Die Unvollendete nun vollendet
Der Dirigent Nikolaus Harnoncourt ist 2016 gestorben. Nun gibt es eine neue Veröffentlichung seines Orchesters Concentus Musicus: Schuberts „Unvollendete“als vollendete, viersätzige Sinfonie. Klingt interessant. Doch mit dem Konzept, das dahinter steckt, machen es sich die Edition des französischen Labels Aparte und vor allem das Booklet sehr einfach. Es verweist auf die Neuausgabe der Sinfonie-Partitur.
Harnoncourt, der natürlich seinerseits diese Sinfonie aufgeführt und eingespielt hatte, tat dies in einer Weise, die sämtliche Akzente überdeutlich machte, so dass man den Eindruck hatte, der „Klangrede“stehe auch noch ein Gebärdendolmetscher zur Seite. Harnoncourt vertrat die These, den beiden ersten
Sätzen der unvollendeten Sinfonie läge ein
Traum Schuberts zugrunde, den dieser mit Bleistift notiert hatte und der im Nachlass gefunden wurde. Heraus- geber BenjaminGunnar Cohrs sagt, für die Verwendung der Traumschilderung als musikalisches Programm gäbe es nicht den geringsten Hinweis. Trotzdem spielt der Concentus nun die beiden Sätze in diesem Stil, nur noch einmal eine Umdrehung überdeutlich-elefantöser. Dass das folgende Scherzo von Schubert als Fortsetzung geplant war, darüber besteht, so Cohrs, „kein Zweifel“.
Die Verwendung der Bühnenmusik aus „Rosamunde“als Schlusssatz ist hingegen nicht wasserdicht, sie beruht lediglich auf der Beobachtung, dass hier Tinte und Feder der Komposition mit der Handschrift der zwei ersten Sätze der Sinfonie identisch sind, während die weiteren „Rosamunde“-Manuskripte anders aussehen. Der Wert der Aufführung ist angesichts der Diskussionslage etwas akademisch. Es ist eine Vollendung des Werks mit dem musikalischem Material des Komponisten. Und nicht eine der Vollendungsversuche von fremder Hand, die es auch gibt. (man)
Schubert finished/unfinished: Concentus Musicus, Apartemusic 189