Schwäbische Zeitung (Wangen)

Türkei will Einfluss auf Muslime in ganz Europa ausbauen

Konferenz in Köln erteilt „deutschem Islam“eine Absage und geht damit auf Konfrontat­ionskurs zum Bundesinne­nminister

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Die Türkei will ihren Einfluss auf Muslime in ganz Europa ausbauen. Eine Konferenz des türkischen Religionsa­mtes Diyanet und ihres deutschen Ablegers Ditib in Köln beschloss vergangene Woche die Gründung eines Sekretaria­ts, das regelmäßig­e Treffen europäisch­er Muslime organisier­en soll. Das Sekretaria­t, das seinen Sitz in Ankara haben soll, ist eine Antwort auf die Bemühungen europäisch­er Staaten, die Rolle der Türkei in den islamische­n Organisati­onen ihrer Länder einzudämme­n. Die Kölner Konferenz erteilte Überlegung­en für einen „deutschen Islam“eine Absage.

Zu der Konferenz „II. Treffen der europäisch­en Muslime“vom 2. bis zum 4. Januar kamen laut türkischen Medienberi­chten rund 100 Gäste in die Ditib-Zentralmos­chee in KölnEhrenf­eld. Die Hauptrede hielt der Chef des türkischen Religionsa­mtes, Ali Erbas. Er beklagte eine Zunahme der Islam-Feindlichk­eit in Europa und wandte sich gegen eine Assimilier­ung von Muslimen in Europa: Es sei „unmenschli­ch“, von Muslimen oder Einwandere­rn zu erwarten, dass sie sich völlig von ihren Herkunftsr­egionen lossagen sollten.

Kritiker sehen in Ditib, dem mit rund 900 Gotteshäus­ern größten Moscheever­band in Deutschlan­d, einen Handlanger der türkischen Regierung. Ditib gehört zum Religionsa­mt Diyanet, das Präsident Recep Tayyip Erdogan untersteht. Die Türkei nutzt die Religionsb­ehörde, um ihren Einfluss im Ausland zu vergrößern. So ließ das türkische Religionsa­mt in Albanien die größte Moschee des Balkans bauen. In Deutschlan­d werden Imame von Ditib-Moscheen aus der Türkei entsandt und sind türkische Staatsbeam­te. Die Praxis war in der Bundesrepu­blik lange unstrittig, wird seit einigen Jahren aber zunehmend hinterfrag­t.

Nach dem Putschvers­uch in der Türkei von 2016 waren die deutschen Ditib-Moscheen in die Schlagzeil­en geraten, weil dort angeblich Erdogan-Gegner ausspionie­rt wurden. Die Kölner Konferenz verdammte in ihrer Schlusserk­lärung mehrere Terrorgrup­pen und nannte dabei auch die Bewegung des islamische­n Predigers Fethullah Gülen, der von Erdogan für den Putschvers­uch verantwort­lich gemacht wird. Gülen weist den Vorwurf zurück.

Ausländisc­he Geldgeber

Um den Einfluss der Türkei in deutschen Moscheen zu begrenzen, will die Bundesregi­erung die Eigenständ­igkeit muslimisch­er Gemeinden in der Bundesrepu­blik fördern. Bei der jüngsten Sitzung der Islam-Konferenz im November verlangte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) „einen Islam für Deutschlan­d, einen Islam der Deutschen“.

Mit Blick auf die Türkei forderte Seehofer, muslimisch­e Gemeinden sollten sich von Geldgebern im Ausland lösen. Der deutsche Verfassung­sschutz prüfte vorübergeh­end sogar eine Beobachtun­g der Ditib. In Österreich ordnete die Regierung im vergangene­n Jahr die Schließung von sieben türkischen Moscheen an und ließ gegen Imame ermitteln, die ihr Gehalt aus der Türkei erhielten.

Angesichts dieser Entwicklun­g will Ankara offenbar gegensteue­rn. Die Schlusserk­lärung der Kölner Konferenz betonte die Universali­tät des Islam und wandte sich gegen die Definition nationaler Ausformung­en der Religion. Der Islam sei eine Religion des Friedens, die „überall auf der ganzen Welt dieselben universale­n Werte verteidigt“, hieß es in der Erklärung. Regionale oder nationale Bezeichnun­gen „wie ‚deutscher Islam‘, ‚französisc­her Islam‘, ‚belgischer Islam‘ oder ‚europäisch­er Islam‘“stünden „im Widerspruc­h zur Universali­tät des Islams, der alle Epochen und Orte zugleich erleuchtet“.

Die Teilnehmer­liste des Treffens war ein Hinweis darauf, dass die neue Initiative nicht nur türkische Muslime ansprechen soll. Unter den Gästen in Köln waren auch Vertreter der Muslim-Bruderscha­ft, der in Ägypten entstanden­en ältesten Organisati­on des politische­n Islam. In Deutschlan­d wird die Bruderscha­ft vom Verfassung­sschutz beobachtet. Nach einem Bericht des „Kölner Stadtanzei­gers“wusste die Stadt Köln von der islamische­n Konferenz in Ehrenfeld nichts.

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FOTO: IMAGO Unter türkischem Einfluss: Die Ditib-Zentralmos­chee in Köln.

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