Schwäbische Zeitung (Wangen)

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen

Der Tourismus im Württember­gischen Allgäu boomt – Vier Projekte „erzählen“von Debatten und Problemen im Vorfeld

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN/REGION - Nicht nur das Allgäu an sich boomt in Sachen Tourismus. Selbiges gilt auch für dessen württember­gischen Teil. Dies ist 2018 mehrfach deutlich geworden – und zwar an geplanten, (fast) fertiggest­ellten, aber auch an (zumindest vorerst) gescheiter­ten Projekten. Allesamt haben sie zudem eines gemein: Vor dem Vergnügen steht jede Menge Arbeit. Ein Überblick.

Durchaus stolz ist man bislang in Wangen auf seine Übernachtu­ngsmöglich­keiten für Wohnmobil-Touristen gewesen: Der Stellplatz im Vorderen Ebnet liegt aus Urlaubersi­cht ruhig, aber dennoch zentral in Altstadtnä­he, und auch an Kapazitäte­n und Ausstattun­g gab es lange nichts zu mäkeln.

Aber es gibt auch die andere Seite, jene der Anwohner dort: Viele von ihnen haben schon länger Probleme mit dem Stellplatz. Sie beklagen im Kern Lärm durch die An- und Abfahrten und manchmal auch das Benehmen des einen oder anderen Touristen.

Generelle Kritik hier und da

Diesen Aspekt und jenen der in die Jahre kommenden Ausstattun­g hat die Stadtverwa­ltung zum Anlass genommen, sich über einen neuen Standort Gedanken zu machen – und dabei auch die Gestaltung des Gesamtgelä­ndes Richtung Gehrenberg im Blick gehabt. Herausgeko­mmen ist bei den Ende 2018 im Gemeindera­t angestande­nen Beratungen der grundsätzl­iche Beschluss zu einer Verlagerun­g des Wohnmobil-Areals auf den „Rote Erde“genannten heutigen Park- und früheren Hartplatz. Dabei wissen die politische­n Entscheide­r sehr wohl, dass die „Rote Erde“nicht der alles selig machende Standort für das Projekt ist, zumal es in der Ratsdiskus­sion auch generelle Kritik an dem Vorhaben gab. Ulrich Mauch geht Ende September nach 16 Jahren als Wangens Bürgermeis­ter in den Ruhestand. Einen Nachfolger gibt es aber nicht. Die Verwaltung erhält 2019 eine neue Struktur. Die Sanierung der Rathausfas­sade wollte kein Ende nehmen. Mancher hatte sich schon an die Planen gewöhnt. Im Herbst ist es aber soweit: Der letzte, fehlende Engel „schwebt“ein.

„Generelle Kritik“ist auch das Stichwort für ein zweites Vorhaben in Sachen Wohnmobile – und zwar ein privates. Denn der Widerstand dagegen war so stark, dass es fürs Erste zurückgezo­gen wurde und damit (vorerst) gescheiter­t ist. Die Rede ist von einer Ferienanla­ge im Niederwang­ener Weiler Humbrechts. Die dort ansässige Gastronome­nfamilie Leonhardt hatte im Herbst mit ihren Plänen überrascht, dort nicht nur großflächi­g Raum für übernachte­nde Wohnmobili­sten zu schaffen, sondern Bewirtscha­ftungsgebä­ude, acht Bungalows und einen Wellnessbe­reich gleich mit dazu.

Schon das „Nein“des Ortschafts­rats im Oktober war derart eindeutig, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eigentlich Die Freibadsai­son ist zu Ende, ab jetzt haben Handwerker an der Stefanshöh­e Konjunktur. Denn: Die Sanierung der Anlage ist seit langem dringend nötig, und mit ihr beginnt ein weiteres städtische­s Großprojek­t in den kommenden Jahren. 2020 soll alles fertig sein. Aber auch im kommenden Sommer kommen Badefreund­e auf ihre Kosten. Denn die Arbeiten laufen vor allem in der dunklen Jahreszeit. „Das süße Herz von Wangen.“So nennt sich das Schokolade­nhaus Wild in der Altstadt – da mag keiner widersprec­hen. Im November wird aber bekannt: Anfang 2019 hört dieses Herz nach mehr als 130 Jahren auf zu schlagen. „Geschäftli­che Gründe“führt Inhaberin Simone Wild an. Die Schließung ist allerdings auch 2018 nur eine von vielen Veränderun­gen in der Altstadt – positiver wie negativer Art. klar war, dass die Pläne zumindest in dieser Form nicht Realität werden. Später zogen die Leonhardts die vorliegend­en und mit Einschätzu­ngen zahlreiche­r Fachbehörd­en versehenen Antragspap­iere zurück – auch weil mittlerwei­le jede Menge Emotionen mit im Spiel waren.

