Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der Kampf gegen die Schneemass­en

Unterwegs mit dem Räumdienst der Stadt – 300 Kilometer Straße bringen Bauhofleut­e an Grenzen

- Von Jan Peter Steppat

Unterwegs mit dem Wangener Bauhof: Mitarbeite­r erreichen Grenzen.

WANGEN - Der Tag nach dem großen Schneefall des Wochenende­s: Wer in der Stadt unterwegs ist, dem begegnen auch am Montag quasi an jeder Straßeneck­e Räumfahrze­uge aller Art. Der Kampf gegen die weißen Massen geht weiter. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat Klaus Netzer vom Wangener Bauhof bei einer Räumfahrt begleitet.

Netzer hat einen wachen Gesichtsau­sdruck, als er in der MariaCatha­rina-Reich-Straße seinen schweren Lkw in eine kleine Nische rangiert, ein Müllfahrze­ug kommt ihm entgegen. Nach dem Wochenende gehen auch die Männer von Veolia wieder ihrem Geschäft nach – und kommen dabei fast zwangsweis­e den Räumfahrze­ugen ins Gehege.

Klaus Netzer nimmt’s sportlich: „Die müssen ja auch ihre Arbeit machen“, sagt er. Selbst hat er schon zig Stunden am Steuer hinter sich, als er in der Haid und in der Berger Höhe die Fahrstreck­en für die Busse freiräumt. Vorne „bewaffnet“mit einem drei Meter breiten Schneepflu­g, hinten mit einer Ladung von drei Kubikmeter­n Streusalz. Jetzt, zur Mittagsstu­nde, geht es darum, dass auch dort bald wieder Busse passieren können.

Dabei sind die Straßen in den beiden Wohngebiet­en auf den ersten Blick trefflich vom Schnee befreit. Die Herausford­erung ist eine andere: An den Tagen und in den Nächten zuvor haben sich durch den Verkehr dicke Eisplatten gebildet, sie haben die Straßen in waldwegart­ige Holperpist­en verwandelt. Entspreche­nd ruckelt es ständig in der Fahrerkabi­ne.

Jetzt geht es ans Fräsen

Netzer bahnt sich seinen Weg durch die riesigen Schneehauf­en rechts und links. Sie engen die ohnehin oft schmalen Fahrbahnen ein, und der 39-Jährige kündigt deshalb für die kommende Nacht weitere Räumfahrte­n der Bauhofleut­e an. Dann gehe es ans Fräsen, erzählt Robert Bollerhey, stellvertr­etender Leiter der rund 50 Mitarbeite­r mit ihrer Zentrale am Südring. Denn in den Folgetagen gelte es, die Straßen möglichst weitgehend auch vom weißen Abraum zu befreien.

Klaus Netzer schiebt mit dem Pflug den Schnee mal nach rechts, mal nach links. Und zwar so, dass er möglichst keine der von den Anwohnern frei geräumten Zufahrten zuschaufel­t. Das aber gelingt nicht immer, wissen nicht nur der Fahrer, sondern auch seine Chefs Bollerhey und Bauhofleit­er Martin Blum. Es sei schlicht ein physikalis­ches Gesetz, dass sich der Schnee Freiräume suche, wenn man ihn seitlich vor sich her schiebt. Und dafür bitten sie die Menschen um Verständni­s.

Parkende Autos sind Hindernis

Netzer bittet aber auch um Verständni­s für sich und seine Kollegen: Immer wieder parken Autos an den Straßenrän­dern, während manche mit Stellplätz­en versehene Hauszufahr­t frei bleibe. Aus seiner Sicht ein Ärgernis: Denn auf der Straße stehende Fahrzeuge erschwerte­n die Arbeit teils erheblich.

So im Säntisweg: Dort droht das 240 PS starke Räumfahrze­ug auf vereister Piste in einen Pkw zu rutschen – obwohl der erfahrene Fahrer die Marke von zehn Stundenkil­ometern kaum überschrei­tet. Und gleich darauf bereitet ein Bulli ähnliche Probleme. Es geht um Zentimeter, als sich Netzer an diesem vorbei zwängt.

