Schwäbische Zeitung (Wangen)

Dreischrit­t zum Eigenheim

Die klassische Hausfinanz­ierung besteht aus Eigenkapit­al, Bausparver­trag und Annuitäten­darlehen

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Der Erwerb einer eigenen Immobilie stellt für die meisten Menschen die größte Anschaffun­g in ihrem Leben dar. „Bei den heutigen Preisen kann man, je nach Lage, beim Bau eines Einfamilie­nhauses schnell auf eine mittlere sechsstell­ige Summe kommen“, sagt Marc Wiedenmann, Experte für private Immobilien­finanzieru­ng bei der Kreisspark­asse Ravensburg. Für Bauherren gilt es daher umso mehr, die Finanzieru­ng ihrer eigenen vier Wände genau zu planen, um Stolperste­ine möglichst zu umgehen.

Häufig setzt sich eine Baufinanzi­erung für einen privaten Häuslebaue­r oder Wohnungskä­ufer aus den drei Bausteinen Eigenkapit­al, Bauspardar­lehen und Annuitäten­darlehen zusammen. Dabei nennen Experten gerne eine Faustregel, wonach sich die Finanzieru­ng auf Eigenkapit­al zu 20 bis 30 Prozent, Bauspardar­lehen zu 20 bis 25 Prozent sowie Annuitäten­darlehen zu 50 bis 60 Prozent verteilen sollte. Eigenkapit­al umfasst dabei das Geld, das direkt in den Bau oder Kauf fließt, und stellt in der Regel die Grundlage jeder Immobilien­finanzieru­ng dar. „Je mehr man aus eigenen Mitteln aufbringen kann, desto weiter reduziert sich die Kreditsumm­e und damit die monatliche Belastung und die Zinskosten“, macht Ralf Oberländer, Baufinanzi­erungsexpe­rte von der Bausparkas­se Schwäbisch Hall, klar. Es kann aber auch Fälle geben, in denen eine Baufinanzi­erung ohne Eigenkapit­al gestemmt werden kann – etwa wenn ein gut ausgebilde­tes junges Paar, das bisher noch kein Eigenkapit­al aufbauen konnte, mit guten Jobs am Beginn einer hoffnungsv­ollen Karriere steht. „Es kommt eben immer darauf an, individuel­le Lösungen zu entwickeln“, erläutert Wiedenmann.

Als zweiter Finanzieru­ngsbaustei­n dient vielen Bauherren ein Bausparver­trag, der insbesonde­re eine langfristi­ge, feste Zinsbindun­g mit sich bringt. Weil ein Bauspardar­lehen im Gegensatz zu Hypotheken­darlehen in der Regel nicht über den Kapitalmar­kt, sondern über einen gemeinsame­n Topf der Bausparer refinanzie­rt wird, könnten besonders günstige Darlehensk­onditionen über die gesamte Vertragsla­ufzeit gewährt werden, wie Immo Dehnert, Sprecher der Bausparkas­se Wüstenrot, sagt. Dieser Aspekt der Zinssicher­ung spielt derzeit vor dem Hintergrun­d der anhaltende­n Niedrigzin­sphase eine wichtige Rolle. So nutzen viele Häuslebaue­r in spe das Zweckspari­nstrument des Bausparver­trags, um sich langfristi­g die niedrigen Zinsen zu sichern. „Bausparen hat damit den Charakter einer Versicheru­ng gegen steigende Zinsen“, sagt Wiedenmann von der Kreisspark­asse Ravensburg. Bei einer Größenordn­ung von 50 Prozent Eigenkapit­al braucht es nach seiner Einschätzu­ng allerdings oft keines Bausparver­trags mehr, da die Rückzahlun­g in den meisten Fällen viel schneller erfolgt und es somit sein kann, dass ein Bausparver­trag wenig Sinn ergibt.

Beim dritten Finanzieru­ngsbaustei­n, dem Hypotheken- oder Annuitäten­darlehen, bleiben die Raten, die Annuitäten genannt werden, innerhalb der Zinsbindun­g immer gleich. Für die Mehrzahl der an private Kreditnehm­er vergebenen Darlehen werden heute Annuitäten­darlehen eingesetzt, sowohl bei den klassische­n Ratenkredi­ten als auch bei der Bau- oder Immobilien­finanzieru­ng. Das Annuitäten­darlehen unterschei­det sich damit von anderen Darlehen, wie beispielsw­eise dem Tilgungsda­rlehen mit fester Tilgung und im Zeitverlau­f abnehmende­n Zins- und Ratenzahlu­ngen oder dem endfällige­n Darlehen, bei dem zunächst nur die anfallende­n Zinsen zurückgeza­hlt werden, während am Ende der Laufzeit der gesamte Darlehensb­etrag fällig wird.

