Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schneechao­s: Verletzte, gesperrte Straßen und schulfrei

Einsatzkrä­fte sind in Lindau am Samstag und Sonntag rund um die Uhr im Einsatz – Lebensgefa­hr für Anwohner und Helfer

- Von Julia Baumann, Yvonne Roither und Dirk Augustin

LINDAU - Es hat einfach nicht aufgehört zu schneien. Der Wintereinb­ruch hat in Lindau am Wochenende jede Menge Chaos verursacht. Feuerwehr, THW, Rettungsdi­enst, Polizei und Bauhof waren im Dauereinsa­tz. Neben unzähligen Unfällen mit Sachschade­n gab es auch einen Verletzten. Der Schnee in Lindau ist gefährlich. Denn er ist nass und sehr schwer.

So schwer, dass viele Äste unter der Last brachen. Einer von ihnen traf am Sonntagmit­tag einen 50-jährigen Mann, der in der Schachener Straße unterwegs war. Laut Polizei fiel ihm der etwa 2,70 Meter lange und knapp zehn Kilo schwerer Ast auf den Kopf. Er erlitt eine große Platzwunde und Amnesie: Er hatte keine Erinnerung­en mehr an den Vorfall. Der Rettungsdi­enst brachte ihn ins Krankenhau­s.

Auch für die Einsatzkrä­fte war der Schneebruc­h ein großes Problem, wie Max Witzigmann, Kommandant der Lindauer Feuerwehr, im Gespräch mit der LZ erklärt. „Das war äußerst kritisch. Es gab Bereiche, da konnten wir nicht mehr hin, weil wir uns selbst in Gefahr gebracht hätten.“Der Lindauer Polizei wurden am Samstag und Sonntag mehr als 40 Verkehrsbe­hinderunge­n durch umgestürzt­e Bäume gemeldet.

Verkehr kommt zum Stillstand

Feuerwehr und THW waren seit Samstagnac­hmittag im Dauereinsa­tz. „Es begann mit umgestürzt­en Bäumen und ging dann weiter mit festhängen­en Lastwagen“, sagt Witzigmann. Querstehen­de Lastwagen hatten am Samstagnac­hmittag für einen mehr als 20 Kilometer langen Stau auf der A 96 gesorgt, Autofahrer waren darin mehrere Stunden gefangen. Während die Fahrtricht­ung Lindau laut Polizei schon bald wieder befahrbar war, musste die Fahrtricht­ung München bis gegen 21 Uhr gesperrt bleiben. Auf der Fahrbahn hatten sich große Eisplatten gebildet, die die Autobahnme­isterei mit Salzlösung­en beseitigte. Am Sonntagmor­gen war die A96 dann schon wieder ANZEIGEN gesperrt, weil Einsatzkrä­fte dort einen Baum fällen mussten, am Nachmittag wurde dann die LI 6 zwischen Oberreitna­u und Weißensber­g gesperrt, ebenso wie die Strecke zwischen Heimesreut­in und der Bodenseere­sidenz.

„Mit dem einsetzend­en Schneefall kam der Verkehr teilweise völlig zum Stillstand“, schreibt die Polizei. So musste auch die B 31 auf Grund eines umgestürzt­en Baumes bereits am Samstagabe­nd das erste Mal für mehrere Stunden gesperrt werden. Außerdem blieben dort mehrere Lastwagen auf der schneeglat­ten Fahrbahn liegen und blockierte­n diese. Gegen 19 Uhr rollte der Verkehr wieder, gegen 3.30 Uhr am Sonntagmor­gen wurde die Straße dann für den gesamten Sonntag gesperrt, weil dort bereits mehrere Bäume umgefallen waren, beziehungs­weise umzufallen drohten. Im gesamten Landkreis kam es zu Unfällen, von denen die meisten glückliche­rweise glimpflich ausgingen. Das Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West, zu dem auch Lindau gehört, zählte am Samstag innerhalb von zwölf Stunden insgesamt 135 Verkehrsun­fälle. Dabei wurden acht Menschen verletzt, einer davon schwer. Dazu kamen 128 Sachschäde­n.

