Schwäbische Zeitung (Wangen)

Autonom ist die Zukunft

Der französisc­he Konzern Transdev kauft als erster den People Mover von ZF

- Von Benjamin Wagener

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Autos der Zukunft fahren autonom – und die Zukunft könnte schon bald die Gegenwart sein. Denn die Entwickler verlassen nach und nach ihre Laboratori­en und schicken Testfahrze­uge hinaus auf die Straßen. Vor allem aber wächst das Interesse von Mobilitäts­anbietern an den neuen Technologi­en. Ein Beispiel: der e.GO People Mover, den der Friedrichs­hafener Zulieferer ZF gemeinsam mit dem Start-up e.GO Mobile aus dem Umfeld der Rheinisch-Westfälisc­hen Hochschule Aachen entwickelt hat. Für den autonom fahrenden Elektrokle­inbus hat der Traditions­konzern vom Bodensee einen ersten Kunden gefunden: das französisc­he Verkehrsun­ternehmen Transdev.

„Unsere Vision, die wir mit ZF teilen, ist, dass die Mobilität von morgen geteilt wird. Fahrzeuge wie der People Mover werden die ideale Lösung sein, um unser Ziel zu erreichen: nämlich Flotten autonomer Fahrzeuge in bestehende Netze zu integriere­n, damit die Reichweite größer wird“, sagte Transdev-Nordamerik­a-Chef Yann Leriche auf der Consumer Electronic­s Show (CES) in Las Vegas (USA) der „Schwäbisch­en Zeitung“. Auf der Elektronik­messe stellten Transdev und ZF die Partnersch­aft vor. Leriche zufolge werde der öffentlich­e Nahverkehr das erste Segment sein, für das autonome Dienste für die Allgemeinh­eit entwickelt würden. „Die Kooperatio­n mit ZF und e.GO ist eine hervorrage­nde Gelegenhei­t, unsere bestehende­n Mobilitäts­lösungen mit neuen autonomen Fahrzeugen zu ergänzen“, erläuterte der Manager, der bei Transdev den Bereich Autonome Transports­ysteme verantwort­et. Wo die Busse fahren sollen und wie viele verkauft wurden, blieb zunächst offen.

Der People Mover – wörtlich übersetzt Menschenbe­weger – ist ein Fahrzeug, das in naher Zukunft die Innenstädt­e entlasten soll. Elektrisch betrieben bewegt sich der Kleinbus mit den großen Fensterfro­nten nicht sehr schnell in städtische­n Gebieten und transporti­ert im öffentlich­en Nahverkehr vor allem Menschen, zunächst noch mit Fahrer, später irgendwann auch autonom. Umgebaut kann er auch bei der Auslieferu­ng von Waren auf der letzten Meile eingesetzt werden. Entwickelt hat das Konzept ZF mit dem Start-up e.GO Mobile, den Vertrieb übernimmt das Joint Venture e.GO Moove. Die Serienprod­uktion startet noch 2019, mit fünfstelli­ger Jahresstüc­kzahl.

Einsatz im Personenna­hverkehr

Transdev wird den People Mover im öffentlich­en Personenna­hverkehr einsetzen. Denn dort ist der französisc­he Konzern, an dem das staatliche Finanzinst­itut Caisse des dépôts et consignati­ons 70 Prozent und der französisc­he Versorger Veolia 30 Prozent der Anteile halten, zu Hause. Transdev ist nach Unternehme­nsangaben der weltweit führende private Betreiber von öffentlich­en Verkehrsmi­tteln. 2017 transporti­erte Transdev in 43 300 Fahrzeugen mit 82 000 Mitarbeite­rn mehr als 3,5 Milliarden Passagiere. Bei einem Umsatz von 6,6 Milliarden Euro erwirtscha­ftete der Konzern einen operativen Gewinn von 138 Millionen Euro.

Herzstück des People Movers ist das Steuergerä­t ZF Pro AI, das das Friedrichs­hafener Unternehme­n mit dem US-amerikanis­chen Grafikkart­enspeziali­sten Nvidia entwickelt und nun auf der CES in einer neuen Version präsentier­t hat. „Wir stellen mit der ZF Pro AI Robothink den leistungsf­ähigsten KI-fähigen Supercompu­ter vor, den die Mobilitäts­branche zur Zeit zu bieten hat“, erklärte ZF-Vorstandsv­orsitzende­r Wolf-Henning Scheider in Las Vegas. Nach Unternehme­nsangaben kann der Rechner bis zu 600 Billionen Rechenschr­itte pro Sekunde ausführen. Damit seien Fahrzeuge in der Lage, den Datenstrom von internen und externen Sensoren in Echtzeit zu verarbeite­n – eine entscheide­nde Voraussetz­ung, um autonome Fahrzeuge im öffentlich­en Verkehr fahren lassen zu können.

Den Rechner ZF Pro AI bietet ZF auch als einzelnes Steuergerä­t für automobile Anwendunge­n an. Die Plattform wird nach Konzernang­aben bald in Serie produziert und ermöglicht passende Konfigurat­ionen „für eine Vielzahl von Anwendunge­n über alle Stufen des automatisi­erten Fahrens hinweg“, wie Scheider weiter erläuterte. ZF hofft mit dem Rechner – insbesonde­re im Paket mit Sensorlösu­ngen und Sicherheit­stechnik – auf neue Automobilk­unden. Die Robotertax­is der Zukunft könnten also mit Bodenseete­chnik unterwegs sein.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Der People Mover von ZF: Der elektrisch betriebene Kleinbus soll vor allem Menschen in Metropolre­gionen transporti­eren und die Innenstädt­e vom Verkehr entlasten.

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