Boko Haram: Der allgegenwärtige Terror
Das Kloster Schussenried zeigt die Ausstellung „Die geraubten Mädchen“
BAD SCHUSSENRIED - Sie haben unvorstellbare Qualen erlitten und waren doch bereit, vor der Kamera ihr Gesicht zu zeigen und ihre Geschichte zu erzählen: Dem „Zeit“-Journalisten Wolfgang Bauer und dem Fotografen Andy Spyra ist es gelungen, in Nigeria mit Mädchen und Frauen zu sprechen, die von der Terrororganisation Boko Haram verschleppt wurden und fliehen konnten.
Wie schwierig, gefährlich und berührend diese Reise und diese Begegnungen waren, berichtet Andy Spyra heute, Donnerstag, im Kloster Bad Schussenried. Dort ist bis zum 11. Februar die Ausstellung „Die geraubten Mädchen – Boko Haram und der Terror im Herzen Afrikas“zu sehen. Als im April 2014 die islamistische Terrororganisation das Dorf Chibok im Nordosten Nigerias überfiel und 276 Schülerinnen entführte, rückte das Schicksal dieser Mädchen für kurze Zeit in den Fokus der Weltöffentlichkeit. „Bring back our girls“, forderten damals viele Prominente. Sogar die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte Unterstützung zu. Doch es dauerte nur ein paar Wochen, bis andere, neue Nachrichten in den Vordergrund rückten und das Thema wieder in Vergessenheit geriet. Zu weit entfernt ist der Nordosten Nigerias von den Machtzentren der Welt, wie es Wolfgang Bauer treffend in einem „Zeit“-Artikel zusammenfasst.
Dass sich bis heute Tausende Frauen und Mädchen in den Händen von Boko Haram befinden, interessiert heute fast niemanden mehr. Um das zu ändern, reisten Wolfgang Bauer und Andy Spyra 2015 nach Nigeria, um dort mit jenen zu sprechen, denen die Flucht gelungen war.
In dem Buch, das aus diesen Begegnungen entstand, ist das Schicksal dieser Frauen und Mädchen nachzulesen. Schonungslos offen erzählen die Nigerianerinnen, wie ihr Leben sich innerhalb von Sekunden für immer veränderte. Die in der Ausstellung gezeigten Fotografien sind intensiv und zwingen den Betrachter hinzuschauen. Jedes Gesicht ist radikal ausgeleuchtet, der Hintergrund tiefschwarz. Das Gesicht ist halb im Licht, halb im Schatten. Manche der Frauen schauen direkt in die Kamera, andere scheinen in sich selbst versunken zu sein. Manche der Frauen sind zu diesem Zeitpunkt erst seit wenigen Tagen wieder frei – und trotzdem waren sie bereit, sich von dem deutschen Fotografen porträtieren zu lassen. Zu zeigen, hier bin ich.
Dass die Ausstellung einen Monat lang im Kloster Bad Schussenried zu sehen ist, geht auf die Initiative von Dr. Hans-Otto Dumke zurück. Der ehemalige ärztliche Direktor des Zentrums für Psychiatrie Bad Schussenried kennt den Journalisten Wolfgang Bauer seit Jahren. „Gewalt gegen Frauen ist ein Thema, das für mich allgegenwärtig ist“, sagt er. Und das nicht nur in Afrika. In Deutschland erlebe jede vierte Frau mindestens einmal in ihrem Leben sexuelle Gewalt.