Erdogan brüskiert Trumps Gesandten
Türkei droht mit baldigem Einmarsch in Syrien ohne Rücksicht auf die Interessen der Amerikaner
ANKARA (AFP) - Die Türkei hat Forderungen der USA nach Garantien zum Schutz der syrischen Kurden scharf zurückgewiesen. Die Äußerungen des US-Sicherheitsberaters John Bolton zu den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) seien „nicht zu akzeptieren“, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag während Boltons kurzem Besuch in Ankara. Erwartete Treffen Boltons mit Erdogan oder hochrangigen Regierungsmitgliedern fielen aus. Der Vertraute von US-Präsident Donald Trump reiste bereits mittags wieder ab – nach einem zweistündigen Gespräch mit Erdogan-Berater Ibrahim Kalin.
ISTANBUL - Falls US-Sicherheitsberater John Bolton auf Nachsicht der türkischen Regierung für das Hin und Her beim US-Rückzug aus Syrien gehofft haben sollte, war kurz nach Mittag am Dienstag klar: Die Hoffnung war vergebens.
Während Bolton in Ankara für den neuen amerikanischen Plan für einen langsamen Rückzug aus Syrien warb, trat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor der Parlamentsfraktion seiner Partei AKP ans Rednerpult und kündigte einen baldigen türkischen Einmarsch in Syrien an – ob Amerika das nun wolle oder nicht. Nun drohen neue Spannungen zwischen den Partnern.
Die USA hatten den Nato-Verbündeten Türkei in den vergangenen Wochen gleich mehrmals verärgert. Zuerst relativierte die Regierung von Donald Trump die Ankündigung des US-Präsidenten, die rund 2000 amerikanischen Soldaten bald aus Syrien abzuziehen. Trump persönlich habe ihm gegenüber am Telefon den raschen Rückzug angekündigt, und davon werde er weiter ausgehen, sagte Erdogan dazu am Dienstag. „Die Türkei hat immer Wort gehalten“, sagte der türkische Präsident – anders als die USA, lautete der unausgesprochene Vorwurf an Washington.
Wegen Trumps Ankündigung hatte die Türkei auf freie Bahn im Norden Syriens gehofft, wo sie vor allem gegen die syrische Kurdenmiliz YPG vorgehen will. Ankara sieht die YPG als Terrororganisation, doch für die USA sind die Kurdenkämpfer die wichtigsten Helfer im Kampf gegen die Terrorgruppe „Islamischer Staat“.
Dieser Interessenkonflikt zwischen den beiden traditionellen Partnern bricht nun offen aus. Die Türkei will die YPG von der türkischen Grenze vertreiben, die USA will sie schützen. Wenn Bolton und andere US-Vertreter nun sagen, die US-Soldaten würden nur dann abgezogen, wenn es Sicherheitsgarantien der Türkei für die YPG gebe, bringt das Erdogan auf die Palme. Bolton habe mit seinen Äußerungen über die YPG einen „schweren Fehler“begangen, sagte der türkische Präsident.
Einmarsch soll bald beginnen
Bolton war zusammen mit Generalstabschef Joseph Dunford und dem Syrien-Gesandten James Jeffrey nach Ankara gekommen, um die Türken zu beruhigen. Der Versuch schlug fehl. Mehr als zwei Stunden saß Bolton mit Erdogans Sprecher und wichtigstem außenpolitischen Berater Ibrahim Kalin zusammen. Fortschritte gab es nicht – im Gegenteil. Nach dem Gespräch liegen Türkei und USA weiter auseinander als vorher.
Bei Erdogan selbst kommt Bolton wegen seiner Forderung nach türkischen Garantien für die YPG ohnehin auf keinen grünen Zweig mehr. „Wir werden keine Zugeständnisse machen“, sagte der türkische Präsident. Die Vorbereitungen für den Einmarsch ins YPG-Gebiet in NordSyrien seien so gut wie abgeschlossen. „Sehr bald“werde es losgehen. Die Türkei werde die USA nicht um Erlaubnis fragen.
Anlass für Krach gibt es genug. Kalin verlangte von den Amerikanern, sie sollten ihre mehr als 20 Militärstützpunkte in Syrien bei einem Abzug der türkischen Armee überlassen oder zerstören, damit die Stellungen nicht der YPG zufallen. Washington lehnt das bisher ab. Die Türkei fordert außerdem, dass die USA die and YPG gelieferten Waffen wieder einsammelt. Kalin dementierte zudem, dass Erdogan gegenüber Trump zugesagt habe, die YPG zu schonen.
Am frühen Nachmittag musste Bolton in Ankara seine Koffer packen, ohne mit Erdogan gesprochen zu haben. Vor dem Besuch des Trump-Beraters in der türkischen Hauptstadt hatte es von amerikanischer Seite noch geheißen, Bolton werde sich wohl auch mit dem türkischen Staatschef zusammensetzen. Doch am Dienstag hatte Erdogan plötzlich Wichtigeres zu tun: Leider habe er für Bolton keine Zeit, ließ er nach US-Angaben ausrichten.