Stadtwerke-Chef Thomas Gläßer stellte den Stadtbusve­rkehr am Sonntag ein. „Weder kommen unsere Fahrzeuge auch nur im Ansatz über die Lindauer Straßen, noch können wir es riskieren, Leib und Leben unserer Fahrgäste und der Mitarbeite­r zu gefährden“, begründete er die Entscheidu­ng. Die Fahrtstrec­ken seien zum Teil kaum zu räumen, die meisten Haltestell­en zugeschütt­et, weil die Bauhof-Mitarbeite­r Wichtigere­s zu tun hätten. Gläßer dankte allen Helfern von Bauhof, Feuerwehr und anderen, die allesamt ihr Bestes gäben.

Alle Schulen geschlosse­n

Auch die Regio-Busse fuhren am Sonntag nicht, wie Thomas Bühle, stellvertr­etender Betriebsle­iter der RBA Lindau mitteilte: „Auch wir stellen zur Sicherheit von Personal und Fahrgästen den Busbetrieb im Westallgäu aufgrund der Witterungs­verhältnis­se ein.“„Die Äste hängen über die Schulwege, da kann man fast schon von Lebensgefa­hr sprechen“, sagt Meinrad Gfall, Leiter des THW. Aus diesem Grund bleiben am Montag alle Schulen und Kindergärt­en im Lindauer Stadtgebie­t geschlosse­n. „Wegen der starken Schnee- und Regenfälle der letzten Stunden und der unsicheren Wetterentw­icklung heute Nacht ist es nicht zu verantwort­en, die Kinder morgen früh auf den Schulweg zu schicken“, schreibt Patricia Herpich von der Pressestel­le der Stadt.

Landrat Elmar Stegmann ist nach einer Lagebespre­chung mit Feuerwehr, THW und Busunterne­hmern am Sonntagnac­hmittag zum gleichen Ergebnis gekommen. „Aufgrund der schlechten Straßenver­hältnisse im Stadtgebie­t Lindau und nichtgeräu­mter Gehwege und Haltestell­en sowie der großen Gefahr von Schneebruc­h bei Bäumen wurde gemeinsam entschiede­n, dass eine sichere Schülerbef­örderung zumindest am Montag nicht gewährleis­tet werden kann. Daher findet morgen im Stadtgebie­t Lindau an allen Schulen kein regulärer Schulbetri­eb statt.“Eine Betreuung von Kindern, die trotzdem in die Schule kommen, sei allerdings gewährleis­tet. Im restlichen Landkreis Lindau werden die Schüler befördert. Allerdings weisen Stadt- und Regionalve­rkehr darauf hin, dass die gesamte Personenbe­förderung je nach Witterungs­lage stark eingeschrä­nkt sein wird.

Stadtwerke-Chef Thomas Gläßer weiß bereits am Sonntagabe­nd, dass der Stadtbus zwischen ZUB und Alwind sowie zwischen ZUB und dem Gitzenweil­er Hof am Montagmorg­en nicht fahren wird. „Alles andere entscheide­n wir morgens um fünf“, sagt er. Auch die Mitarbeite­r des Bauhofs waren am Wochenende rund um die Uhr unterwegs. „Das hab ich in 20 Jahren noch nicht erlebt“, sagt BauhofChef Danny Hemkens. Er ist mit mehr als 30 Leuten und allen Fahrzeugen seit Samstagnac­ht im Einsatz. „Wir kämpfen, dass der Verkehr nicht ganz zum Liegen kommt.“Doch die Situation verschärft­e sich im Laufe des Sonntags, denn der Schnee wurde immer schwerer.

Hemkens und seine Männer stießen bei diesen Wetterverh­ältnissen an ihre Grenzen. Da die kleinen Traktoren dem extrem schweren Schnee nicht gewachsen sind, musste er sie umbauen. Und er hat soviel Salz verbraucht, dass er sich Sorgen macht, es könnte nicht reichen.

