Turmfalke vor Hungertod gerettet
Greifvögel haben es derzeit schwer, Beute zu finden – Fundvogel „Flocke“hatte aber Glück
RÖTHENBACH - Völlig entkräftet ist der Turmfalke an der Röthenbacher Grundschule gesessen. Bei den Schneemassen hatte er es schwer, Nahrung zu finden. Sein Glück: Ein Tierfreund hat ihn gefunden und wusste, wohin mit dem Greifvogel. Er brachte ihn zu Sibylle Riether. Die Röthenbacherin hat schon öfter entkräftete Vögel aufgepäppelt. Gelernt hat sie das bei Willi Pilz. Der im Vorjahr verstorbene Naturschützer war Experte auf diesem Gebiet, seine Fachkenntnis ist im ganzen Westallgäu gefragt. Allerdings kann es heikel werden, ein verletztes Wildtier aufzusammeln.
Wildtiere mitnehmen ist Wilderei
Den Umgang mit Greifvögeln beherrscht nicht jeder. Zum einen geht es darum, dem Tier nicht zu schaden. Zum anderen haben Greifvögel scharfe Schnäbel und Krallen, die sie nicht nur zum Beutefang einsetzen. Um den Turmfalken gefahrlos einzufangen, nutzte der Finder seine Jacke. Er warf sie laut Riether über das Tier, konnte es so sanft aufnehmen und in Sicherheit bringen. Der Mann fragte sich jedoch auch, ob er sich bei der Aktion nicht strafbar machte. Das ist nicht ganz unbegründet, sagt Norbert Hillenbrand, derzeit das einzige aktive Mitglied des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) im Landkreis: „Wer Wildtiere einfach so mitnimmt, kann sich der Wilderei schuldig machen.“Das bestätigt LandratsamtSprecherin Sibylle Ehreiser. „Zur Gesundpflege darf man Wildtiere aber aufnehmen, wenn man sie nach ihrer Genesung wieder freilässt“, sagt sie. Allerdings gibt es eine Einschränkung bei Tieren, die dem Jagdrecht unterliegen – beispielsweise Enten oder eben Greifvögel. Für sie ist laut Ehreiser der Jagdpächter zuständig und der müsse sein Einverständnis geben, wenn jemand ein hilfsbedürftiges Tier selber pflegen will.
Jagdpächter oder Tierschutzverein seien auch gute Ansprechpartner, weiß man selber bei einem verletzten Tier nicht weiter. Sie kennen laut Ehreiser in der Regel Ansprechpartner, an die man sich wenden kann. Eine Stelle, die verletzte Wildtiere aufnimmt, gebe es im Landkreis nicht.
Sibylle Riether nimmt verletzte Greifvögel nur im Notfall auf – und wenn sie es sich zutraut. Der Röthenbacher Turmfalke – sein Finder taufte ihn Flocke – kam glimpflich davon. „Er ist nicht verletzt und kann fliegen. Aber er hatte einfach keine Kraft mehr“, erzählt Riether. Die 48-Jährige füttert Flocke nun mit Hühnerherzen und Rindersteaks, wie sie es von Willi Pilz gelernt hat. Sobald der Greifvogel wieder fit ist, lässt sie ihn am Bodensee frei. Hier ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass er alleine Futter findet.
Das denkt auch Norbert Hillenbrand. „Greifvögel wandern ab. Sie ziehen im Winter in Gebiete, in denen weniger Schnee liegt“, erklärt er. Deswegen finden sich auch entlang der Autobahn Memmingen-München derzeit viele Bussarde: „Hier kommen sie eher an Kleinsäuger ran.“
Vogelfüttern im Winter sinnvoll
Bei viel Schnee tun sich aber nicht nur Greifvögel mit der Nahrungssuche schwer. Sibylle Riether rät dazu, dieser Tage die Augen offen zu halten. „Jeder kann helfen“, sagt sie. Findlinge retten sei ein Weg. Ein anderer: Das Vogelhäuschen füllen. Die ganzjährige Vogelfütterung ist laut Hillenbrand zwar umstritten, die Winterfütterung befürwortet aber auch der LBV. „Gerade bei uns ist ein Problem, dass es kaum mehr Futtersträucher gibt“, bemängelt Hillenbrand. Ebereschen etwa werden immer seltener, von Hausbesitzern seien sie zunehmend unerwünscht, weil sie viel Dreck verursachen. Mit handelsüblichem Vogelfutter, das reich an Körnern und Fett ist, sei den Vögeln derzeit gut geholfen.
Andere Tiere zu füttern ist aber keine gute Idee. Damit werden etwa Fuchs oder Dachs in Wohngebiete gelockt und könnten dort Schaden anrichten. Riether und Hillenbrand raten, den Wildtieren generell ihre Ruhe zu lassen. Sie sind an Winterwetter angepasst und fahren ihren Stoffwechsel entsprechend zurück.
Rehe zum Beispiel können ihre Körpertemperatur bis auf die Hälfte ihrer normalen Temperatur abkühlen, um Ressourcen zu sparen. Sie lassen sich auch gelegentlich einschneien. Die Schneedecke isoliert und bietet Schutz vor Wind. Werden die Tiere allerdings aufgeschreckt, verbrauchen sie schlagartig jede Menge Energie – schlimmstenfalls zu viel, um den Winter unbeschadet zu überstehen.