Schwäbische Zeitung (Wangen)

Vor der eigenen Familie geflüchtet

18-Jährige aus Saudi-Arabien wird nicht in ihre Heimat abgeschobe­n

- Von Christoph Sator

BANGKOK (dpa) - Mit internatio­naler Hilfe hat eine junge Frau aus Saudi-Arabien die drohende Abschiebun­g in ihre Heimat verhindern können. Der 18-jährigen Rahaf Mohammed al-Kunun gelang es vom Flughafen Bangkok aus, mit einer Serie von Twitter-Botschafte­n binnen kurzer Zeit eine Kampagne auf die Beine zu stellen. Auch die Bundesregi­erung setzte sich für sie ein. Schließlic­h verzichtet­en Thailands Behörden darauf, sie ins nächste Flugzeug nach Hause zu ihrer Familie zu setzen. Nun soll sie rasch Asyl in einem Drittland bekommen.

Das UN-Flüchtling­shilfswerk UNHCR hatte sich in den Fall eingeschal­tet. Mitarbeite­r durften die junge Frau in einem Flughafenh­otel besuchen, wo sie sich in einem Zimmer verbarrika­diert hatte. Der Chef der Einwanderu­ngspolizei, Surachet Hakparn, sagte am Abend vor Journalist­en: „Sie ist jetzt in der Obhut von UNHCR.“Die UN-Organisati­on habe ihm gesagt, dass die junge Frau innerhalb von fünf Tagen Asyl in einem Drittland erhalten werde.

Der Chef der Einwanderu­ngspolizei hatte am Montag schon zuvor versproche­n: „Wir werden sie heute nicht abschieben.“Zu ihrer weiteren Zukunft fügte er hinzu: „Wenn sie nicht nach Hause will, können wir sie nicht zurückschi­cken. Wir werden sie nicht zwingen.“

Auf einem Twitter-Konto, das sie erst am Wochenende eingericht­et hatte, berichtete Al-Kunun laufend über ihr Schicksal. Bis Montagaben­d hatte sie mehr als 60 000 Follower. In einem Video erklärte sie: „Ich brauche ein Land, das mich schützt, so schnell wie möglich.“Über ihre Familie sagte sie: „Ich bin hundertpro­zentig sicher, dass sie mich gleich umbringen werden, wenn ich aus einem saudischen Gefängnis komme.“Auch eine Freundin schrieb auf dem Twitter-Konto mit.

Die junge Frau, die sich nach Medienberi­chten vom Islam losgesagt hat, war am Samstag in Bangkok gelandet. Eigentlich wollte sie dort nur einen Zwischenst­opp machen. Ursprüngli­ches Ziel war Australien. Dort will sie einen Asylantrag stellen – angeblich aus Angst vor der eigenen Familie. Nach eigener Darstellun­g wurde sie von männlichen Verwandten geschlagen und auch ein halbes Jahr lang in ihr Zimmer eingesperr­t. Grund dafür war angeblich nur, dass sie sich die Haare geschnitte­n hatte. Auch Todesdrohu­ngen soll es gegeben haben.

Unterstütz­ung aus Deutschlan­d

In Bangkok kam Al-Kunun jedoch nicht weiter. Die Behörden hielten sie fest, weil sie – so die Thai – weder genug Geld noch die erforderli­chen Papiere noch ein Rückflugti­cket hatte. Ein Mitarbeite­r der saudischen Botschaft soll ihr den Reisepass abgenommen haben. Am Montagaben­d teilte sie mit, dass sie ihren Pass zurückhabe.

Die thailändis­che Einwanderu­ngsbehörde hatte zunächst angekündig­t, sie unverzügli­ch zurückzusc­hicken. Ein Einspruch gegen die Auslieferu­ng scheiterte vor Gericht. Der Flug nach Kuwait ging dann aber ohne sie. Nach einer Serie von Gesprächen entspannte sich die Situation. Das UN-Hilfswerk wollte „aus Gründen der Vertraulic­hkeit“keine nähere Auskunft über den Stand der Dinge geben. Zugleich verlangten ihre Vertreter, Al-Kunun keinesfall­s abzuschieb­en.

Nach Angaben der Menschenre­chtsgruppe Human Rights Watch (HRW) hatte die junge Frau einen Ausflug mit der Familie nach Kuwait genutzt, um sich von ihrer Familie abzusetzen. Wie sie sich das Ticket für eine Maschine der Kuwait Airways nach Bangkok sowie ein Visum für Australien beschaffen konnte, ließ sich zunächst nicht klären.

In den Fall hatten sich auch mehrere westliche Botschafte­n in Bangkok eingeschal­tet. Der deutsche Botschafte­r Georg Schmidt schrieb auf Twitter: „Wir teilen die große Sorge um Rahaf Mohammed.“Man stehe dazu auch in Verbindung mit den thailändis­chen Behörden. Das Auswärtige Amt in Berlin begründete dies mit der „humanitäre­n Sorge um ihr Wohlergehe­n“.

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FOTO: UNCREDITED/IMMIGRATIO­N POLICE/AP/DPA Das von der Einwanderu­ngspolizei zur Verfügung gestellte Foto zeigt Rahaf Mohammed al-Kunun (Mitte), die aus Saudi-Arabien geflohen ist, neben Surachate Hakparn (rechts), Chef der Einwanderu­ngspolizei von Thailand, am Flughafen in Bangkok.

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