Im Dschungel der Kita-Gebühren
SPD fordert Abschaffung der Beiträge – Was Eltern wo und warum zahlen müssen
STUTTGART - Beispielfamilie Müller hat zwei kleine Kinder, die Familie lebt in Aulendorf. 142 Euro zahlen die Eltern pro Monat, damit ihre Vierjährige sechs Stunden pro Tag im Kindergarten betreut wird. Anders in Ravensburg, dort werden 132 Euro fällig. In Tuttlingen könnte es noch besser kommen. Die Stadt will das letzte Kindergartenjahr komplett kostenfrei anbieten. Grund für das Wirrwarr: In Baden-Württemberg bestimmen Kommunen selbst, wie hoch ihre Kita-Gebühren sind. Die SPD fordert eine Abschaffung der Beiträge. Ein Überblick.
Wer finanziert Kindergärten?
Grundsätzlich fließt Geld aus drei Quellen: Vom Land, den Trägern der Kitas und den Eltern. In Baden-Württemberg betreiben Städte und Gemeinden 40 Prozent der Kitas, die beiden Kirchen jeweils rund 20 Prozent, den Rest andere Träger. BadenWürttemberg überweist pro Jahr für Kitas 2019 etwa 1,7 Milliarden Euro an die Gemeinden oder an andere Kita-Träger. Dazu kommen jährlich weitere 80 Millionen Euro für Sprachförderung und neues Personal. Laut Kultusministerium und Städtetag zahlten Eltern im Südwesten in den vergangenen Jahren rund 730 Millionen Euro und damit rund 20 Prozent aller Kosten. Die Träger übernehmen demnach etwa eine Milliarde Euro pro Jahr.
Wer entscheidet, wie hoch die Gebühren sind?
Die Zuschüsse des Landes decken nicht alle Kita-Kosten. Den Rest übernehmen zunächst die Träger – also Gemeinden, Kirchen oder andere. Doch die meisten Träger zahlen nicht die komplette Differenz. Deswegen erheben sie Gebühren. In den Kommunen stimmen die Gemeinderäte über die Gebührenordnung ab. In der Regel stimmen sich vor Ort kirchliche Kita-Träger und Stadt ab, damit alle dieselben Beiträge fordern. Künzelsau (Kreis Hohenlohe) hat als erste Stadt in Baden-Württemberg die Gebühren für die Betreuung komplett abgeschafft, einige andere Kommunen ziehen nach.
Wie hoch fallen Gebühren im Schnitt aus?
Dazu gibt es keine Zahlen. Die Landesverbände der Kommunen und die übrigen Träger legen gemeinsam Richtwerte für die Gebühren fest. Die Elternbeiträge sollen demnach überall etwa 20 Prozent der Betriebskosten einer Kita decken. Die Empfehlungen sehen aktuell Folgendes vor: 114 Euro pro Monat für ÜberDreijährige bei sechs Stunden Betreuung, 335 Euro bei kleineren Kindern. Außerdem sollen die Kommunen die Beiträge staffeln: Je mehr Kinder unter 18 in einer Familie leben, desto günstiger der Beitrag für die Kita-Kinder. Hinzu kommen die Kosten fürs Mittagessen. Das Jugendamt zahlt Kita-Gebühren für bedürftige Familien. Die Anforderungen sind aber streng.
Wie sieht es in der Region mit Kita-Gebühren aus?
Viele Gemeinden orientieren sich an den Landesrichtwerten. Dennoch unterscheiden sich Jahresgebühren durchaus um bis zu 200 Euro. In Tuttlingen zahlen Familien mit einem Bruttoeinkommen von mehr als 60 000 Euro pro Monat für 6,5 Stunden Betreuung 416 Euro, Familien mit geringerem Einkommen nur 335 Euro. Biberach bleibt immer zehn Prozent unter den geltenden Landesrichtwerten. Aalen hat Betreuungsgutscheine. 120 Euro pro Jahr gibt es für Bürger als Zuschuss für die Kita.
Was fordert die SPD?
Die Betreuung von Kindern soll kostenlos werden, bis diese in die Grundschule gehen. 35 Stunden pro Woche wären kostenfrei, wenn es nach den Sozialdemokraten geht. Ihre Argumente: Die Kita leiste einen wichtigen Beitrag zur Bildung. Dort müssten die Weichen gestellt werden, um Kindern aus allen sozialen Schichten möglichst gleiche Chancen einzuräumen. „Es darf nicht sein, dass die Bildungschancen vom Wohnort der Eltern abhängen“, sagte SPD-Landeschef Andreas Stoch am Montag in Stuttgart. Es entbehre jeder Logik, wenn Schulen kostenlos seien, die ebenso wichtigen Kitas aber etwas kosteten.
Was sagen Grüne und CDU?
Die Regierungsparteien argumentieren so: Es brauche gute Bildung, nicht irgendeine. Deswegen will die Koalition weiter in die Qualität der Angebote von Kindergärten und Horten investieren, etwa in zusätzliches Personal oder Sprachförderung. Doch dafür würde es an Geld fehlen, wenn die Beiträge der Eltern komplett wegfielen.
Wie funktioniert das Volksbegehren gegen die Kita-Gebühren?
Die SPD muss bis Ende Januar 10 000 Unterschriften für ein Volksbegehren sammeln. Hat sie diese zusammen, prüft das Innenministerium, ob das Begehren zulässig ist. Wenn ja, muss die SPD innerhalb von sechs Monaten 770 000 Stimmen für ihre Idee zusammen bekommen. Gelingt das, muss der Landtag darüber abstimmen. Lehnt er den Vorstoß ab, kann die SPD eine Volksabstimmung durchführen. Stimmen ein Fünftel der Wahlberechtigten zu, ist der Vorschlag angenommen.
Wie ist es in anderen Ländern ?
Berlin hat die Gebühren komplett gestrichen. In Rheinland-Pfalz ist die Betreuung ab dem zweiten Lebensjahr kostenfrei, die meisten anderen Länder planen ähnliche Schritte oder es ist ein Kindergartenjahr beitragsfrei. Bayern gewährt einen monatlichen Zuschuss von 100 Euro pro Kita-Kind. Demgegenüber variiert die Zahl der Betreuer pro Kind stark. Hier belegt Baden-Württemberg einen Spitzenplatz: In Baden-Württemberg teilen sich drei Krippenkinder einen Erzieher – in MecklenburgVorpommern sind es sechs Kinder.