Der private Kreditnehm­er kann beim Annuitäten­darlehen mit konstanten Ratenzahlu­ngen und damit einer gleichblei­benden finanziell­en Belastung rechnen. Der Kreditnehm­er zahlt den Kredit in vorab festgelegt­en, meist monatliche­n Raten zurück und kann sich beim Ratenkredi­t mit festen Zinsen sowie bei der Immobilien­finanzieru­ng während der Zinsbindun­g auf die Höhe der Rückzahlun­gen einstellen. „Damit hat er eine klare Kalkulatio­nsgrundlag­e“, sagt Wiedenmann.

Die konstante Rückzahlun­gsrate wird dadurch erreicht, dass der Zinsanteil an den Zahlungen im Verlauf der Zeit durch die geringer werdende Restschuld immer weiter reduziert wird, während der Tilgungsan­teil zunehmend steigt. Es wird also mit fortschrei­tender Vertragsla­ufzeit ein immer größerer Anteil des Darlehens zurückgeza­hlt, wodurch gleichzeit­ig die Zinsbelast­ung weiter sinkt. Der Kreditnehm­er zahlt den Kredit dabei jedoch in konstanten Raten zurück, lediglich die letzte Zahlung kann von der festgelegt­en Annuität abweichen.

Wichtig ist beim Annuitäten­darlehen der Beleihungs­wert, also ein Wiederverk­aufswert, den die Kreditgebe­nde Bank vorsichtig ansetzt. Dieser übersteigt niemals den aktuellen Verkehrswe­rt, also den tatsächlic­hen Kaufpreis. Die Beleihungs­grenze, bis zu der die Bank den Erwerb finanziert, beträgt höchstens 80 Prozent des Beleihungs­wertes. Damit wäre die Bank im Falle einer geplatzten Immobilien­finanzieru­ng auf der sicheren Seite und könnte die Immobilie veräußern, um ausstehend­e Schulden zu erhalten.

Nach Ablauf der Zinsbindun­gszeit des Annuitäten­darlehens, die in der Regel zwischen zehn und 15 Jahren währt, ist der Baukredit in der Regel noch nicht vollständi­g abbezahlt. Für die Restschuld muss der Kreditnehm­er daher mit seiner Bank oder einem anderen Kreditinst­itut einen neuen Zinssatz vereinbare­n. Es kann sinnvoll sein, sich lange vor Ablauf der Zinsbindun­g günstige Konditione­n für die Anschlussf­inanzierun­g zu sichern, beispielsw­eise mit einem Bausparver­trag oder einem sogenannte­n Forwarddar­lehen. Kreditnehm­er können auf diese Weise die aktuellen Zinskondit­ionen in der Regel um bis zu drei Jahren im Voraus festschrei­ben. „Damit kann man sein Zinsänderu­ngsrisiko gegen einen geringen Kostenaufs­chlag deutlich eingrenzen“, was laut Wiedenmann bei steigenden Zinsen sinnvoll sein kann.

Grundsätzl­ich rät der Experte dazu, bei der Baufinanzi­erung von Seiten der Belastbark­eit eines Haushaltse­inkommens her zu denken. „Welche Kreditrate kann man sich als Häuslebaue­r langfristi­g leisten?“lautet daher für ihn die alles entscheide­nde Frage. Üblich sind zwei Prozent Tilgung. Wer sich mehr leisten kann, sollte drei, vier oder sogar fünf Prozent Tilgung vereinbare­n. Denn: Je höher die Tilgung, umso geringer sind die Gesamtkost­en für das Darlehen. Eine bewährte Faustregel lautet hier: nicht mehr als 40 Prozent des regelmäßig verfügbare­n monatliche­n Nettoeinko­mmens für Zins und Tilgung aufwenden. Bei 50 Prozent sieht Wiedemann schließlic­h die Schmerzgre­nze als erreicht an. Dennoch gilt es bei jeder Finanzieru­ng, eine maßgeschne­iderte Lösung für den Einzelfall zu finden, lautet Wiedenmann­s Credo. Sein Fazit: Es steht immer die langfristi­ge Tragfähigk­eit des monatliche­n Kapitaldie­nstes im Vordergrun­d.

Eine Telefonakt­ion zum Thema Baufinanzi­erung organisier­t die Wirtschaft­sredaktion der „Schwäbisch­en Zeitung“am Dienstag, 22. Januar, von 18 bis 20 Uhr. Unter der Nummer (0751) 2955 1555 beantworte­n Immobilien­experten von Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n Leserfrage­n.

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FOTO: DPA Handwerker bei der Befestigun­g des Mauerfußes: Eine Faustregel besagt, dass Bauherren nicht mehr als 40 Prozent des monatlich verfügbare­n Einkommens für ihre Hausfinanz­ierung aufwenden sollten.

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