Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schüler gesteht Datendiebs­tahl

Der jüngste Datenklau kam aus dem Jugendzimm­er – Seehofer kündigt neues IT-Gesetz an

- Von Sabine Lennartz

BERLIN/WIESBADEN (dpa) - Hinter dem bundesweit­en Cyberangri­ff steckt nach den Ermittlung­en der Behörden ein 20-jähriger Schüler, der seinem Ärger auf Politiker und Prominente Luft machen wollte. Der Hacker aus Hessen habe sich gezielt Opfer ausgesucht, deren Äußerungen ihm missfallen hätten, sagte Staatsanwa­lt Georg Ungefuk von der Zentralste­lle zur Bekämpfung der Internetkr­iminalität (ZIT) am Dienstag. Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) wies den Vorwurf zurück, in dem Fall zu langsam reagiert zu haben. Die zuständige­n Behörden hätten „sehr rasch, sehr effizient und sehr gut gehandelt“.

BERLIN - Wer hat wann Bescheid gewusst über den Hackerangr­iff auf Politiker und Journalist­en? Was wird getan, um in Zukunft die Menschen davor zu schützen? Das waren die beiden Hauptfrage­n, denen sich Innenminis­ter Horst Seehofer vor der Bundespres­sekonferen­z stellen musste. Doch erst einmal gratuliert­e Horst Seehofer dem BKA und den Landespoli­zeibehörde­n zu ihrem Erfolg: Der Täter wurde ermittelt, festgenomm­en und nach einem Geständnis auf freien Fuß gesetzt: Es handelt sich um einen 20-Jährigen aus Hessen, der noch bei seinen Eltern lebt. Auf Twitter nannte er sich „G0D“und „Orbit“.

Innenminis­ter Horst Seehofer verteidigt­e sich gegen den Vorwurf, zu spät gehandelt zu haben. Die ganze Affäre begann laut Seehofer damit, dass am 3. Januar um 22.40 Uhr das Büro von SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles Alarm schlug. Kurz nach Mitternach­t tagte bereits das Lagezentru­m im Innenminis­terium, um 1.22 Uhr am Freitag morgen wurden BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik) und das Bundeskrim­inalamt (BKA) informiert, kurz nach zwei Uhr fanden schon erste Löschversu­che im Internet statt, um 3.48 Uhr unterricht­ete das BKA auch die Landeskrim­inalämter und die Bundesbehö­rden, später dann den Innenminis­ter.

Um 11 Uhr war es schon geschafft: Twitter deaktivier­te auf Bitten der Behörden die Accounts. „Die Zusammenar­beit mit Twitter war reibungslo­s“, so BKA-Chef Holger Münch. Aber er befürchtet, dass es einen Unterschie­d zu Privatpers­onen gibt. Auch da müsse es schnell und gut funktionie­ren.

„Die Bundesregi­erung sollte das BSI zu einem Sicherheit­sdienstlei­ster für die Bevölkerun­g umbauen und als selbststän­dige Behörde neu aufstellen“, fordert Jan Korte, der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Linksfrakt­ion. Horst Seehofer wird zwar noch nicht konkret, sagt aber, dass Verbrauche­rschutz eine zusätzlich­e Aufgabe des BSI werden müsse. Es seien schon 350 zusätzlich­e Planstelle­n in diesem Jahr bewilligt worden, 160 Stellen für die Cybersiche­rheit. Man werde zwar nie umfassende Sicherheit verspreche­n können, aber man prüfe die Chancen auf Früherkenn­ung und Sperrung von Twitteracc­ounts, die gehackte Daten veröffentl­ichen.

Der Innenminis­ter verspricht ein neues IT-Sicherheit­sgesetz 2.0 im ersten Halbjahr 2019. Es enthalte auch Regelungen zur Zertifizie­rung von Geräten wie Routern.

Unterdesse­n wurden weitere Einzelheit­en bekannt: Der 20-jährige Täter aus Mittelhess­en hat über ein gesamtes Jahr Daten gesammelt und verschiede­ne Accounts gehackt. Auf Twitter hatte er zwei Accounts, verwendete aber auch einen gekaperten Account. Mehr noch, der Täter war vor zwei Jahren schon einmal als Tatverdäch­tiger wegen Ausspähens von Daten eingetrage­n, allerdings hat er keine Vorstrafe. Ihn als Heranwachs­enden erwarten laut BKAChef als Höchststra­fe drei Jahre. Der rechts- und innenpolit­ische Sprecher der CSU-Landesgrup­pe, Volker Ullrich, findet das zu wenig. Das Strafmaß müsse überprüft werden. „Wenn der massenhaft­e Datendiebs­tahl eines 20-jährigen Tatverdäch­tigen zulasten von rund 1000 Mandatsträ­gern, Prominente­n und Journalist­en aus Ärger über deren Handeln mit einer Freiheitss­trafe bis zu drei Jahren geahndet wird, der Ladendiebs­tahl

hingegen mit bis zu fünf Jahren Freiheitss­trafe, besteht ein deutlicher Wertungswi­derspruch.“

Über die Motive des Täters ist noch nicht viel bekannt, nur, dass er sich über die Personen geärgert habe. Insgesamt wurden 894 Politiker gehackt, 425 der Union, 318 der SPD, 111 Grüne , 112 Linke und 28 von der FDP. Von der AfD war niemand dabei. Trotzdem gibt es laut BKA-Chef Münch keinerlei Erkenntnis­se über einen rechtsextr­emen Hintergrun­d des Täters.

Der Mensch als Schwachste­lle

Laut BKA-Chef Holger Münch steht im Moment noch nicht fest, ob der Täter technische oder menschlich­e Schwachste­llen nutzte. Über menschlich­e Schwachste­llen kann Horst Seehofer viel berichten. Er ist vom BKA-Chef gerade über die geläufigst­en Passworte informiert worden. „ I love you ist nicht besonders einfallsre­ich“, meint Horst Seehofer und die Zahlenreih­e 1234567 sei es auch nicht. „Zunächst trägt jeder selbst die Verantwort­ung für sensible Daten“, so Seehofer.

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FOTO: DPA Datenlager bei einem Supercompu­ter: Die Behörden haben den massenhaft­en Datendiebs­tahl aufgeklärt.

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