Romantische Verklärung
Schicht im Schacht – im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg Deutschlands ist das zurzeit häufig zu lesen. Doch es stimmt nicht. Passender wäre: Licht aus, Pumpen an. Denn dem Ende des Kohleabbaus folgt der Anfang der Nachlassarbeiten. Und die dauern deutlich länger als die überschaubaren gut 200 Jahre der Förderung – nämlich ewig.
Das sich in den Stollen sammelnde Grubenwasser, kontaminiert mit allerlei toxischen Sulfaten und Oxiden, muss abgepumpt werden, damit es sich nicht mit dem Grundwasser vermischt. Nicht nur unter Tage, auch über Tage muss gepumpt werden: Niederschlags- und Quellwasser sowie Haushaltsabwasser muss fortgeschafft werden. Sonst versänke die Region zwischen Duisburg und Moers zwölf Meter tief in einer überdimensionalen Badewanne.
Das sollten sich Kritiker des Kohleausstiegs vor Augen halten. Die Essener RAG-Stiftung, die für die Ewigkeitskosten des Steinkohlebergbaus aufkommen muss, beteuert zwar, diese stemmen zu können. Aktuelle Schätzungen beziffern die Ausgaben auf 220 Millionen Euro jährlich. Doch in der Region haben viele ihre Zweifel, zumal Bergschäden wie Risse an Gebäuden nicht zu den Ewigkeitsaufgaben der Stiftung gehören.
Obendrein: Gerechnet hat sich der Kohleabbau längst nicht mehr. Seit den 1960er-Jahren muss die deutsche Steinkohle subventioniert werden, seitdem liegen die Förderkosten über den Preisen von Importkohle. Zwischen 150 Milliarden und 300 Milliarden Euro sind zugeschossen worden. Genau weiß das keiner. Von den Klimafolgekosten der Kohleverstromung ganz zu schweigen.
Zweifellos haben die Leistung und der Einsatz der Kumpel im Revier entscheidenden Anteil am wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands. Doch die romantische Verklärung der Branche ist heute weder ökonomisch noch ökologisch zu rechtfertigen. In einem Punkt kann das Aus der Steinkohle aber als Vorbild dienen: Der lange Abschied gelang erstaunlich harmonisch und weitgehend im Konsens. Er könnte als Blaupause dienen für den bevorstehenden Ausstieg aus der Braunkohle – dem Klimakiller Nummer eins.