Messerattacke: Weitere Ersthelferin meldet sich
Auch Petra Bomme griff am 28. September ein, als drei Menschen auf dem Marienplatz schwer verletzt wurden
RAVENSBURG - Vier Menschen sind Ende 2018 mit dem Zivilcouragepreis ausgezeichnet worden. Sie kümmerten sich um die Opfer der Messerattacke eines afghanischen Flüchtlings auf dem Ravensburger Marienplatz. Petra Bomme war nicht unter den Geehrten. Ihre Hilfe an diesem Tag war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.
Vergessen wird Ravensburg den 28. September 2018 lange nicht. An einem sonnigen Freitagnachmittag, die Stadt hatte bereits auf Wochenend-Modus umgestellt, ging ein psychisch kranker 21-Jähriger über den nördlichen Marienplatz und stach wahllos auf drei Männer ein. Zwei junge Syrer und ein deutscher Tourist aus Hanau wurden dabei lebensgefährlich verletzt. Inzwischen sind alle drei Männer wieder auf dem Weg der Genesung.
Während viele Menschen einfach weitergingen oder wegsahen, halfen Aferdita Gau, Bilal Hasan und Nina Bäumler umgehend den Schwerverletzten. Olaf Klingler stellte sich dem Angreifer gar in den Weg. Sie wurden dafür mit dem Zivilcouragepreis des „Weißen Rings“ausgezeichnet. Petra Bomme war bei der Ehrung nicht dabei. Man wusste nur von einem weiteren „Mädchen“, das Erste Hilfe geleistet hatte. Erst jetzt meldete sich die 19-Jährige bei der „Schwäbischen Zeitung“.
Petra Bomme wohnt in Fronhofen, hat im vergangenen Jahr Abitur gemacht und arbeitet derzeit im Klinikum Friedrichshafen. Sie wollte ihren kleinen Bruder nach seiner Klassenfahrt abholen, wartete an der Bushaltestelle am Frauentor, gegenüber des Kinos, als ein stark blutender Mann auftauchte. Er, eines der Opfer der Messerattacke vom Marienplatz, flüchtete entweder unter Schock oder wollte ins Krankenhaus St. Elisabeth, so genau weiß man das nicht.
„Er hielt sich den hinteren Oberarm, wo ihn das Messer traf, sein Oberteil war total vollgeblutet, das Blut tropfte auf den Boden“, beschreibt Petra Bomme die Situation an der Bushaltestelle. Viele Erwachsene standen dort, doch sie sahen weg. „Wir müssen helfen“, rief Bomme ihrem Freund zu und griff ein.
Gemeinsam mit Nina Bäumler kümmerte sie sich um den Verletzten. Beide waren Schulsanitäter, Petra Bommes Mutter ist Krankenschwester; sie wussten daher, wie man einen Druckverband anlegt, um die stark blutende Wunde zu verschließen.
„Nina hatte schon einen ErsteHilfe-Koffer besorgt“, berichtet die 19-Jährige, „wir zogen dem Mann das Hemd aus und schauten nach den Verletzungen.“Die jungen Frauen griffen engagiert ein. Irgendwann stoppte ein Busfahrer, der sie mit weiterem Verbandsmaterial und Latexhandschuhen versorgte.
Gefühlt dauerte es für die Abiturientin ewig, bis Sanitäter, Notarzt und Polizei eintrafen. Nachdem der Schwerverletzte vor Ort versorgt worden war, setzte sich Petra Bomme in einen zweiten Krankenwagen und trank einen Schluck Wasser: „Ich hab nur gezittert und geweint.“
Die kommenden Tage ging es der jungen Frau schlecht. Sie suchte psychologische Hilfe, traute sich nicht mehr in die Stadt: „Und wenn ich heute einen Film sehe und da blutet jemand, dann ist das ganz schlimm für mich.“Nach eigenem Bekunden geht es ihr inzwischen aber emotional etwas besser.
Nach der Ehrung der anderen Menschen, die Zivilcourage zeigten an diesem 28. September und die Opfer nicht allein ließen, meldete sich Petra Bomme bei Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp, der an jenem Tag selbst vor Ort war und dazu beitrug, dass der psychisch kranke Afghane sein Messer fallen und sich festnehmen ließ. Das Gespräch mit dem OB habe ihr gutgetan, sagt die 19-Jährige.
Daniel Rapp vermittelte ihr den Kontakt zu dem jungen Syrer, dem sie an der Bushaltestelle in der Gartenstraße half, als er schwer verletzt war. Noch in diesem Monat möchte sie ihn wiedersehen.