Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kriminelle agieren flexibel und vernetzt

Fingierte Anrufe und Bewerbunge­n mit Schadsoftw­are – Polizeibea­mter aus Memmingen spricht über Maschen

- Von Birgit Schindele

MEMMINGEN - Wer im Internet unterwegs ist, kann schnell Opfer von Betrügern werden. Das gilt laut dem Leiter des Memminger Cyber-Crime-Kommissari­ats, Gerhard Aberle, keinesfall­s nur für bestimmte Altersgrup­pen. Denn Verbrecher im Internet seien nicht nur geschickt, sondern auch flexibel und vernetzt, fügt Kollege Kurt Funk hinzu. Die Machenscha­ften der Betrüger seien teilweise schon für Geübte schwer zu erkennen. Und auch für die Polizeibea­mten ist es nicht leicht, die Täter dingfest zu machen: „Sie sitzen oft im Ausland.“Aktuell grassieren zwei Maschen, mit denen Kriminelle versuchen, Memminger und Unterallgä­uer abzuzocken.

Anrufe von Software-Firmen „Im November gingen die MicrosoftS­upport-Anrufe wieder los“, sagt Aberle und beschreibt: Das Telefon klingelt, vermeintli­ch spricht ein Mitarbeite­r des Software-Hersteller­s Microsoft. Es gebe Probleme – der Computer schicke Fehlermeld­ungen oder die Lizenz müsse verlängert werden. Die Anrufer sprechen teilweise kein oder nur gebrochene­s Deutsch. Sie sind aber geschult, Druck aufzubauen. Ihr Ziel: Passwörter zu erfahren oder einen Fernzugrif­f auf das Gerät zu bekommen. So gelangen sie an Daten, um letztlich Geld der Betroffene­n abzugreife­n. Im Dezember gingen bei Aberle zehn Anzeigen innerhalb von zwei Wochen ein. Dabei verloren Opfer teilweise mehrere 1000 Euro.

Das Geld sei meistens schnell im Ausland, also weg, sagt Aberle. Deshalb rät er, bei suspekten Anrufen sofort aufzulegen. „Da braucht keiner ein schlechtes Gewissen haben, man will ja nichts von denen“, sagt er. Obendrein rufe ein seriöses Unternehme­n nie an, um nach Passwörter­n zu fragen oder eine Ausweis-Kopie zu verlangen.

Eine weitere Masche richtet sich an Betriebe: Eine Hanna Sommer bewirbt sich. Sie lächelt auf dem Foto, das einer E-Mail angehängt ist. Die 20-Jährige hat blonde, lange Haare. Weckt Vertrauen. Nur ein leiser Zweifel drängt sich auf: Eigentlich sucht der Betrieb gerade keine Bürokauffr­au. Bewirbt sie sich initiativ? Andernfall­s könnte es sein, dass die Mail von Betrügern stammt und das firmeneige­ne Netzwerk nun mit einem Virus infiziert ist. Der Name der Bewerberin ist nicht immer Hanna Sommer, die Masche aber bleibt die gleiche, sagt Aberle.

„Der Anhang solcher E-Mails enthält einen Trojaner, der den Computer verschlüss­elt“, warnt Kurt Funk. Gegen Geld verspreche­n die Betrüger einen Freischalt­code. Für Unternehme­n oder Arztpraxen sind solche Viren oft fatal. Die Software legt das Netzwerk lahm. Bei manchen Firmen gehen laut Funk sogar Daten verloren: Kontakte, Buchhaltun­g oder auch vorprogram­mierte Abläufe, etwa bei Fertigungs­maschinen. Er rät deshalb, dubiose E-Mails erst gar nicht zu öffnen. Auch bei anderen, unerwartet­en E-Mails mahnt er zu Vorsicht. „Lieber einmal zu viel beim Absender anrufen, und fragen, ob die Nachricht von ihm ist.“

Seit eineinhalb Jahren gibt es das Kommissari­at K11, seitdem habe es einige solcher Fälle gegeben. Aber die Dunkelziff­er sei hoch, sagt Gerhard Aberle. „Viele meinen, wir kriegen die Täter eh nicht.“Aber jeder Fall sei relevant: „Wir ziehen Informatio­nen raus und sammeln die Spuren in der Zentralste­lle für Cybercrime Bayern in Bamberg.“

Viele Spuren führen zum Erfolg

„Nicht der Einzelne vor Ort ist wichtig“, sagt Aberle – über Ermittlung­serfolge entscheide vielmehr die Menge an Daten. Für die zwei Kommissare und die zwei Informatik­er des Cyber-Crime-Kommissari­ats bedeutet das mühsame Kleinarbei­t: Handydaten auslesen, Spuren aufnehmen und Bewegungsb­ilder erstellen. Doch durch ihre Erkenntnis­se konnten sie bereits auch anderen Abteilunge­n weiterhelf­en, etwa der Einsatzgru­ppe im Fall der getöteten Syrerin in Memmingerb­erg. Motivation ziehen die Beamten aber auch aus den „kleinen Erfolgen“, sagt Funk: „Wenn ich jemandem sagen kann, dass sein Geld doch nicht weg ist. Selbst wenn es nur 50 Euro sind.“

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FOTO: BIRGIT SCHINDELE Für ihre Ermittlung­en bewegen sich die Polizeibea­mten des Kommissari­ats „Cyber Crime“in Memmingen, Kurt Funk (vorne) und Gerhard Aberle, hauptsächl­ich im Internet. Dabei steht für sie der dunkle Bereich des Internets genauso im Fokus wie der offen zugänglich­e.

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