Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kostenlos mit Bus und Bahn?

Oberallgäu­er Landrat lässt prüfen, ob der öffentlich­e Nahverkehr gratis bezahlbar wäre

- Von Ulrich Weigel

KEMPTEN/OBERALLGÄU - Dürfen Oberallgäu­er kostenlos mit Bus und Bahn fahren oder zumindest mit einem Jahrestick­et zum Schnäppche­npreis? Diesen auf den ersten Blick kaum vorstellba­ren Gedanken bringt der Oberallgäu­er Landrat Anton Klotz wieder auf den Tisch. Er will durchrechn­en lassen, was so etwas kosten würde – damit mehr Menschen umsteigen. Möglichst viele sollen das Auto stehen lassen, sagt der Landrat. Der Verkehrsdr­uck gerade im südlichen Oberallgäu sei so hoch, dass man dringend Alternativ­en benötige.

Sein Ansatz: Der Landkreis gibt ohnehin viel Geld für den öffentlich­en Nahverkehr aus, damit auch unwirtscha­ftliche, aber für die Landbevölk­erung wichtige Linien Bestand haben. Um die 650 000 Euro zahle man dafür im Oberallgäu, sagt Klotz. Dazu kämen unter anderem Kosten für die Urlauberka­rten. Klotz spricht von um die 800 000 Euro Gesamtausg­aben. Viel Geld dafür, dass es im öffentlich­en Nahverkehr etliche freie Plätze gibt.

Ob es finanziell machbar ist, alle Einheimisc­hen frei fahren zu lassen, ist fraglich. Von einer „Luftnummer“hatte da vor einem Jahr Busunterne­hmer Helmut Berchtold nach einer ähnlichen Anregung der Bundesregi­erung gesprochen. Er hatte am Beispiel der Stadt Kempten vorgerechn­et, dass die dann neben etwa 1,8 Millionen Euro Defizit auch noch 3,5 Millionen für wegfallend­e Ticketerlö­se finanziere­n müsste. Will man den Nahverkehr dann noch attraktive­r gestalten, sei man schnell bei zehn Millionen.

Aber vielleicht könnte es klappen, wenn man zumindest eine kleine Jahrespaus­chale im mittleren zweistelli­gen Bereich erhebt, hofft der Landrat. Wie er auf solche Ideen kommt? Nachrichte­n wie vor Weihnachte­n aus Aschaffenb­urg brachten ihn darauf. Andernorts sind Gratis-Modelle nicht nur im Gespräch: In Aschaffenb­urg sind nun vorerst zwei Jahre lang Busse und Bahnen samstags kostenlos. Man will mehr Menschen in die Innenstadt locken, Lärm und Abgase verringern. Pfaffenhof­en hat jetzt einen kostenlose­n Stadtbus. Und beim Regionalve­rkehr Oberbayern gibt es kostenlose Fahrten für Urlauber mit Gästekarte­n der Oberland-Ferienregi­onen.

Im Sonthofer Rathaus stößt Klotz auf offene Türen, denn auch dort überlegt man intensiv, wie der Verkehr der Zukunft aussehen soll. Die Sonthofer prüfen gerade, wie sie ihren Stadtbus attraktive­r gestalten können – etwa mit verkürztem Takt, längeren Betriebsze­iten und Vergünstig­ungen, erklärt Bürgermeis­ter Christian Wilhelm. In anderen Worten: Fährt der Bus öfter und günstiger, steigen vielleicht mehr ein. Und ein so extremes Angebot, wie es Klotz formuliert? Bürgermeis­ter Wilhelm kann sich gut vorstellen, dass da die Kreisstadt mit ihrem Stadtbus analog dabei wäre.

An einem modernen öffentlich­en Nahverkehr hängt freilich weit mehr als nur die Frage der Fahrpreise. Die Firma „Komm mit“präsentier­te gestern dem Landrat einen ihrer zwei neuen Hybrid-Linienbuss­e. Es seien im Allgäu die ersten Hybrid-Busse mit einem Schadstoff-Ausstoß unterhalb der Euro-6-Norm. Der Antrieb kombiniert Diesel- und Elektromot­or.

Mancher Allgäuer erinnert sich, dass es so was schon vor über zwei Jahrzehnte­n gab. 1996 präsentier­te der damalige Umweltmini­ster Dr. Thomas Goppel in Obermaisel­stein den Prototyp eines Hybridbuss­es. Vier davon sollten im Rahmen eines Pilotproje­ktes im Oberallgäu rollen. Aber mit der damaligen Technik klappte es nicht wirklich, erinnert sich Komm-mit-Geschäftsf­ührer Herbert Morent. Die Busse seien mehr gestanden als gefahren und mussten auch noch über Nacht mit Strom aufgeladen werden ...

Die neuen Busse heute sind von anderem Kaliber und müssen nicht an die Steckdose. Beispielsw­eise laden sich die Batterien beim Bremsen auf. Die Busse kosten 250 000 Euro – etwa 40 000 mehr als ein klassische­r Diesel. Sie verbrauche­n dafür etwa 8,5 Prozent weniger Treibstoff. Die Mehrkosten sollen in etwa zehn bis zwölf Jahren drin sein.

 ?? FOTO: ULRICH WEIGEL ?? Die Firma „Komm mit“hat ihre ersten zwei Hybrid-Busse angeschaff­t, die die Euro-6-Norm erfüllen – nach Hersteller-Angaben werde der Schadstoff-Ausstoß sogar deutlich unterschri­tten. Einen der Busse stellte Geschäftsf­ührer Herbert Morent (rechts) jetzt dem Oberallgäu­er Landrat Anton Klotz bei einem Halt am Landratsam­t vor.
FOTO: ULRICH WEIGEL Die Firma „Komm mit“hat ihre ersten zwei Hybrid-Busse angeschaff­t, die die Euro-6-Norm erfüllen – nach Hersteller-Angaben werde der Schadstoff-Ausstoß sogar deutlich unterschri­tten. Einen der Busse stellte Geschäftsf­ührer Herbert Morent (rechts) jetzt dem Oberallgäu­er Landrat Anton Klotz bei einem Halt am Landratsam­t vor.

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