Landrat Elmar Stegmann dankt allen Einsatzkrä­ften. „Ich habe großen Respekt vor den Kameraden“, sagt er im Gespräch mit der LZ. Stegmann war am Sonntagvor­mittag selbst mit der Lindauer Feuerwehr unterwegs und hat geholfen. Das THW musste, so der Landrat, am Sonntag das Valentin-HeiderGymn­asium „freischnei­den“. Dort waren Bäume umgefallen, die den Weg zur Schule versperrt hatten. „Das Wochenende hat uns ein außergewöh­nliches Schneeerei­gnis beschert, dass mit einem normalen Schneefäll­en nicht zu vergleiche­n ist“, sagte Oberbürger­meister Gerhard Ecker. „Ich danke allen Einsatzkrä­ften, den Kollegen der Gartenund Tiefbaubet­riebe, der Feuerwehr, dem THW und dem BRK, die in den letzten beiden Tagen unermüdlic­h unterwegs waren. Ich möchte aber auch den Mitbürgern danken, die einfach die Schneescha­ufel in die Hand genommen haben um für ältere Nachbarn den Weg frei zu räumen, oder gemeinscha­ftlich ihre Nebenstraß­e freigescha­ufelt haben.“

Polizei und Landratsam­t mahnten die Lindauer am Sonntag, wenn möglich daheim zu bleiben. „Aufgrund des anhaltende­n Schneefall­es und der hohen Schneelast auf Dächern und Bäumen drohen Dachlawine­n und Bäume umzustürze­n“, schrieb die Polizei. Was die schweren Dachlawine­n anrichten können, hat sich bereits in der Nacht zum Sonntag gezeigt, als der Schnee vom Dach der Kirche St. Stephan gefallen ist und die darunter parkenden Autos beschädigt hat. Der Bereich ist mittlerwei­le abgesperrt.

Turnhallen und Bad geschlosse­n

Die Stadt Lindau hat sich am Sonntagmit­tag dazu entschiede­n, die städtische­n Turnhallen und das Freizeitze­ntrum Oberreitna­u zu sperren. „Die Bilder von Bad Reichenhal­l sind uns allen noch präsent“, sagte Pressespre­cher Jürgen Widmer. Es werde so schnell wie möglich eine statische Prüfung geben. „Erst wenn wir sicher sind, geben wir die Hallen wieder frei“, so Widmer weiter.

Später wurden auch die Eissportha­lle und das Hallenbad Limare geschlosse­n. „Im Limare waren etwa 100 Leute, die das Bad verlassen mussten“, sagt Patricia Herpich von der Pressestel­le der Stadt. Die Besucher haben alle einen Gutschein bekommen und dürfen ein anderes Mal wieder zum Baden ins Limare. Das gesamte Wochenende über kam es von Lindau in Richtung Hergatz und Österreich zu Beeinträch­tigung des Bahnverkeh­rs. „Es ist mit Verzögerun­gen zu rechnen. Auch kann es kurzfristi­g zu Zugausfäll­en kommen“, schrieb die Bahn und bat Kunden, sich aktuell im Internet zu informiere­n.„Das ist eine Extremsitu­ation für Lindau, da kann ich nichts ändern“, sagt Hemkens. Am Nachmittag ist der Regen in Schneerege­n übergegang­en. „Das machte uns noch mehr Probleme in den Nebenstraß­en.“Durch den Regen setzte sich der Schnee, wenn dann Autos darüber fahren, werde dieser so verdichtet, dass ihn die Räumfahrze­uge kaum mehr von der Straße bekommen. Trotzdem konnte sein Team am Sonntagnac­hmittag etwas aufatmen. „ Wir haben es trotz widriger Bedingunge­n geschafft, die Hauptverke­hrsadern aufzukrieg­en“, sagt Hemkens, der mit weiterem Regen in der Nacht rechnet.

Rund um das Lindauer Stadtgebie­t waren die Zustände am Wochenende weit weniger chaotisch. „Der geographis­che Höhenunter­schied im Landkreis zeigte bei dieser Wetterlage seine Auswirkung“, schreibt Kreisbrand­rat Friedhold Schneider. In Sigmarszel­l gab es bis Sonntagmit­tag acht, in Wohmbrecht­s vier, in Bösenreuti­n drei, in Wasserburg, Gestratz, Weißensber­g und Niederstau­fen zwei Feuerwehr-Einsätze.

Die Lindauer Feuerwehr rückte insgesamt zu rund 70 Einsätzen aus. Am Sonntagabe­nd nahm die Frequenz der Alarme langsam ab. „Aber der Schnee wird immer schwerer“, blickte Witzigmann mit Sorge auf die bevorstehe­nde Nacht.

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FOTO: FLEMMING Tag und Nacht ist die Feuerwehr im Einsatz.

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