Erst anschauen, dann beurteilen
Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann steht der Reform des Tenniswettbewerbs kritisch gegenüber
BIBERACH - Wenn die deutsche Davis-Cup-Mannschaft am 1. und 2. Februar 2019 in Frankfurt auf Ungarn trifft, dann fühlt es sich fast noch an wie in den vergangenen Jahrzehnten. Zwei Mannschaften, zwar nur noch zwei Tage, aber immer noch vier Einzel und ein Doppel. Doch nach dieser Partie, die jetzt Qualifikationsrunde heißt, gibt es eine gravierende Änderung beim Traditionswettbewerb. Statt weiteren K.-o.-Runden gibt es 2019 ein einwöchiges Finalturnier in Madrid. Michael Kohlmann hält von der Reform nicht viel – das Finalturnier will der deutsche Davis-CupKapitän dennoch erreichen.
„Einfach zu sagen, früher war alles besser, ist zu einfach“, sagt Kohlmann. Der Deutsche Tennis-Bund werde alles daransetzen, das Duell gegen Ungarn zu gewinnen. „Wir wollen uns in Madrid selbst ein Bild vom Finalturnier machen.“Dann wisse man, ob die Begeisterung für den Wettbewerb da ist, ob der Zuschauerzuspruch da ist, ob die mediale Begleitung passt. In all seinen Aussagen merkt man Kohlmann allerdings an, dass er sich durchaus sorgt um den Davis Cup. Besser gesagt: Um den Davis Cup, wie es ihn in den vergangenen Jahrzehnten gegeben hat. „Im schlimmsten Fall“, meint Kohlmann, „wird es diesen Traditionswettbewerb in Zukunft nicht mehr geben.“
Früher galt auch bei den Topstars der Tennisszene: Es zählen die Erfolge bei den Grand-Slam-Turnieren. Und es zählt der Davis Cup. Unvergessen ist etwa der Sieg der Deutschen um Boris Becker, Carl-Uwe Steeb und Eric Jelen 1988 in Göteborg gegen die haushoch favorisierten Schweden um Mats Wilander und Stefan Edberg. Ab 2020 macht die Spielervereinigung ATP dem Weltverband ITF zusätzliche Konkurrenz mit dem ATP-Cup – ebenfalls ein Mannschaftswettbewerb. Weil dieser Cup im Januar als Vorbereitung auf die Australian Open ausgetragen werden soll, kommt er bei den Profis wie Novak Djokovic, Roger Federer oder Alexander Zverev besser an als das neue Davis-Cup-Finale, das Ende des Jahres stattfinden soll.
„Die Reform des Davis Cups ist nicht optimal“, ist eine eher diplomatische Antwort von Kohlmann. „Schade, dass es bald zwei große Teamevents innerhalb von sechs Wochen geben wird.“Der DavisCup-Teamchef weiß, dass der Traditionswettbewerb dann wohl schlechte Karten, sprich unattraktivere Teilnehmer haben könnte.
Doch zurück in die Gegenwart, zurück zum Spiel gegen Ungarn. „Wir werden mit unserer besten Mannschaft in Frankfurt auflaufen“, verspricht Kohlmann. Mit dem Weltranglisten-Vierten Zverev, der eine
„Die Reform des Davis Cups ist nicht optimal. (Aber) einfach zu sagen, früher war alles besser, ist zu einfach.“
Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann
Teilnahme am Finalturnier allerdings so gut wie ausgeschlossen hat. Mit Philipp Kohlschreiber (34.), JanLennard Struff (57.) und dem Doppelspezialisten Tim Pütz. Ungarn hat zwar in Márton Fucsovics den Weltranglisten-30. in seinen Reihen, danach kommt aber in der Rangliste lange nichts.
Barbara Rittner befürchtet beim Fed-Cup, dem Pendant zum Davis Cup bei den Tennisspielerinnen, eine ähnlich Entwicklung. Deutschlands „Head of women’s tennis“hofft, dass die Verantwortlichen im Frauenbereich „auf den Davis Cup schauen und die Reform dann positiv weiterentwickeln“. Bis dahin heißt es auch für Rittner und Kohlmann: abwarten und im Zweifel an schöne alte Zeiten erinnern.