Halbherziger Kampf gegen Fake News
Es braucht nur wenige Klicks, dann sind Nachrichten über den Messengerdienst Whatsapp hundertfach verbreitet – auch solche, die nicht der Wahrheit entsprechen. Welche schlimmen Folgen das haben kann, zeigen Fälle brutaler Selbstjustiz im vergangenen Jahr in Indien. Dort wurden manipulierte Videos über angebliche Kindesentführungen und andere Verbrechen per Whatsapp verbreitet. Im Anschluss gingen aggressive Mobs auf die vermeintlichen Täter los. Mehr als 20 Menschen wurden getötet.
Daraufhin übte die indische Regierung massiven Druck auf Whatsapp aus, und das Facebook-Tochterunternehmen reagierte: Schon im vergangenen Jahr richtete es ein Limit für das Weiterleiten von Nachrichten ein. Anstatt an 20 Chatpart- ner können Inhalte seither nur noch an fünf Kontakte gleichzeitig weitergeleitet werden. Nach einer halbjährigen Testphase will Whatsapp diese Beschränkung jetzt weltweit einführen und damit die Verbreitung falscher Nachrichten, heute als Fake News bekannt, eindämmen.
Das passt, auffallend pünktlich, zu dem Versprechen von Facebook-Vize-Chefin Sharly Sandberg am Sonntag bei der Innovationskonferenz DLD in München, dass sich das Unternehmen bessern will. Facebook wurde in den vergangenen Monaten immer wieder heftig kritisiert, vor allem wegen der Weitergabe sensibler Daten von Facebook-Nutzern an die dubiose Analysefirma Cambridge Analytica und der gezielten Verbreitung von Fake News auf dieser Grundlage. Saskia Esken, Bundestagsabgeordnete (SPD) und Mitglied des Bundesausschusses Digitale Agenda sagt dazu auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“: „Facebook hat massivst Vertrauen verloren. Ich kann mir vorstellen, dass die neue Whatsapp-Regelung das Ziel verfolgt, Vertrauen wieder aufzubauen.“
An der Börse an Wert verloren
Dieses brauche das Unternehmen nicht nur wegen der zunehmenden öffentlichen Kritik, sondern auch, weil es an der Börse seit Sommer fast ein Drittel an Wert verloren hat, betont Eskens Ausschusskollege Dieter Janecek (Grüne).
Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die neue Regelung Whatsapps überhaupt im Kampf gegen Fake News hilft. „In manchen Situationen ja“, findet Dieter Janecek. Beim Amoklauf am Münchner Olympia-Einkaufszentrum 2016 hätten sich vor allem über MessengerDienste wie Whatsapp Falschmel- dungen in der ganzen Stadt verbreitet und zu Panik geführt. „Hier hätte eine Weiterleitungsbeschränkung vermutlich dämpfend gewirkt.“
Das bedeutet jedoch keine endgültige Lösung des Problems. Eine professionell organisierte WhatsappKampagne, wie jüngst bei der brasilianischen Präsidentschaftswahl, ließe sich durch eine solche Beschränkung nicht aufhalten. Professionelle Anbieter können zeitgleich tausende Nachrichten an Nutzer versenden, weitgehend frei von Einschränkungen. Wer im großen Stil Meinung manipulieren will, wie der rechtspopulistische brasilianische Präsident, kann das weiterhin tun.
Auch unter Privatpersonen funktioniert das Verbreiten von Falschmeldungen nach wie vor. Es dauert halt nur ein paar Klicks mehr, als bisher – und schon findet ein falsches Gerücht neue Leser.