Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kamala Harris setzt auf die Wähler der Mitte

54-jährige Senatorin will gegen Trump antreten – Als Ministerin in Kalifornie­n stand sie für eine harte Justiz

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Die US-Demokraten ticken derzeit dezidiert links. Doch ins parteiinte­rne Rennen um die nächste Präsidents­chaftskand­idatur steigt nun eine Frau ein, die sich deutlich anders positionie­rt.

Man könne Menschen nicht in Schubladen sortieren, sagte Kamala Harris, als sie skizzierte, mit welchem Leitfaden sie in den Präsidents­chaftswahl­kampf 2020 zu ziehen gedenkt. Niemand lebe ein Leben, in dem sich alles nur um ein Thema drehe, „das man allein durch die Linse eines einzigen Themas betrachten kann“. Was die Leute wollten, seien Politiker, die der Komplexitä­t jedes einzelnen Lebens gerecht würden.

Es sind Sätze, mit denen die Senatorin aus Kalifornie­n ihren Platz zu finden versucht in einem Kandidaten­feld, das von Woche zu Woche größer wird. Die Demokraten brennen darauf, Donald Trump schon nach vier und nicht erst nach acht Jahren im Amt abzulösen. Die im Protest gegen Trump nach links gerückte Parteibasi­s – besonders an den Küsten – verlangt die größtmögli­che Abgrenzung vom Programm des Nationalis­ten im Oval Office. Harris dagegen steuert die Mitte an, sie betont das Facettenre­iche, auch in der Politik. Was freilich nichts daran ändert, dass sie ansonsten in jeder Beziehung das Kontrastpr­ogramm zum Präsidente­n der USA ist. Eine Frau mit dunkler Haut, die Tochter von Migranten, deren Biografie ein wenig an den Weltbürger Barack Obama erinnert.

Ihr Vater Donald Harris, Ökonomiepr­ofessor an der Stanford University, stammt aus Jamaika. Ihre Mutter Shyamala Gopalan, eine auf Brustkrebs spezialisi­erte Ärztin, wurde in Indien geboren. Der Name Kamala stammt aus dem Sanskrit und bedeutet Lotusblüte. Als Kind besuchte Kamala Harris Gottesdien­ste sowohl in einem Hindutempe­l als auch in einer schwarzen Baptistenk­irche. Auf die High School ging sie im kanadische­n Montreal, wo ihre Mutter eine Zeit lang lehrte. Und Oakland, die Stadt an der Bucht von San Francisco, in der sie aufwuchs, war so etwas wie ein Synonym für die aufgewühlt­e Stimmung der Sechzigerj­ahre, eine Hochburg rebellisch­er Studenten wie auch der Black-Panther-Bewegung.

Haft für Eltern von Schulschwä­nzern

Bei den Demokraten hat sie sich gleichwohl des Rufs zu erwehren, wie eine stramme Konservati­ve für „law and order“zu stehen. Von 2004 bis 2010 war sie Bezirkssta­atsanwälti­n von San Francisco, danach wurde sie zur Justizmini­sterin Kalifornie­ns gewählt. Im Umgang mit Kriminalit­ät setzte Harris auf Härte, beispielsw­eise kämpfte sie für ein Gesetz, nach dessen Paragrafen die Eltern chronische­r Schulschwä­nzer mit bis zu zwölf Monaten Gefängnis bestraft werden konnten. Die Todesstraf­e verteidigt­e sie auch dann noch, als ein kalifornis­cher Richter sie 2014 für verfassung­swidrig erklärte. Die Liberalisi­erung von Marihuana, heute bis weit hinein in die politische Mitte praktisch Konsens, lehnte sie ab. Wolle Harris Wähler, denen die Abkehr von massenhaft­er Inhaftieru­ng wie auch die Korrektur von Justizirrt­ümern am Herzen liege, auf ihre Seite ziehen, „muss sie radikal mit ihrer Vergangenh­eit brechen“, schrieb Lara Bazelon, eine Rechtsprof­essorin aus San Francisco, dieser Tage in einem Gastkommen­tar für die New York Times.

Wie Barack Obama, der Senkrechts­tarter der Wahl 2008, hat sich auch Harris nach nur zwei Jahren im Senat fürs Weiße Haus beworben. Und doch liegt der Fall anders. Als Obama antrat, rügten manche Parteigran­den, er hätte abwarten müssen, statt Hillary Clinton, der Gesetzten, die Kandidaten­krone streitig zu machen. Er war damals 45. Harris, 54, macht niemand zum Vorwurf, zu früh nach den Sternen zu greifen. Dann wäre da noch, ähnlich wie einst bei Obama, die Frage nach ihrer Identität. Wie sie die als Tochter von Einwandere­rn beschreibe­n würde, wurde sie neulich gefragt. Die Antwort: „Ich sehe mich als stolze Amerikaner­in.“

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FOTO: AFP Kamala Harris, Tochter einer Inderin und eines Jamaikaner­s, sieht sich als „ stolze Amerikaner­in“.

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