Der Kampf gegen die Schneemassen
Unterwegs mit dem Räumdienst der Stadt – 300 Kilometer Straße bringen Bauhofleute an Grenzen
Unterwegs mit dem Wangener Bauhof: Mitarbeiter erreichen Grenzen.
WANGEN - Der Tag nach dem großen Schneefall des Wochenendes: Wer in der Stadt unterwegs ist, dem begegnen auch am Montag quasi an jeder Straßenecke Räumfahrzeuge aller Art. Der Kampf gegen die weißen Massen geht weiter. Die „Schwäbische Zeitung“hat Klaus Netzer vom Wangener Bauhof bei einer Räumfahrt begleitet.
Netzer hat einen wachen Gesichtsausdruck, als er in der MariaCatharina-Reich-Straße seinen schweren Lkw in eine kleine Nische rangiert, ein Müllfahrzeug kommt ihm entgegen. Nach dem Wochenende gehen auch die Männer von Veolia wieder ihrem Geschäft nach – und kommen dabei fast zwangsweise den Räumfahrzeugen ins Gehege.
Klaus Netzer nimmt’s sportlich: „Die müssen ja auch ihre Arbeit machen“, sagt er. Selbst hat er schon zig Stunden am Steuer hinter sich, als er in der Haid und in der Berger Höhe die Fahrstrecken für die Busse freiräumt. Vorne „bewaffnet“mit einem drei Meter breiten Schneepflug, hinten mit einer Ladung von drei Kubikmetern Streusalz. Jetzt, zur Mittagsstunde, geht es darum, dass auch dort bald wieder Busse passieren können.
Dabei sind die Straßen in den beiden Wohngebieten auf den ersten Blick trefflich vom Schnee befreit. Die Herausforderung ist eine andere: An den Tagen und in den Nächten zuvor haben sich durch den Verkehr dicke Eisplatten gebildet, sie haben die Straßen in waldwegartige Holperpisten verwandelt. Entsprechend ruckelt es ständig in der Fahrerkabine.
Jetzt geht es ans Fräsen
Netzer bahnt sich seinen Weg durch die riesigen Schneehaufen rechts und links. Sie engen die ohnehin oft schmalen Fahrbahnen ein, und der 39-Jährige kündigt deshalb für die kommende Nacht weitere Räumfahrten der Bauhofleute an. Dann gehe es ans Fräsen, erzählt Robert Bollerhey, stellvertretender Leiter der rund 50 Mitarbeiter mit ihrer Zentrale am Südring. Denn in den Folgetagen gelte es, die Straßen möglichst weitgehend auch vom weißen Abraum zu befreien.
Klaus Netzer schiebt mit dem Pflug den Schnee mal nach rechts, mal nach links. Und zwar so, dass er möglichst keine der von den Anwohnern frei geräumten Zufahrten zuschaufelt. Das aber gelingt nicht immer, wissen nicht nur der Fahrer, sondern auch seine Chefs Bollerhey und Bauhofleiter Martin Blum. Es sei schlicht ein physikalisches Gesetz, dass sich der Schnee Freiräume suche, wenn man ihn seitlich vor sich her schiebt. Und dafür bitten sie die Menschen um Verständnis.
Parkende Autos sind Hindernis
Netzer bittet aber auch um Verständnis für sich und seine Kollegen: Immer wieder parken Autos an den Straßenrändern, während manche mit Stellplätzen versehene Hauszufahrt frei bleibe. Aus seiner Sicht ein Ärgernis: Denn auf der Straße stehende Fahrzeuge erschwerten die Arbeit teils erheblich.
So im Säntisweg: Dort droht das 240 PS starke Räumfahrzeug auf vereister Piste in einen Pkw zu rutschen – obwohl der erfahrene Fahrer die Marke von zehn Stundenkilometern kaum überschreitet. Und gleich darauf bereitet ein Bulli ähnliche Probleme. Es geht um Zentimeter, als sich Netzer an diesem vorbei zwängt.
Da hat Netzer schon einmal seinen linken Außenspiegel wieder ausklappen müssen. Er hatte auf die Straße hängendes Geäst gestreift. Auswüchse von Bäumen und Sträuchern sind noch so ein Problem, die sein aktuelles, winterliches Berufsleben erschweren. Und auch hier hofft er, manch einer möge doch seine Pflanzen auf die Grundstücksgrenze zurückschneiden.
Doch Klaus Netzer will nicht meckern, zumal er immer wieder an mit Schaufeln und Fräsen ausgerüsteten Anwohnern vorbei kommen. Sie befreien ihre Einfahrten und Gehwege vom Schnee – und einige winken ihm freundlich zu. „90 bis 95 Prozent der Menschen sind froh, dass wir da sind“, sagt Netzer. Derweil läuft im Radio Antenne Bayern. Und der Sprecher berichtet immer wieder über schneebedingte Notstandsgebiete im Nachbarland. Man bekommt fast den Eindruck, über Wangen ist der Winter noch vergleichsweise glimpflich hereingebrochen.
Dieser Ansicht ist aber offenbar nicht jeder Bürger: Bauhofchef Martin Blum erzählt später von zahlreichen Beschwerdeanrufen aus den vergangenen Tagen. Manche kämen von den immer gleichen Leuten. „Viele sind aber auch berechtigt“, gibt Blum zu. Etwa, als sich am Morgen jemand beklagte, er komme partout nicht aus seiner Straße heraus, um zur Arbeit zu fahren.
Vorwürfe auch „konstruktiv“
Der Bauhofchef sieht derlei Hinweise als „konstruktive Kritik“. Sie gebe die Chance nachzubessern: technisch und bei den Abläufen. Dass dies aber nicht immer von jetzt auf gleich geht, lässt er ebenso durchklingen. Zumal übers Wochenende und am Montag manche Fahrzeuge wegen der hohen Belastungen schlicht kaputt gegangen seien. Sie fehlen jetzt auf den Straßen.
Gewichtigster Faktor aber sei das Personal. Für rund 300 Kilometer städtische Straßen hat der Bauhof etwa 50 Leute, und auch die bräuchten Pausen und Ruhezeiten. „Ich kann das System nicht einfach aufblähen“, sagt Martin Blum. Denn es stoße an seine Grenzen. Einsatzleiter Stefan Gufler sieht noch ein anderes Problem: Es gebe immer mehr Autos. Und mehr Verkehr bedeute mehr Hindernisse beim Räumen. Zudem konstatiert der Bauhofchef: „Die Bürger haben sehr hohe Ansprüche an den Winterdienst.“Die erfülle man zwar gern – könne dies aber nur tun, so gut es eben geht.
Auch deshalb blicken die Verantwortlichen am Südring sorgenvoll auf die nächsten Tage: Ab Mittwoch ist Neuschnee angesagt. Und Robert Bollerhey sagt nach dreitägigem Dauereinsatz am Montag: „Die Leute sind am Anschlag.“Dennoch werden sie dann wieder am Steuer sitzen. Auch Klaus Netzer.