Geld kann man nicht essen, Gold schon ...
Nicht alles, was auf dem Teller glänzt, ist Gold – insbesondere wenn es Gold ist
Der geneigte Leser weiß: An dieser Stelle werden die wirklich wichtigen Dinge abgehandelt. Damit sind wir bei Franck Ribéry und seinen Ernährungsgewohnheiten. Der Bayern-Stürmer hat in Dubai in einem Restaurant gespeist. Ein vergoldetes TomahawkSteak, Kostenpunkt 600 Euro.
Gold essen! Darf man das? „Aus meiner Sicht pervers – vor allem in Anbetracht des Hungers auf der Welt“, meint Karl Lauterbach. Das ist der SPD-Mann, der immer zu Gesundheitsthemen befragt wird und nur mit Fliege auftritt. Diese etwas aus der Mode gekommene Männerzierde kostet zwar nicht so viel wie ein goldenes Steak, aber wir wetten, dass Lauterbach Dutzende davon besitzt. In Anbetracht des Hungers auf der Welt könnte er also locker ein paar einsparen, um zu spenden.
Aber wer sind wir, dass wir uns zu Ribérys Anwalt machen, statt einzustimmen in den Chor der Empörten gegen die Verkommenheit der Fußballwelt. Sagen wir einfach, was ist: Ribéry kassiert bei den Bayern 14 Millionen Euro pro Jahr. Macht pro Tag 38 356 Euro und, wenn wir großzügig von einem Achtstundentag ausgehen, 4795 Euro Stundenlohn. Für einen, der „aus dem Ghetto, aus dem Nichts“(Originalton Ribéry) kommt, hat es der kickende Wutbürger und Hobbyphilosoph recht weit gebracht. „Nicht mehr als Kieselsteine in meinen Socken“, nennt er seine Onlinekritiker. Poesie im Netz des Grauens, das gefällt uns. Was Ribéry zuvor vom Stapel gelassen hat, ist allerdings weniger zitierfähig. Man kann sich zwar mit Gold umhüllen lassen, aber halt nicht aus seiner Haut. (hü)
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Aber muss es gleich ein mit Blattgold überzogenes Steak sein, wie es jüngst Sportsfreund Franck Ribéry vom FC Bayern öffentlichkeitswirksam verzehrte? Oder Kaviar für bis zu 4500 Euro das Kilo, heruntergespült mit einem Fläschchen Champagner, etwa Dom Perignon für 199 Euro? Oder weißer Alba-Trüffel für bis zu 5000 Euro pro Kilo? Oder seltener Blauflossenthunfisch, wie ihn der japanische Restaurantbesitzer Kiyoshi Kimura vor ein paar Tagen für 2,7 Millionen Euro in Tokio ersteigert hat? Das alles braucht kein Mensch – aber niemand braucht auch wirklich einen Geländewagen (SUV) in der gemäßigten Klimazone, in der wir leben. Und doch verstopfen diese automobilen Monstrositäten unsere Städte.
Über Sinn und Unsinn bestimmter Lebensmittel lässt sich streiten. Über die Nummer mit dem großflächig aufgetragenen Blattgold aus kulinarischer Sicht allerdings nicht: Das wirklich hauchdünn getriebene Edelmetall ist in mehrfacher Hinsicht vollkommen geschmacklos weil frei von jedwedem Aroma. Dekoration – mehr nicht. Dafür aber Ausdruck maximaler Protzigkeit. So etwas trotzdem zu essen, ist am Ende jedem selbst überlassen. Dass es aber Leute doof finden dürfen, muss auch erlaubt sein.
Lange Zeit haben Restaurants im oberen Preissegment immer wieder mal ihre Desserts mit ein paar goldig glitzernden Flöckchen verziert. Das machen heute aber nur noch die wenigsten. Denn das gegenwärtige Verständnis von Genuss geht eher in jene Richtung, mit einer gewissen Demut und Würdigung von Nase bis Schwanz (Nose to tail) alles zu verzehren, was ein Schlachttier, wenn es schon sterben muss, hergibt. Es mit Gold zu überziehen, will da nicht so recht ins Bild passen.
