Streit um Gehälter bei Stiftung Liebenau
Mitarbeiter sprechen von „Lohndumping “– Lucha setzt sich für Angestellte ein
STUTTGART - Die Stiftung Liebenau zahlt rund 750 Mitarbeiter anders als andere kirchliche Angestellte. Die Betroffenen protestieren, sprechen von „Lohndumping“. Nun hat sich Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) in den Konflikt eingeschaltet. Er stellt sich hinter die Mitarbeiter. Der Konflikt ist brisant, handelt es sich bei der Stiftung Liebenau mit Sitz in Meckenbeuren (Bodenseekreis) doch um einen der größten Träger von Pflegeheimen und anderen sozialen Einrichtungen im Südwesten.
Lucha hat zwei Briefe in der Sache geschrieben, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegen. Einen an Bischof Gebhard Fürst, den obersten katholischen Dienstherren in der Diözese, den anderen an den Liebenau-Vorstand Berthold Broll. Darin schreibt der Minister: „,In unserer Mitte – der Mensch’. Dieses Motto der Stiftung Liebenau (...) muss auch für die Menschen gelten, die tagtäglich daran arbeiten, dem Motto gerecht zu werden. Ich bitte Sie daher, die (...) dauerhafte Abkoppelung der Liebenau Leben im Alter gGmbH vom kirchlichen Arbeitsrecht nochmals zu überdenken.“
Konflikt schwelt seit Jahren
Der Konflikt zwischen Vorstand, Kirchenführung und Mitarbeitern um die Löhne schwelt seit Anfang der 2000er-Jahre. In einem Rechtsstreit zwischen der Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Stiftung Liebenau siegte 2010 die Diözese. Damals erklärten die Richter: Die Stiftung steht unter Aufsicht des Bischofs von Rottenburg-Stuttgart.
2004 und 2005 hatte die Stiftung drei Töchter gegründet. Sie betreiben vor allem Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen. Auch für diese Töchter galt bis Herbst 2018 laut Satzung die so genannte kirchliche Grundordnung. Doch bei der Bezahlung scherten die Töchter aus. Sie halten sich nicht an die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR), nach der andere katholische Träger ihre Angestellten entlohnen.
Das Ergebnis dieser Entwicklung: Etwa 750 Angestellten bekommen nach Angaben der Mitarbeitervertreter seit Jahren erheblich weniger Geld als andere Pflege- und Hilfskräfte in Einrichtungen der katholischen Caritas. Die AVR orientiert sich an den Tarifabschlüssen für staatliche Einrichtungen, also am TVöD. „Pflegefachkräfte erhalten im Schnitt 80 Euro weniger zum Teil bis zu 260 Euro“, sagt Mitarbeitervertreter Peter Brauchle.
Noch gravierender seien die Unterschiede bei Angestellten, die keine Ausbildung haben – dort betrage die Differenz bis zu 300 Euro zum TVöD-Gehalt. Darüber hinaus gelte eine 40- statt einer 39-Stunden-Woche, Nacht- und Wochenendzuschläge seien um ein Drittel niedriger. „Die Stiftung verschafft sich Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen kirchlichen und öffentlichen Trägern, und das auf dem Rücken der Mitarbeiter“, so Brauchle.
Die Stiftung verteidigt das Vorgehen: Es sichere Arbeitsplätze. Ihr bereite die Altersvorsorge Probleme, die die Kirchenregeln vorsehen. Sie werde vor allem vom Arbeitgeber gezahlt, komme den Mitarbeitern im Alter aber kaum zu Gute.
Die Stiftung hat 7600 Angestellten in sechs europäischen Ländern. Davon bekommen laut Stiftung in Deutschland 3600 Gehälter, die sich an den Richtlinien von Kirche und Caritas orientieren. Auch jene 750 Angestellten, für die die Regeln nicht gelten, bekämen mehr als 3000 Euro brutto im Monat. Das liege im oberen Drittel des Branchenüblichen.
Der Konflikt eskaliert nun, weil der Status Quo der Stiftungs-Töchter seit dem 1. Januar zementiert scheint. Jahrelang hatte der Bischof der Stiftung Liebenau ausnahmsweise erlaubt, aus dem Caritas-Verbund auszuscheren. Doch diese Genehmigung lief zum Jahresende aus. Bis Herbst 2018 gab es keine Einigung zwischen Stiftung und Mitarbeitern. Der Liebenau-Vorstand entschied, die Töchter ab 1. Januar 2019 ganz aus der Kirchenordnung zu nehmen.
Diözese steht hinter Mitarbeitern
Diese Entscheidung genehmigte der Bischof, allerdings wohl mit Magenschmerzen. Inhaltlich ist die Diözese auf Seiten der Mitarbeiter und auf Linie Luchas: Die Liebenau soll die kirchlichen Regeln anwenden und nach Tarif zahlen. Generalvikar Clemens Stroppel will Luchas Brief Ende der Woche beantworten. Er appelliere laut einer Sprecherin außerdem erneut an die Stiftung Liebenau, sich den Caritas-Regeln wieder zu unterwerfen. Doch mehr könne die Diözese nicht tun. Der Bischof hat zwar die Aufsicht über die Stiftung. Doch er sieht sich durch ein kirchenrechtliches Urteil aus dem Jahr 2009 gebunden. Dieses erlaube es einzelnen Trägern durchaus, die Grundordnung nicht anzuwenden.
Die Mitarbeitervertreter lassen das Argument nicht gelten. „Es würde dem Vorstand der Stiftung Liebenau sehr schwer fallen, eine ausdrückliche Bitte des Bischofs zu ignorieren“, sagt Brauchle. Eine solche gab es bislang nicht.
Der Fall ist auch deswegen brisant, weil die Stiftung Liebenau einer der größten Träger sozialer Einrichtungen im Land ist. Wenn die katholische Kirche die Liebenau-Töchter aus dem geltenden Tarifgefüge entlässt, könnte das bundesweit Signalwirkung haben. Dabei bemüht man sich deutschlandweit gerade um flächendeckende Tarife für Pflegekräfte. Derzeit arbeiten laut der Gewerkschaft Verdi ungefähr die Hälfte aller Pflegekräfte ohne Tarifverträge.
Einen solchen will der LiebenauVorstand mit den betroffenen Angestellten aushandeln. Das Vorgehen werde man dem Minister Lucha gerne in einem Gespräch erläutern.