Als Weihnachten unter keinem guten Stern stand
Kriegsende, Spanische Grippe und Weihnachts-Hochwasser prägten Wangen vor 100 Jahren
WANGEN - Die Wangener Bürger hatten 1918 mit vielen Kriegsgefallenen und -verwundeten und der weltweit und somit auch in Wangen auftretenden Spanischen Grippe, die ebenfalls Todesfälle forderte, schon eine Menge hinter sich. Dann folgte kurz vor den Weihnachtsfeiertagen anhaltender Regen in Verbindung mit der Schneeschmelze. Am 23. Dezember erlebte die Stadt eines der höchsten, je gemessenen Hochwasser, das erst im Laufe des Heiligabends zurückging.
„Zwischen 8 und 9 Uhr fing das Wasser rasch zu steigen an und in kurzer Zeit drangen die trüben Fluten in die Unterstadt herein, sodass der Weg an der Argen, hintere Bindstraße (heute Lange Gasse) und die Verbindungsstraßen bald ungangbar waren“, schreibt der Argenbote über den 23. Dezember 1918. Weiter heißt es: „Höher und höher stiegen die Wasser, bis auch die vordere Bindstraße vom Gasthaus zum Kreuz bis zum Rad und anderseits bis zu Kaufmann Etti überschwemmt war. Auch durch die Karlstraße wälzten sich die Wogen, fast bis zum Festplatz, Keller und Parterre-Lokale anfüllend.“
Schulen wurden geschlossen
Auch zum Jahresende kam die Stadt Wangen nicht zur Ruhe. War die Zeitung das Jahr über gefüllt mit Todesanzeigen von Soldaten, so brachte auch die zweite Welle der seit Frühjahr grassierenden Spanischen Grippe, die weltweit zwischen 1918 und 1920 mindestens 25 Millionen Tote forderte, schwere Erkrankungen und Tote mit sich. „Am 29. Oktober mussten die hiesigen Schulen in Folge der weiteren Ausbreitung der Grippe geschlossen werden“, erzählt Stadtarchivar Rainer Jensch.
Am 21. Dezember dann brannte der Dachstuhl der Gaststätte Germania an der Ecke Webergasse/ Klosterbergstraße. Bereits am 13. Dezember trat die Argen über die Ufer. Insgesamt verzeichnete das Jahr 1918, ähnlich wie 2018, laut Jensch einen „recht trockenen und heißen Sommer“.
Nichtsdestotrotz kehrte das Wasser noch einmal zurück – ausgerechnet einen Tag vor Heiligabend. Es riss zwei Stege oberhalb der „Argenbrücke“(Isnyer Brücke) mit sich. Dass es an der Brücke selbst nicht zu einem „Wasserstau“kam, war der Tatsache zu verdanken, dass die alte Holzbrücke 1906 abgerissen und durch die neue (auch heute noch existente) Isnyer Brücke ersetzt wurde. Unterhalb des Wehrs wurde aber ein größeres Gelände abgeschwemmt. Stämme mit Wurzeln, Äste und sonstiges Holz wälzten sich die Argen hinunter. „Die Raible’sche Mühle und Sägemühle und die Käß’sche Walkerei waren vollständig vom Wasser eingeschlossen“, heißt es in der Wangener Stadtchronik. Erst nach 3 Uhr morgens an Heiligabend ging das Wasser wieder langsam zurück – und hinterließ aber gleichzeitig jede Menge Schlamm in den Häusern und Straßen der Unterstadt.
Zum Glück keine Toten
„Im Gegensatz zum Hochwasser 1896 gab es 1918 zum Glück keinen Toten“, sagt Jensch. Das Wasser hatte immerhin den höchsten Stand seit 1870 erreicht. „Wir dürfen Gott danken, dass den entfesselten Elementen Feuer und Wasser keine Menschenleben zum Opfer fielen“, schrieb der Argenbote.
Bedeutende Schäden gab es laut Jensch aber an den Elektrizitätswerken. Dass in der Stadt am 24. Dezember 1918 das Wasser relativ schnell wieder abfließen konnte, verdankte die Stadt der gerade erst neu errichteten Kanalisation. Zu kämpfen hatten die Wangener zu Weihnachten dennoch, um ihre Häuser und Geschäfte wieder sauber zu bringen.
So verkündete beispielsweise die Farny-Brauerei in Dürren bereits am 24. Dezember in einer Zeitungsannonce: „Infolge Hochwasserschadens kann ich mehrere Tage meine Keller nicht benützen und erst auf Neujahr an meine Kundschaft wieder Bier abgeben.“