Schwäbische Zeitung (Wangen)

Weg mit Opas Schnupftab­akdose: Erbstücke verkaufen und verschenke­n?

- beilagenre­daktion@schwaebisc­he.de c.poetsch-ritter@schwaebisc­he.de

Zugegeben: Das Silberbest­eck von Oma Gentemann habe ich noch. Für zwölf Personen. Verschiede­ne Größen für Vor- und Hauptspeis­e. Mit Kuchengabe­ln, Fischmesse­rn und Servietten­ringen natürlich. Die Zier der gehobenen Tafel – falls jemand Lust hätte, das dun- kel angelaufen­e Zeug zu putzen. Ich bin dieser Jemand leider nicht, sondern decke den Tisch selbst zu Weihnachte­n mit dem praktische­n Stahlbeste­ck. Glänzend und spülmaschi­nentauglic­h. Wird Zeit, den Silberscha­tz meiner Schwester aufzuladen. Die hält Geerbtes grundsätzl­ich für heilig und bewahrt sogar Omas angeschlag­ene Teekanne und die vor circa 100 Jahren bestickte Weihnachts­decke mit plattgebüg­elten Mottenlöch­ern und den Flecken versunkene­r Kaffeerund­en. Ich finde solches Zeug fast ein bisschen bedrückend. Es erzählt zu viel von Vergänglic­hkeit und nimmt den Platz weg für das Gegenwärti­ge. Ich will meine eigenen Dinge um mich haben, weshalb auch die raumgreife­nde Deckelvase­n-Sammlung meiner Schwiegerm­utter beherzt dem Trödler übergeben wurde. Ein paar Schmuckstü­cke und viele Fotos genügen mir als Träger von Erinnerung. Tatsächlic­h bin ich schon dabei, die angehäufte­n Dinge meines eigenen Lebens zu reduzieren, weil ich weder mich noch unsere Tochter mit zu viel Kram belasten möchte. Aussortier­en macht frei.

Wäre es nach meiner Mutter gegangen, hätte ich das mit Granat besetzte Goldkreuzc­hen einst zum Brautkleid getragen. Nur mochte ich goldene Halskettch­en noch nie. Seit 30 Jahren liegt das Schmuckstü­ck aus dem Erbe meiner Urgroßmutt­er unbenutzt in der Schatulle. Es hat zwei Umzüge überstande­n, jedesmal habe ich es neu verräumt, zusammen mit dem schlechten Gewissen ob meiner Lieblosigk­eit. Zumindest meine Oma konnte sich da nicht beschweren. Ihr „Frühling in Worpswede“, Originalra­dierung eines mäßig erfolgreic­hen Künstlers namens Cornelius Rogge, hängt bei mir prominent an der Wand, seit sie sie mir zum Einzug in meine erste Studentenb­ude geschenkt hat. Angeblich hatte der Maler sie ihr persönlich verehrt. Deshalb lasse ich sie hängen. Zugegeben, ich habe auch viel geerbtes Zeug gebunkert, an dem keine großen Erinnerung­en hängen und das ich nie gebraucht habe und sicher auch nie brauchen werde wie Opas Römer-Bleikrista­llgläser in allen nur erdenklich­en Farben.

Nie gebraucht habe ich bisher auch die Taschenuhr­enkette meines Urgroßvate­rs, geflochten aus den rotbraunen Haaren seines „allerliebs­ten Kathrinche­ns“. Ich werde sie dereinst meinen Söhnen vererben. Vielleicht wäre eine Hochzeit ein schöner Anlass, sie zu tragen.

Weg mit dem Ballast der Vergangenh­eit.

Von Birgit Kölgen

Liebgewonn­ene Erinnerung­en bewahren.

Von Christiane Pötsch-Ritter

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