Autonom ist die Zukunft
Der französische Konzern Transdev kauft als erster den People Mover von ZF
FRIEDRICHSHAFEN - Die Autos der Zukunft fahren autonom – und die Zukunft könnte schon bald die Gegenwart sein. Denn die Entwickler verlassen nach und nach ihre Laboratorien und schicken Testfahrzeuge hinaus auf die Straßen. Vor allem aber wächst das Interesse von Mobilitätsanbietern an den neuen Technologien. Ein Beispiel: der e.GO People Mover, den der Friedrichshafener Zulieferer ZF gemeinsam mit dem Start-up e.GO Mobile aus dem Umfeld der Rheinisch-Westfälischen Hochschule Aachen entwickelt hat. Für den autonom fahrenden Elektrokleinbus hat der Traditionskonzern vom Bodensee einen ersten Kunden gefunden: das französische Verkehrsunternehmen Transdev.
„Unsere Vision, die wir mit ZF teilen, ist, dass die Mobilität von morgen geteilt wird. Fahrzeuge wie der People Mover werden die ideale Lösung sein, um unser Ziel zu erreichen: nämlich Flotten autonomer Fahrzeuge in bestehende Netze zu integrieren, damit die Reichweite größer wird“, sagte Transdev-Nordamerika-Chef Yann Leriche auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas (USA) der „Schwäbischen Zeitung“. Auf der Elektronikmesse stellten Transdev und ZF die Partnerschaft vor. Leriche zufolge werde der öffentliche Nahverkehr das erste Segment sein, für das autonome Dienste für die Allgemeinheit entwickelt würden. „Die Kooperation mit ZF und e.GO ist eine hervorragende Gelegenheit, unsere bestehenden Mobilitätslösungen mit neuen autonomen Fahrzeugen zu ergänzen“, erläuterte der Manager, der bei Transdev den Bereich Autonome Transportsysteme verantwortet. Wo die Busse fahren sollen und wie viele verkauft wurden, blieb zunächst offen.
Der People Mover – wörtlich übersetzt Menschenbeweger – ist ein Fahrzeug, das in naher Zukunft die Innenstädte entlasten soll. Elektrisch betrieben bewegt sich der Kleinbus mit den großen Fensterfronten nicht sehr schnell in städtischen Gebieten und transportiert im öffentlichen Nahverkehr vor allem Menschen, zunächst noch mit Fahrer, später irgendwann auch autonom. Umgebaut kann er auch bei der Auslieferung von Waren auf der letzten Meile eingesetzt werden. Entwickelt hat das Konzept ZF mit dem Start-up e.GO Mobile, den Vertrieb übernimmt das Joint Venture e.GO Moove. Die Serienproduktion startet noch 2019, mit fünfstelliger Jahresstückzahl.
Einsatz im Personennahverkehr
Transdev wird den People Mover im öffentlichen Personennahverkehr einsetzen. Denn dort ist der französische Konzern, an dem das staatliche Finanzinstitut Caisse des dépôts et consignations 70 Prozent und der französische Versorger Veolia 30 Prozent der Anteile halten, zu Hause. Transdev ist nach Unternehmensangaben der weltweit führende private Betreiber von öffentlichen Verkehrsmitteln. 2017 transportierte Transdev in 43 300 Fahrzeugen mit 82 000 Mitarbeitern mehr als 3,5 Milliarden Passagiere. Bei einem Umsatz von 6,6 Milliarden Euro erwirtschaftete der Konzern einen operativen Gewinn von 138 Millionen Euro.
Herzstück des People Movers ist das Steuergerät ZF Pro AI, das das Friedrichshafener Unternehmen mit dem US-amerikanischen Grafikkartenspezialisten Nvidia entwickelt und nun auf der CES in einer neuen Version präsentiert hat. „Wir stellen mit der ZF Pro AI Robothink den leistungsfähigsten KI-fähigen Supercomputer vor, den die Mobilitätsbranche zur Zeit zu bieten hat“, erklärte ZF-Vorstandsvorsitzender Wolf-Henning Scheider in Las Vegas. Nach Unternehmensangaben kann der Rechner bis zu 600 Billionen Rechenschritte pro Sekunde ausführen. Damit seien Fahrzeuge in der Lage, den Datenstrom von internen und externen Sensoren in Echtzeit zu verarbeiten – eine entscheidende Voraussetzung, um autonome Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr fahren lassen zu können.
Den Rechner ZF Pro AI bietet ZF auch als einzelnes Steuergerät für automobile Anwendungen an. Die Plattform wird nach Konzernangaben bald in Serie produziert und ermöglicht passende Konfigurationen „für eine Vielzahl von Anwendungen über alle Stufen des automatisierten Fahrens hinweg“, wie Scheider weiter erläuterte. ZF hofft mit dem Rechner – insbesondere im Paket mit Sensorlösungen und Sicherheitstechnik – auf neue Automobilkunden. Die Robotertaxis der Zukunft könnten also mit Bodenseetechnik unterwegs sein.