Weg mit Opas Schnupftabakdose: Erbstücke verkaufen und verschenken?
Zugegeben: Das Silberbesteck von Oma Gentemann habe ich noch. Für zwölf Personen. Verschiedene Größen für Vor- und Hauptspeise. Mit Kuchengabeln, Fischmessern und Serviettenringen natürlich. Die Zier der gehobenen Tafel – falls jemand Lust hätte, das dun- kel angelaufene Zeug zu putzen. Ich bin dieser Jemand leider nicht, sondern decke den Tisch selbst zu Weihnachten mit dem praktischen Stahlbesteck. Glänzend und spülmaschinentauglich. Wird Zeit, den Silberschatz meiner Schwester aufzuladen. Die hält Geerbtes grundsätzlich für heilig und bewahrt sogar Omas angeschlagene Teekanne und die vor circa 100 Jahren bestickte Weihnachtsdecke mit plattgebügelten Mottenlöchern und den Flecken versunkener Kaffeerunden. Ich finde solches Zeug fast ein bisschen bedrückend. Es erzählt zu viel von Vergänglichkeit und nimmt den Platz weg für das Gegenwärtige. Ich will meine eigenen Dinge um mich haben, weshalb auch die raumgreifende Deckelvasen-Sammlung meiner Schwiegermutter beherzt dem Trödler übergeben wurde. Ein paar Schmuckstücke und viele Fotos genügen mir als Träger von Erinnerung. Tatsächlich bin ich schon dabei, die angehäuften Dinge meines eigenen Lebens zu reduzieren, weil ich weder mich noch unsere Tochter mit zu viel Kram belasten möchte. Aussortieren macht frei.
Wäre es nach meiner Mutter gegangen, hätte ich das mit Granat besetzte Goldkreuzchen einst zum Brautkleid getragen. Nur mochte ich goldene Halskettchen noch nie. Seit 30 Jahren liegt das Schmuckstück aus dem Erbe meiner Urgroßmutter unbenutzt in der Schatulle. Es hat zwei Umzüge überstanden, jedesmal habe ich es neu verräumt, zusammen mit dem schlechten Gewissen ob meiner Lieblosigkeit. Zumindest meine Oma konnte sich da nicht beschweren. Ihr „Frühling in Worpswede“, Originalradierung eines mäßig erfolgreichen Künstlers namens Cornelius Rogge, hängt bei mir prominent an der Wand, seit sie sie mir zum Einzug in meine erste Studentenbude geschenkt hat. Angeblich hatte der Maler sie ihr persönlich verehrt. Deshalb lasse ich sie hängen. Zugegeben, ich habe auch viel geerbtes Zeug gebunkert, an dem keine großen Erinnerungen hängen und das ich nie gebraucht habe und sicher auch nie brauchen werde wie Opas Römer-Bleikristallgläser in allen nur erdenklichen Farben.
Nie gebraucht habe ich bisher auch die Taschenuhrenkette meines Urgroßvaters, geflochten aus den rotbraunen Haaren seines „allerliebsten Kathrinchens“. Ich werde sie dereinst meinen Söhnen vererben. Vielleicht wäre eine Hochzeit ein schöner Anlass, sie zu tragen.
Weg mit dem Ballast der Vergangenheit.
Von Birgit Kölgen
Liebgewonnene Erinnerungen bewahren.
Von Christiane Pötsch-Ritter