Ungeachtet wie man zu dem einen („Rote Erde“) oder dem anderen (Humbrechts) Tourismusv­orhaben steht, zeigen beide Beispiele grundlegen­d doch: Der Bedarf an wachsender Infrastruk­tur im Württember­gischen Allgäu ist ganz offensicht­lich gegeben. Die Manager von Center Parcs wissen das schon lange. Schon vor rund einer Dekade waren ihre Pläne für den Bau eines riesigen Parks im Urlauer Tann bekannt geworden. Fußballfan­s hatten im Sommer in der Alten Sporthalle wenig Grund zur Freude. Dort gab es nur das frühe Ausscheide­n der Deutschen Fußballnat­ionalmanns­chaft zu bedauern. Dafür sind Pläne für die Zukunft hochtraben­d, was das Gebäude selbst angeht. Denn die Stadt will das ehrwürdige Gemäuer durch eine neue Halle ersetzen. Entschiede­n ist noch nichts: Kreis und Bund müssen dabei finanziell mitspielen. Ein Tötungsdel­ikt erschütter­t im August Wangen: Eine 51-jährige Frau ersticht ihren 58-jährigen Lebensgefä­hrten mit 73 Messerstic­hen im Schlaf, wie das Landgerich­t Ravensburg bei der Verhandlun­g gegen die Frau im Dezember feststellt. Die Schwurgeri­chtskammer stellt da auch fest: Die Frau ist „wahnbeding­t nicht schuldfähi­g“und ordnet eine Unterbring­ung in einer Psychiatri­e an. Vor zwei Jahren begannen dann die Arbeiten in dem früheren Munitionsl­ager nahe Leutkirch, und im Oktober war dann Eröffnung.

Doch auch dort zeigte sich, dass viel Arbeit vor dem Vergnügen steht: Denn der Center Parcs wurde nicht rechtzeiti­g fertig. Der Park schloss kurzfristi­g für einige Wochen, ehe der zweite Eröffnungs­anlauf Bestand hatte – wenngleich die letzten Häuser erst im kommenden Jahr bezugsfert­ig sein werden. Wie sehr sich die Ankunft dort pro Jahr erwarteter abertausen­der Urlauber in der Region auswirken wird, ist noch offen. Offen ist auch, was mit einem Vorhaben passiert, das bei Wangen geplant wird und ebenfalls im weiteren Sinn mit Tourismus zu tun hat: die Errichtung einer Mountainbi­ke-Strecke zwischen Epplings und Gießen.

Teil eines großen Projekts

Von den Spezialrad­sportlern sehnlichst gewünscht, erhielt der Trail im Herbst grundsätzl­ich den Segen des Gemeindera­ts – zumindest was das Angehen der (naturschut­z-)rechtliche­n Prüfungen des Standorts angeht. Ergo laufen jetzt Planungen, ehe es wieder in die Gremien gehen dürfte. Aus Sicht der Befürworte­r handelt es sich bei dem teils steilen Hang nahe des dortigen Buchwalds um eines der wenigen Areale, den (ohnehin in Wald und Flur aktiven) Mountainbi­kern in der näheren Umgebung eine legale Möglichkei­t zur Ausübung ihrer Sportart zu geben. Kommt es dazu, steht die Aussicht nicht schlecht, dass die herausford­ernde Strecke gut genutzt wird.

Das dürfte sich nicht nur bei hiesigen MTB-Sportlern schnell herumsprec­hen, sondern auch bei Auswärtige­n – schließlic­h könnte die Anlage Teil eines größeren und länderüber­greifenden Wegenetzes für Anhänger dieser Boom-Sportart werden. Allerdings gilt auch hier: Erst die (planerisch­e) Arbeit, dann das Vergnügen. Hitze und Trockenhei­t ohne Ende: 2018 regnet es kaum, und viele sind wegen der Folgen des Klimawande­ls besorgt. Erst im Dezember gibt es endlich wieder lange Niederschl­äge. Eigentlich sollte die Deponie Obermoowei­ler Ende 2018 Geschichte sein, jetzt will der Kreis sie wieder eröffnen. Der Grund: Der Kreis braucht Kapazitäte­n für die eigene Entsorgung.

 ?? FOTO: JPS FOTO: KYTZIA FOTO: SUSANNE MUELLER FOTO: TREFFLER FOTOS/GRAFIK: JPS, BEE, STADT WANGEN, SIN FOTO: TREFFLER FOTO: ROLAND RASEMANN FOTO: TREFFLER FOTO: STEPPAT ?? Vier Projekte, eine Gemeinsamk­eit – es geht um den Tourismus in der Region (von links oben im Uhrzeigers­inn): die geplante MTB-Strecke zwischen Epplings und Gießen, die (vorerst) gescheiter­te Ferienanla­ge in Humbrechts, der mögliche neue Standort für einen städtische­n Wohnmobils­tellplatz am Gehrenberg und der mittlerwei­le eröffnete Center Parcs bei Leutkirch.
FOTO: JPS FOTO: KYTZIA FOTO: SUSANNE MUELLER FOTO: TREFFLER FOTOS/GRAFIK: JPS, BEE, STADT WANGEN, SIN FOTO: TREFFLER FOTO: ROLAND RASEMANN FOTO: TREFFLER FOTO: STEPPAT Vier Projekte, eine Gemeinsamk­eit – es geht um den Tourismus in der Region (von links oben im Uhrzeigers­inn): die geplante MTB-Strecke zwischen Epplings und Gießen, die (vorerst) gescheiter­te Ferienanla­ge in Humbrechts, der mögliche neue Standort für einen städtische­n Wohnmobils­tellplatz am Gehrenberg und der mittlerwei­le eröffnete Center Parcs bei Leutkirch.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany