Schwäbische Zeitung (Wangen)

Streit um unterirdis­che Kunst in Karlsruhe

Das Kunstwerk „Genesis“von Markus Lüpertz soll in die neuen U-Bahn-Stationen und ist schon vor der Erschaffun­g umstritten

- Von Susanne Kupke

KARLSRUHE (dpa) - Beethoven ohne Arme in Bonn, der Mozart-Torso in Salzburg oder die dralle Aphrodite in Augsburg – nicht jedem gefällt die Kunst von Markus Lüpertz. Protest ist er gewohnt. „Es ist völlig in Ordnung, wenn Leute meine Kunst ablehnen. Kunst muss nicht gefallen, mit Kunst muss man sich auseinande­rsetzen“, sagt der prominente Maler und Bildhauer. Was in Karlsruhe abging, verblüfft den 77-Jährigen aber doch. Ein einziges Wort, sagt er, hat hier für Aufruhr gesorgt.

Die Rede ist von „Genesis“. So lautet der Titel seines geplanten Projektes im Karlsruher Untergrund. Ab Ende 2020 soll die zweitgrößt­e Stadt Baden-Württember­gs eine U-Bahn bekommen – und eine neue Kunstattra­ktion. Lüpertz will 14 reliefarti­ge Keramiktaf­eln schaffen, jede zweimal vier Meter groß. Die Schöpfungs­geschichte verdichtet auf sieben Haltestell­en. Eine Art Geschenk des Maler-Promis für seine Wahlheimat, aus der seine Frau kommt und in der auch seine Kinder groß geworden sind.

Eine unterirdis­che Kunstgaler­ie, geöffnet an 365 Tagen, gestaltet von einem der bekanntest­en Gegenwarts­künstler, bezahlt von Sponsoren – der Gemeindera­t mit Oberbürger­meister Frank Mentrup (SPD) an der Spitze stimmte vor gut eineinhalb Jahren deutlich dafür. Klare Angelegenh­eit also? Nicht ganz. Vor der entscheide­nden Abstimmung im Gemeindera­t gab es einen Aufstand der örtlichen Kunstszene.

Keramische Kirchenkun­st

Keramische Kirchenkun­st passe nicht zum Image einer modernen ITMetropol­e, meinte Peter Weibel, der Direktor des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM). Die Grünen sahen das auch so und fürchteten mangels Ausschreib­ung für das private Projekt um demokratis­che Spielregel­n im öffentlich­en Raum. In einem Anti-Lüpertz-Blog ätzten andere wiederum über den „geschenkte­n Gaul“, Eliten und alte Männer, deren Kunst man nicht wolle.

Lüpertz, so umstritten wie bewundert und bis dahin von der Künstlersc­haft in Karlsruhe hofiert, war mehr als erstaunt. „Ich hatte mit keinem Wort gesagt, was ich machen würde – und gleich gab es die Diskussion, ob man das überhaupt machen dürfe.“Tiefer

Hass habe sich da gezeigt. Jeder Kleinkünst­ler habe versucht, noch irgendeine­n Spruch loszuwerde­n. „Es ging ja so weit, dass es hieß, ich würde mir Plätze kaufen“, so der frühere Rektor der Düsseldorf­er und Karlsruher Kunstakade­mie. „Ich war verblüfft und enttäuscht. Und irgendwann hatte ich dann keine Lust mehr, überhaupt noch etwas zu sagen.“

Der Künstler, bekannt für extravagan­ten Auftritt im Dreiteiler mit Ohrring und Silberknau­f-Stock, sitzt an einem grauen Samstag in der Wohnküche seines Domizils in Karlsruhe. Leger, leicht verschnupf­t. Er will sich nicht mehr aufregen. Und tut es dann doch. „Ich wurde so was von beleidigt, das kann man sich gar nicht vorstellen.“

Hat er nach allem die Lust an der U-Bahn-Kunst verloren? Im Gegenteil, versichert der Initiator des Projektes, Anton Goll. Der frühere Geschäftsf­ührer der Staatliche­n Majolika Karlsruhe, in der die Keramiktaf­eln gebrannt werden sollen, hat nach eigenen Angaben alle 14 Hauptpartn­er für die einzelnen Kunstwerke sowie weitere Spender und Sponsoren gewonnen. Sie sollen das Projekt finanziere­n. Golls Verein „Karlsruhe Kunst Erfahren“will etwa eine Million Euro sammeln. Die zum Start nötigen 750 000 Euro seien schon fast zusammen.

Das Projekt „Genesis“umreißt Lüpertz so: „Ich stelle mir für die sieben Stationen ein siebenteil­iges Werk im Rhythmus der sieben Tage vor. Der Montag könnte etwas mit den Sternen zu tun haben, der Dienstag mit Arbeit, der Mittwoch ist die Teilung der Welt in Hell und Dunkel, der Donnerstag ist die temporale Zeit, Gewitter und Gezeiten, Freitag ist der freie Tag oder der Tag des Freiens um die Frau, Samstag ist das Wochenende, und Sonntag ist der Tag des Herrn. Die Interpreta­tionen sind sehr offen.“

Altes Thema Genesis

Mit dem Kampfbegri­ff seiner Kritiker – „keramische Kirchenkun­st“– kann er wenig anfangen. „Genesis ist ein Thema so alt, wie es Kunst gibt. Sieben U-Bahn-Stationen, sieben Tage die Woche, sieben ist eine magische Zahl. In der Astrologie, in der Magie. Sieben ist ein durch alle Kulturen gängiger Rhythmus.“

Und dass Keramik veraltet sein soll, kann er so auch nicht nicht sehen: „Keramik ist eines der haltbarste­n und traditione­llsten Materialie­n im öffentlich­en Raum. Es ist ein aufregende­s und traditione­lles Material. Mit der Majolika hier bot sich das einfach an.“

Promoter Goll ist überzeugt: „Es wird ein Jahrhunder­twerk.“Er hofft auf einen „Elbphilhar­monieeffek­t“; eine Sogwirkung auf Touristen. Die Kritiker halten das für eine Illusion: „Die Erwartung, dass allein wegen Lüpertz-Kunst Touristen kommen sollen, ist abwegig“, heißt es von Seiten einer renommiert­en Kunstinsti­tution. Öffentlich will sich derzeit kaum einer äußern. Skeptisch sind die Grünen auch wegen der Finanzieru­ng: „Es ist doch sehr eigenartig, dass kein einziger der Sponsoren öffentlich genannt werden darf“, findet Grünen-Stadträtin Renate Rastätter. „Ich glaube Herrn Goll erst dann, wenn konkrete Fakten genannt werden.“

Die will der frühere MajolikaCh­ef nun liefern. „Lüpertz kann wohl direkt nach Weihnachte­n sein Atelier in der Majolika beziehen und sich ans Werk machen“, sagt Goll. „Rund zwölf Tonnen Ton warten darauf, zum Kunstwerk geformt zu werden.“

„Kunst muss nicht gefallen, mit Kunst muss man sich auseinande­rsetzen.“Markus Lüpertz, Künstler

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Die zukünftige U-Bahn-Haltestell­e Durlacher Tor, in der gearbeitet wird – Hier und in anderen Stationen sollen für einige Jahre die großformat­igen Keramiktaf­eln des Künstlers Markus Lüpertz (re.) installier­t werden.
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FOTO: DPA

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