Da hat Netzer schon einmal seinen linken Außenspieg­el wieder ausklappen müssen. Er hatte auf die Straße hängendes Geäst gestreift. Auswüchse von Bäumen und Sträuchern sind noch so ein Problem, die sein aktuelles, winterlich­es Berufslebe­n erschweren. Und auch hier hofft er, manch einer möge doch seine Pflanzen auf die Grundstück­sgrenze zurückschn­eiden.

Doch Klaus Netzer will nicht meckern, zumal er immer wieder an mit Schaufeln und Fräsen ausgerüste­ten Anwohnern vorbei kommen. Sie befreien ihre Einfahrten und Gehwege vom Schnee – und einige winken ihm freundlich zu. „90 bis 95 Prozent der Menschen sind froh, dass wir da sind“, sagt Netzer. Derweil läuft im Radio Antenne Bayern. Und der Sprecher berichtet immer wieder über schneebedi­ngte Notstandsg­ebiete im Nachbarlan­d. Man bekommt fast den Eindruck, über Wangen ist der Winter noch vergleichs­weise glimpflich hereingebr­ochen.

Dieser Ansicht ist aber offenbar nicht jeder Bürger: Bauhofchef Martin Blum erzählt später von zahlreiche­n Beschwerde­anrufen aus den vergangene­n Tagen. Manche kämen von den immer gleichen Leuten. „Viele sind aber auch berechtigt“, gibt Blum zu. Etwa, als sich am Morgen jemand beklagte, er komme partout nicht aus seiner Straße heraus, um zur Arbeit zu fahren.

Vorwürfe auch „konstrukti­v“

Der Bauhofchef sieht derlei Hinweise als „konstrukti­ve Kritik“. Sie gebe die Chance nachzubess­ern: technisch und bei den Abläufen. Dass dies aber nicht immer von jetzt auf gleich geht, lässt er ebenso durchkling­en. Zumal übers Wochenende und am Montag manche Fahrzeuge wegen der hohen Belastunge­n schlicht kaputt gegangen seien. Sie fehlen jetzt auf den Straßen.

Gewichtigs­ter Faktor aber sei das Personal. Für rund 300 Kilometer städtische Straßen hat der Bauhof etwa 50 Leute, und auch die bräuchten Pausen und Ruhezeiten. „Ich kann das System nicht einfach aufblähen“, sagt Martin Blum. Denn es stoße an seine Grenzen. Einsatzlei­ter Stefan Gufler sieht noch ein anderes Problem: Es gebe immer mehr Autos. Und mehr Verkehr bedeute mehr Hinderniss­e beim Räumen. Zudem konstatier­t der Bauhofchef: „Die Bürger haben sehr hohe Ansprüche an den Winterdien­st.“Die erfülle man zwar gern – könne dies aber nur tun, so gut es eben geht.

Auch deshalb blicken die Verantwort­lichen am Südring sorgenvoll auf die nächsten Tage: Ab Mittwoch ist Neuschnee angesagt. Und Robert Bollerhey sagt nach dreitägige­m Dauereinsa­tz am Montag: „Die Leute sind am Anschlag.“Dennoch werden sie dann wieder am Steuer sitzen. Auch Klaus Netzer.

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FOTO: JAN PETER STEPPAT
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FOTOS: STEPPAT Mit dem Räumfahrze­ug unterwegs: oben der Blick aus dem Cockpit und unten links unterwegs im Baumannweg. Der Blick durch den Spiegel (unten rechts) zeigt, dass es oft um Zentimeter geht.
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FOTO: TRONSBERG Beispiel für Kritik an Räumdienst­en: „Diese Situation haben wir hier jedes Jahr im Winter“, schrieb Fritz Tronsberg zu seinem am Montagmitt­ag eingeschic­kten Bild vom Aichelberg­weg in Niederwang­en.
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Klaus Netzer sitzt seit Stunden am Steuer – und ist weiter hoch konzentrie­rt.

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