Hausärzten geht der Grippeimpfstoff aus
Sonderregeln erleichtern Import, aber viele Praxen müssen Impfwilligen absagen
RAVENSBURG (ume) - Die Maßnahmen des Bundesgesundheitsministeriums gegen den Mangel an Grippeimpfstoffen zeigen in der Region kaum Wirkung. In vielen Gebieten sind keine Impfstoffe mehr erhältlich, wie eine Umfrage der „Schwäbischen Zeitung“unter Hausärzten ergab. „Die Knappheit an Impfstoffen betrifft ganz Baden-Württemberg“, bestätigt Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung.
Nach Angaben des Sozialministeriums waren Ende November noch 28 000 Impfdosen in den Arztpraxen im Land verfügbar, 4000 weitere in den Apotheken. Diese dürften inzwischen weitgehend aufgebraucht sein.
Es sei „bedauerlich, wenn impfwillige Bürger bei ihrem Arzt oder ihrer Apotheke keinen Impfstoff erhalten können“, so Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). „Daher begrüße ich es sehr, dass die Regierungs präsidien in Baden-Württemberg als zuständige Arzneimittel aufsichtsbehörden jetzt den Weg für den Bezug von Impfstoffen aus dem Ausland frei gemacht haben“. Dies ist möglich, weil Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Versorgungsmangel festgestellt hat. Zudem wurde der Austausch von Restbeständen an Impfstoff zwischen verschiedenen Ärzten erleichtert.
Die Chancen, dass nun weitere Impfpfstoffe in nennenswertem Umfang nach Baden-Württemberg gelangen, sind nach Einschätzung des Landesapothekerverbands aber gering, so Verbandssprecher Frank Eickmann. „Der Markt ist leer.“
RAVENSBURG - Alle Jahre wieder rollt die Grippewelle durch Deutschland – mal stärker, mal schwächer, aber relativ regelmäßig im Januar und Februar. Insbesondere ältere Menschen, Schwangere und chronisch Kranke sollten sich impfen lassen, ebenso wie medizinisches Personal. Wer bislang noch nicht beim Impfen war, wird dazu aber kaum noch Gelegenheit haben, denn es gibt kaum noch Impfstoffe.
Sieben Apotheken hat Herbert Köppen aus Mittelbiberach seit Ende November abgeklappert auf der Suche nach einem Grippe-Impfstoff. Überall Fehlanzeige. „In einer Apotheke wurde mir zugeraunt, eine Ärztin hätte angeblich noch ein paar Reserven“, berichtet der Oberschwabe, der sich mit 66 Jahren zur Grippe-Risikogruppe zählt. In einer anderen Apotheke habe man ihm angeboten, sich auf eine Warteliste setzen zu lassen. Geführt hat das alles zu nichts.
Keine Vorräte in Apotheken
In Biberach sind die Grippe-Impfstoffe ausgegangen und es können auch keine mehr geliefert werden. „Die Apotheken bekommen nichts mehr“, bestätigt die Sprechstundenhilfe einer Biberacher Hausarztpraxis. Dasselbe Bild bietet sich in weiten Teilen der Region. Auch in Aalen, Ravensburg, Ehingen und Lindau sind Impfungen nicht mehr möglich, wie eine Umfrage der „Schwäbischen Zeitung“unter Hausarztpraxen in der Region ergeben hat. In Tettnang und Tuttlingen werden noch Restbestände geimpft, das Ende der Vorräte ist aber absehbar. Nur eine Praxis in Sigmaringen schlägt aus der Reihe. „Wir haben noch etwas“, meldet eine Sprechstundenhilfe auf Nachfrage. „Für unsere Patienten reicht’s.“
Anderswo müssen Patienten abgewiesen werden, die nicht schnell genug zu Beginn der Impfsaison im September oder Oktober in die Praxis gekommen sind. Das betrifft Menschen, die zu dieser Zeit krank waren und sich deswegen nicht impfen lassen konnten genauso wie Frauen, die seither schwanger wurden und damit nun zu den Risikogruppen gehören – und natürlich all jene, die dachten, es sei noch genug Zeit, weil die Grippewelle ja üblicherweise erst im neuen Jahr beginnt. Und bis der Impfschutz wirkt, dauert es von der Impfung an schließlich nur zwei Wochen. „Die Nachfrage ist nach wie hoch“, berichtet die Sprechstundenhilfe einer Hausarztpraxis in Ehingen. Eine Kollegin sei damit beschäftigt, auf der Suche nach Restbeständen die Apotheken der Umgebung abzutelefonieren.
Angesichts des Mangels zunächst in einigen nord- und ostdeutschen Bundesländern hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Ende November offiziell einen Engpass festgestellt. Seitdem dürfen Ärzte und Apotheker Impfstoffe ausnahmsweise untereinander austauschen, was sonst aus Gründen der Arzneimittelsicherheit verboten ist. Außerdem dürfen Impfstoffe aus dem EU-Ausland eingeführt werden, wenn sie von den dortigen Behörden bereits zugelassen worden sind. Ob das viel hilft, sei aber zweifelhaft, sagt Frank Eickmann, Sprecher des baden-württembergischen Landesapothekerverbands. „Theoretisch kann es sein, dass weitere Ware nach Deutschland kommt“, so Eickmann. „Aber ob das so ist, und wenn, ob sie nach Baden-Württemberg kommt, können wir überhaupt nicht absehen.“
Für Herbert Köppen aus Mittelbiberach hat die lange Suche nach dem Impfstoff ein glückliches Ende gefunden. Mit viel Glück habe er schließlich doch noch eine Impfdosis auftreiben können, berichtet er. „Reiner Zufall“sei das gewesen. Wer weniger Glück hat, muss auf den so genannten Herdenschutz vertrauen – das heißt, dass die Gefahr einer Infektion geringer ist, wenn in der Umgebung viele Menschen geimpft sind und so die Verbreitung des Virus verhindern. Die hohe Nachfrage nach Grippe-Impfungen in dieser Saison bietet also auch den Ungeimpften zumindest einen gewissen Schutz.