Mit veruntreutem Geld spekuliert?
Vorwürfe gegen Beamten am Landratsamt Oberallgäu weiten sich aus – Betreuer soll von privaten Konten sechsstellige Summen abgezweigt haben
OBERALLGÄU/KEMPTEN - Noch sind die Ermittlungen nicht abgeschlossen, doch es zeichnet sich immer deutlicher ab: Der Beamte am Landratsamt Oberallgäu, der im November 2018 seinen Arbeitsplatz wegen mutmaßlicher Unterschlagungen räumen musste, hat offenbar deutlich mehr Geld veruntreut als anfangs angenommen. Landrat Anton Klotz spricht gegenüber unserer Zeitung von „Dutzenden Fällen“und einer Schadenssumme im sechsstelligen Bereich. Der anfangs nur beurlaubte Staatsbeamte sei inzwischen suspendiert.
Wie berichtet, soll der Mitarbeiter der Betreuungsstelle über Jahre hinweg Geld von privaten Konten abgezweigt haben. Kontoinhaber waren Oberallgäuer Bürger, für die eine gerichtlich oder behördlich angeordnete Betreuung bestand. Die Staatsanwaltschaft Kempten hat gegenüber unserer Zeitung bestätigt, dass von einem Gesamtschaden in sechsstelliger Höhe auszugehen ist. Komplizen gab es nach bisherigem Kenntnisstand nicht. Weitere Auskünfte lehnt die Behörde ab.
Geld ging auch ins Ausland
Die Veruntreuung war aufgeflogen, nachdem eine Bank bei der Polizei eine Verdachtsanzeige wegen Geldwäsche gestellt hatte. Im Oktober 2017 begannen die Ermittlungen, das Landratsamt wurde erst im November 2018 eingebunden. Der Mann, der laut Klotz großes Ansehen innerhalb der Behörde, aber auch bei den Bürgern genoss, hatte offenbar immer wieder erhebliche Summen nicht eindeutiger Herkunft transferiert – auch auf Konten im Ausland. „Wir haben aber keinen Hinweis darauf, dass öffentliches Geld im Feuer steht“, sagt Klotz. Das Motiv sei nach wie vor unklar. Laut Landrat gibt es allerdings Indizien dafür, dass der Mann das Geld für Spekulationen genutzt und dabei auch deutliche Verluste eingefahren hat.
Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, so habe der Beamte über Jahre hinweg mit „hoher krimineller Energie“ein System zum Abschöpfen privaten Vermögens installiert. Mit Hilfe selbst ausgestellter, behördlich abgestempelter Vollmachten habe der Mann laut Klotz erreicht, dass bestehende Betreuungsvereinbarungen beendet wurden. In der Folge habe sich der Mann selbst als Betreuer eingesetzt und so Zugang zu den Konten erhalten. Die Betroffenen – Bürger, die aufgrund von Alter, Krankheiten oder anderen Beeinträchtigungen nicht mehr eigenverantwortlich handeln konnten – hätten keinen Verdacht geschöpft, da der Beamte als äußerst vertrauenswürdig galt.
Gerade deshalb stuft Klotz das Vorgehen als „schändlich“ein und spricht von einem „erheblichen Vertrauensverlust“für die Betreuungsstelle am Landratsamt. Er betont aber auch, dass es für Vorgesetzte und Kollegen des Beamten keine Chance gegeben habe, die Veruntreuung zu erkennen, da es bei Privatkonten – anders als im Bereich der öffentlichen Verwaltung – keine Handhabe für Kontrollen gebe. Zudem genössen die Mitarbeiter der Betreuungsstelle ein besonderes Vertrauensverhältnis. Dennoch prüfe das Landratsamt, ob sich in diesem Bereich künftig eine wirksame Kontrollinstanz einziehen lässt.
Auf den Beamten wartet laut Klotz neben strafrechtlichen Konsequenzen auch ein Disziplinarverfahren, das im schlimmsten Fall zum Verlust aller Pensionsansprüche führen könnte.