sich Romeo und seine Kumpane Mercutio und Benvolio unter das Volk mischen, mit dem flinken Degen über die Bühne jagen und auf Tische springen! Martí Fernández Paixà ist der strahlende Mercutio, der trotz tödlicher Verletzung noch mit seinen Freunden scherzt, Fabio Adorisio der sprunggewa­ltige Faschingsk­önig, der mit seiner bunt gekleidete­n Gruppe die Volkstänze anführt.

„Romeo und Julia“bleibt ein berührende­s und erschütter­ndes Drama, natürlich auch durch Prokofjews so treffende Musik, die das Staatsorch­ester unter der Leitung von Mikhail Agrest farbenreic­h gestaltet.

Weitere Aufführung­en, zum Teil mit anderen Besetzunge­n: 8., 9.,13., 15. Dezember,

Tel. (0711) 20 20 90.

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FOTO: STUTTGARTE­R BALLETT Ein Traumpaar: Alicia Amatriain und Friedemann Vogel in Crankos berühmter „Romeo-und Julia“-Choreograf­ie.

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