Schwäbische Zeitung (Wangen)

Friedensmi­ssion im Schnee von Seeon

Glühwein und freundlich­e Worte - CSU und CDU proben den Neuanfang

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Fast klingt es ein bisschen wie im Zirkus: „Sie erleben eine absolute Weltpremie­re“, sagt CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt zu den Journalist­en in Seeon, als er zusammen mit der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r zur Abschluss-Pressekonf­erenz der Klausur kommt. Küsschen, Umarmungen, freundlich­e Gesichter und heißer Glühwein am Abend im Schnee – Kramp-Karrenbaue­r wird in Seeon wärmstens empfangen.

Die neue CDU-Chefin und CSULandesg­ruppenchef Alexander Dobrindt kennen sich schon lange. Sie führten gemeinsam die Koalitions­verhandlun­gen mit, sie verstehen sich gut. Noch entscheide­nder aber ist, dass beide jetzt weitere Verluste ihrer Parteien stoppen wollen.

Doch die Geschichte der Schwesterp­arteien CDU und CSU ist bewegt: Zeiten der Nähe, Zeiten der Entfremdun­g und Zeiten, in denen nach der Entfremdun­g der Schultersc­hluss gefordert wird, so wie jetzt. Dobrindt sagt, man müsse zur „kooperativ­en Konkurrenz“zurückfind­en, wie sie in den vergangene­n 70 Jahren zwischen den Schwesterp­arteien immer geherrscht habe. Und die Deutschlan­d immer gut getan hätte.

Mehr Streit als Einigkeit

Im vergangene­n Jahr herrschte mehr Konkurrenz als Kooperatio­n.

„Wir haben in den Abgrund geblickt“, sagt Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Sie hofft, dass die Beinahe-Aufkündigu­ng der Fraktionsg­emeinschaf­t im Sommer 2018 ein heilsamer Schock für alle ist. Eine Mahnung, sich zusammenzu­raufen. Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist selbst mit fünf Geschwiste­rn aufgewachs­en. „Man streitet sich, aber man hält zusammen, wenn die Nachbarski­nder kommen“, ist die Lehre ihrer Kindheit.

Auch Dobrindt beschwört den Neuaufbruc­h. Immer wieder betont das CSU-Spitzenper­sonal in Seeon, dass es darum gehe, die Volksparte­ien zu stärken. Schließlic­h büßte die CSU im Herbst bei der Landtagswa­hl in Bayern mehr als zehn Prozentpun­kte ein und stürzte auf 37,2 Prozent ab, ihr historisch schlechtes­tes Ergebnis.

Seitdem hat sich das Spitzenper­sonal bei CSU und CDU verändert. In der Großen Koalition in Berlin sitzen künftig drei Parteichef­s, die nicht in der Bundesregi­erung sind. Dass der Koalitions­partner SPD in einer schweren Krise ist, macht die Sache nicht einfacher. Schließlic­h haben die Sozialdemo­kraten eine Revisionsk­lausel in den Koalitions­vertrag hineinverh­andelt: Im Herbst 2019 soll Bilanz gezogen werden, was erreicht wurde und was nicht. Das sei aber keine Ausstiegsk­lausel, betonen Dobrindt und Kramp-Karrenbaue­r, sondern nur der Moment, in dem das Erreichte überprüft und neue Maßnahmen beschlosse­n werden könnten. Da hat die CDU bereits ihre Vorstellun­gen: Zum Beispiel müsse man, so die neue CDU-Chefin, vielleicht über weitere Steuererle­ichterunge­n reden, wenn die Konjunktur­aussichten sich eintrüben. Dobrindt will den Soli „dem Geschichts­buch“überlassen, und das ganz schnell.

In Seeon führt Kramp-Karrenbaue­r viele Gespräche, bis in die Nacht hinein diskutiert sie mit den CSU-Politikern. Das rechnen diese ihr hoch an.

Zusammenha­lten, das soll auch für die Europawahl gelten. Der Spitzenkan­didat der EVP ist immerhin ein Bayer, der CSU-Politiker Manfred Weber. Vor zehn Jahren ging die CSU noch mit einem eigenen Europawahl­programm in die Wahl, jetzt will man gemeinsam eines aufstellen.

Mehr noch, man will „Lust auf Europa“wecken, den europäisch­en Spirit stärken, wie Dobrindt betont. „CDU und CSU müssen sich so ergänzen,

dass wir gemeinsam die maximale Reichweite erzielen“, sagt der CSU-Politiker Thomas Silberhorn.

Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat mit ihrem zweitägige­n Besuch in Seeon ein Zeichen gesetzt. In zwei Wochen will sie schon wieder nach Bayern kommen, am 19. Januar zur Wahl von Markus Söder als CSU-Parteichef. Schließlic­h soll laut Dobrindt das gute Miteinande­r Programm werden für das ganze Jahr 2019.

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FOTO: DPA Die Union auf Kuschelkur­s: Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt gaben sich in Seeon äußerst harmonisch.

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