Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Strippenzi­eher von Memmingen

Im Marionette­n-Theater in Memmingen haben die Ehrenamtli­chen viel zu tun

- Von Birgit Schindele

MEMMINGEN - Mephisto geht es an den Kragen – und zwar dem Exemplar des Memminger Marionette­ntheaters. Leiter Marc Wiche zerlegt die Puppe in ihre Einzelteil­e: HolzSkelet­t, Spielerkre­uz, Kopf und Kleidung. „Er ist kleiner als Faust“, sagt der 39-Jährige. Das muss er ändern, denn im Frühjahr spielen die Ehrenamtli­chen des Vereins das gleichnami­ge Stück für Erwachsene. Der Hauptdarst­eller hat dafür schon einen neuen Kopf bekommen.

„Die Arbeit geht nicht aus“, sagt Wiche. Im vergangene­n Jahr gaben er und sein achtköpfig­es Team 25 gut besuchte Vorstellun­gen auf der neuen, festen Bühne am Schweizerb­erg. Dennoch deckt der Betrieb lediglich die laufenden Kosten, etwa für Miete und Strom.

Gewinn erzielt das Theater noch nicht – trotzdem zeigt sich Wiche zuversicht­lich: „Es hätte auch ganz anders laufen können.“Denkt er an die maroden Böden und die rostigen Rohre in der ehemaligen Gaststätte „Maustuben“– nun Heimstatt der Marionette­n – zurück, fragt er sich selbst manchmal, weshalb er nicht einfach aufgegeben hat. „Das Puppenspie­l ist meine Leidenscha­ft“, sagt er mit fester Stimme. Diese alte Tradition möchte er bewahren. Allein deshalb habe sich die Mühe gelohnt. Obendrein komme die Bühne bei Kindern gut an. Viele Vorstellun­gen seien ausverkauf­t. Auch Erwachsene fragten inzwischen nach Stücken. „Damit hätte ich absolut nicht gerechnet.“

Emil Kadlez und Charly Pagany tüfteln daher schon fleißig an einem neuen Werk. Dessen Arbeitstit­el: Memminger Geschichte­n. „Es spielt am Stammtisch und spiegelt die Eigenheite­n der Memminger“, verrät Wiche. Einen ersten Auszug sehen Besucher bei der „Langen Nacht der Kultur“am 13. Juli.

Bis dahin werden auch für weitere Stücke Köpfe modelliert, Gesichter frisch bemalt und es wird am Bühnenbild geschraubt – etwa an den Kulissen für „Faust“.

Effekte werden aufgemalt

Dazu gehört ein kleiner, dunkelbrau­ner Tisch, auf dem goldene Kerzenstän­der festgeschr­aubt sind. Er steht vor einem grauen Gewölbe, zusammenge­setzt aus Holz und Dämmstoff. „Es ist zu wuchtig“, sagt Wiche. Um die Marionette­n besser tanzen zu lassen, modifizier­t er das Bühnenbild. Es wird schmaler. Dazu verwendet er dünne Holzplatte­n und Farbe. „Die Tiefe ist aufgemalt“, erklärt er. Die Kulissen wirken für den Zuschauer dreidimens­ional, sind es aber nicht.

Nach den Vorstellun­gen dürfen Besucher hinter die Kulissen blicken. „Die Kinder schauen ganz genau hin“, sagt Wiche. Eines beschwerte sich, dass in dem Buch, aus dem die Prinzessin dem Froschköni­g vorlas, kein Text stand. Deshalb rücken solche Details immer mehr in den Fokus. Im fliegenden Kochbuch steht, was die Hexe aus „Hänsel und Gretel“braucht, um Lebkuchen zu backen: 62,5 Gramm Pottasche, sechs Eier – und ein Kind mittlerer Größe. Für Essens-Szenen fertigte Bärbel Bohn silberne Teller mit winzigen Erbsen, Knödeln und Rinderbrat­enscheiben aus Fimo.

„Es wächst und wächst“, sagt Wiche. Zehn neue Puppen wurden im vergangene­n Jahr neu modelliert, Szenen und Kulissen passend für die Bühne überarbeit­et. Der Plan, welche Stücke gespielt werden, ist schon bis Ende 2019 im Kalender eingetrage­n. Das muss auch so sein, denn alle Mitglieder arbeiten wochentags. Das Puppenspie­l wird in der Freizeit gestemmt – nicht nur die Spieltage, auch die Proben. „Das alles mit Urlaub und Krankheit zu koordinier­en, ist schon schwierig“, sagt er.

Das Theater sieht Marc Wiche wie einen eigenen Betrieb. Um das marode Gebäude in eine Bühne zu verwandeln, hat er privat einen Kredit aufgenomme­n. Den tilgt der Einzelhand­elskaufman­n nun mit einem Nebenjob. Das Theater bekommt bisher keine Zuschüsse. Die Bühne brauche Sponsoren, sagt Wiche. Deshalb soll der Verein nun gemeinnütz­ig werden. Der Antrag läuft.

Eines aber schwebt noch wie ein Damoklessc­hwert über dem 39-Jährigen: der Mietvertra­g. „Er läuft nur bis zum Jahresende.“

Vorstellun­gen: Das Stück „Hänsel und Gretel“ist an den Sonntagen 27. Januar sowie 10. und 24. Februar jeweils ab 15 Uhr zu sehen. Karten kosten 8,70 Euro. Ab März wird „Der Froschköni­g“gezeigt. Premiere ist am 17. März.

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FOTOS: BIRGIT SCHINDELE Es gibt immer viel zu tun im Memminger Marionette­ntheater: Leiter Marc Wiche malt die Hexe aus Hänsel und Gretel an (links). Auf dem anderen Foto zerlegt er gerade eine Mephisto-Marionette. Sie spielt in einem Stück für Erwachsene eine Hauptrolle.
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