Wohl kein Urteil im Loveparade-Prozess
Landgericht Duisburg spricht sich für Einstellung des Verfahrens aus
DÜSSELDORF (dpa) - Das dürfte bitter für viele der überlebenden Opfer und Angehörigen der Toten sein: Der Loveparade-Prozess wird möglicherweise bald ohne Urteil eingestellt. Das hat Mario Plein, Vorsitzender Richter am Landgericht Duisburg, den Prozessbeteiligten am Mittwoch vorgeschlagen – nach mehr als einem Jahr Prozessdauer. Eine Entscheidung wird allerdings erst in einigen Wochen erwartet.
Damit könnte sich bestätigen, was seit Wochen als wahrscheinlichste Variante diskutiert wird. Aber die Sache ist noch nicht vom Tisch. Staatsanwaltschaft und Verteidiger müssen der Einstellung zustimmen. Und die Staatsanwaltschaft hat sich am Mittwoch bereits positioniert, berichten mehrere Verteidiger: Ohne Geldauflagen für die Angeklagten werde dies nicht der Fall sein.
Das Gericht sieht dagegen laut Teilnehmern des sogenannten Rechtsgeprächs nur bei drei der zehn Angeklagten eine sich abzeichnende Mitschuld an der Katastrophe, die eine Geldauflage rechtfertigt. Bei ihnen handelt es sich um damalige Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent. Das bedeutet im Umkehrschluss: Alle städtischen Mitarbeiter kämen ohne Auflagen davon. Darin liegt das Potenzial, an der die Einstellung scheitern könnte.
Einen anderen Fallstrick, die millionenschweren Prozesskosten, hat das Gericht bereits zu entschärfen versucht: Sie sollen dem Vernehmen nach der Staatskasse aufgebürdet werden. Die Kosten bewegen sich in Millionenhöhe und hätten das Zeug, die Angeklagten wirtschaftlich zu ruinieren.
Eine auch nur teilweise Übernahme der Beträge für Opferanwälte, Saalmiete oder Gutachten wäre eine echte Hürde, zumal viele Verteidiger ihre Mandanten durch die bisherige Beweisaufnahme eher ent- als belastet sehen.
Folglich kämpfen die Verteidiger für eine Einstellung ohne Geldauflage und ohne Prozesskostenübernahme. „Die Zustimmung zur Einstellung ist der Verzicht auf den Freispruch“, sagte einer von ihnen.
Dass der Prozess damit ausgehen dürfte wie das Hornberger Schießen und der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln sein wird, sieht Verteidiger Gerd-Ulrich Kapteina dagegen nicht: „Das Verfahren hat einen enormen Erkenntnisgewinn gebracht, den wir überhaupt nicht erwartet hätten. Damit kann das Veranstaltungsrecht reformiert werden, so dass sich Derartiges nicht wiederholt.“
Bei der Loveparade-Katastrophe waren 21 Menschen getötet und 652 verletzt worden. Am einzigen Zuund Abgang zum Veranstaltungsgelände kam es im Juli 2010 zu einem tödlichen Gedränge. Vor Gericht müssen sich zehn Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verantworten. Sechs von ihnen waren Mitarbeiter der Stadt und vier vom Veranstalter Lopavent.
Sollte die Zustimmung zur Einstellung verweigert werden, hat Richter Plein angedeutet, was den Beteiligten andernfalls bevorsteht: Bis zu 575 Zeugen wären noch zu vernehmen. 58 sind es bisher gewesen. Damit dürfte dem Letzten klar werden, dass dem Prozess ohnehin die Einstellung droht: nämlich wegen Verjährung am 27. Juli 2020.
Dabei hat sich im Prozess bislang etwas abgespielt, was viele Beteiligte anfangs nicht für möglich gehalten hatten: Die Beweisaufnahme ist binnen der 13 Monate erstaunlich weit fortgeschritten, die wichtigsten Zeugen sind vernommen, acht Sachverständige wurden gehört. Möglich war dies, weil die Verteidiger bislang konstruktiv mitarbeiten.
Keine große Empörung
Ebenfalls erstaunlich: Die erwartete Empörung aus den Reihen der Opferanwälte fiel am Mittwoch sehr leise aus. Erstaunlich zahm zeigte sich Nebenklage-Vertreter Julius Reiter: „Wir wissen, wie schwer es ist, die strafrechtliche Verantwortung eines Einzelnen zu bestimmen und zu sühnen. Für uns geht es nun darum, mit dem Einstellungsbeschluss die Grundlage zu schaffen für Schadenersatzansprüche.“
Opferanwältin Arabella Pooth betonte, dass der Prozess auch für die Angehörigen sehr belastend ist. Ihr Mandant sei einer Einstellung daher gar nicht abgeneigt. Es gebe aber auch die anderen Stimmen aus der Reihe der Nebenkläger, die fordern, dass das Verfahren unbedingt zu Ende gebracht werden müsse.
Aus Spanien war am Mittwoch eigens Paco Zapater nach Düsseldorf gereist. Er hatte 2010 seine Tochter Clara verloren. In einem Interview von ZDF und Süddeutscher Zeitung äußerte er Unverständnis über die Entwicklung. Er sei zwei Mal enttäuscht worden – einmal vom Sicherheitssystem der Loveparade und jetzt vom Rechtssystem.