Ein bisschen anders gelagert ist die Sache bei Rohstoffen, die tatsächlich einen deutlichen und oft auch charakteristischen Eigengeschmack haben. Etwa der weiße Alba-Trüffel. Sternekoch Christian Grundl vom Restaurant Schattbuch in Amtzell hat eine klare Haltung zu luxuriösen Lebensmitteln: „Es muss Sinn ergeben, sonst ist es nichts anders als Perlen vor die Säue zu werfen.“Die Blattgold-Affäre gehört aus seiner Sicht unbedingt in letztere Kategorie. „Es schmeckt nicht. Es ist alles nur Show.“
„Prinzipiell ist es so, dass auch wir Luxuslebensmittel immer wieder mal verwenden, wenn es für uns stimmig ist. Aber nicht um jeden Preis.“Der erwähnte Alba-Trüffel steht derzeit im Schattbuch auf der Karte. „Weil die Saison gut war und der Preis so günstig wie seit 15 Jahren nicht“, erklärt der Sternekoch. Anders sieht die Sache mit dem Blauflossenthunfisch aus. Der sei einerseits astronomisch teuer, andererseits: „Ich brauche nicht unbedingt das, was von der anderen Seite der Welt kommt.“Das sei nicht das Selbstverständnis der SchattbuchKüche, die nicht vergessen habe, in welcher Region sie sich befinde.
Champagner und Stopfleber
Essbarer Luxus – aber wie schmeckt das überhaupt und lohnt es sich, so viel Geld dafür auszugeben? Wie bei vielem gilt: Es kommt darauf an. Tatsächlich haben Trüffel einen Eigengeschmack, der durch nichts imitiert werden kann. Oder anders gesagt: Wer noch keinen Trüffel probiert hat, kann sich den intensiven und betörenden Duft nicht vorstellen. Am besten kommt er zur Geltung, wenn Trüffel hauchfein über ein paar gebutterte Nudeln gehobelt werden. Es genügen bereits wenige Gramm, um ein Gericht mit ihm zu adeln.
Die Champagner-Diskussion wird mindestens schon so lange geführt, seit es Sekt beim Discounter gibt. Viele Menschen schätzen die Mineralität dieses Getränks in Verbindung mit einer feinporigen Perlage – also den winzigen Luftbläschen, die emporsteigen. Wer den aufwendigen Produktions- und Lagerungsprozess mit Flaschen, die von Hand gerüttelt werden, kennt, kann sich vorstellen, dass ein solches Produkt teurer sein muss als ein Sekt, der in riesigen Stahltanks nur kurz reift.
Und die Stopflebern von Gänsen oder Enten? Aus Sicht des Tierschutzes natürlich hochproblematisch. Denn die Vögel werden zwangsweise gemästet. Eine wirkliche Alternative gibt es nicht – auch wenn es vereinzelt Farmen gibt, die mit einem überreichlichen Nahrungsangebot die Tiere dazu bringen, selbst eine Fettleber anzusetzen. Allerdings nicht im Ausmaß konventionell gemästeter Tiere. Zum Geschmack ist zu sagen, dass er eine ganz eigene Art von buttriger Aromatik ausbildet – ganz fern jedweder Derbheit, die Innereien bisweilen kennzeichnet.
Beim Blauflossenthunfisch ist die Sache klar: Der bis zu 650 Kilo schwere Knochenfisch ist teils so stark gefährdet, dass es eigentlich unverantwortlich ist, ihn zu essen. Davon abgesehen: Den Unterschied zum wesentlich kleineren und weit weniger gefährdeten Weißen Thunfisch schmecken am Ende nur wirkliche Kenner.
Insofern ist die goldige Mahlzeit von Franck Ribéry fast schon wieder zu loben. Denn wer Gold isst, gefährdet keine Arten – und fördert auch nicht das Leid von Enten und Gänsen.