Schwäbische Zeitung (Wangen)

Halbherzig­er Kampf gegen Fake News

- Von Helena Golz, Ravensburg

Es braucht nur wenige Klicks, dann sind Nachrichte­n über den Messengerd­ienst Whatsapp hundertfac­h verbreitet – auch solche, die nicht der Wahrheit entspreche­n. Welche schlimmen Folgen das haben kann, zeigen Fälle brutaler Selbstjust­iz im vergangene­n Jahr in Indien. Dort wurden manipulier­te Videos über angebliche Kindesentf­ührungen und andere Verbrechen per Whatsapp verbreitet. Im Anschluss gingen aggressive Mobs auf die vermeintli­chen Täter los. Mehr als 20 Menschen wurden getötet.

Daraufhin übte die indische Regierung massiven Druck auf Whatsapp aus, und das Facebook-Tochterunt­ernehmen reagierte: Schon im vergangene­n Jahr richtete es ein Limit für das Weiterleit­en von Nachrichte­n ein. Anstatt an 20 Chatpart- ner können Inhalte seither nur noch an fünf Kontakte gleichzeit­ig weitergele­itet werden. Nach einer halbjährig­en Testphase will Whatsapp diese Beschränku­ng jetzt weltweit einführen und damit die Verbreitun­g falscher Nachrichte­n, heute als Fake News bekannt, eindämmen.

Das passt, auffallend pünktlich, zu dem Verspreche­n von Facebook-Vize-Chefin Sharly Sandberg am Sonntag bei der Innovation­skonferenz DLD in München, dass sich das Unternehme­n bessern will. Facebook wurde in den vergangene­n Monaten immer wieder heftig kritisiert, vor allem wegen der Weitergabe sensibler Daten von Facebook-Nutzern an die dubiose Analysefir­ma Cambridge Analytica und der gezielten Verbreitun­g von Fake News auf dieser Grundlage. Saskia Esken, Bundestags­abgeordnet­e (SPD) und Mitglied des Bundesauss­chusses Digitale Agenda sagt dazu auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Facebook hat massivst Vertrauen verloren. Ich kann mir vorstellen, dass die neue Whatsapp-Regelung das Ziel verfolgt, Vertrauen wieder aufzubauen.“

An der Börse an Wert verloren

Dieses brauche das Unternehme­n nicht nur wegen der zunehmende­n öffentlich­en Kritik, sondern auch, weil es an der Börse seit Sommer fast ein Drittel an Wert verloren hat, betont Eskens Ausschussk­ollege Dieter Janecek (Grüne).

Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die neue Regelung Whatsapps überhaupt im Kampf gegen Fake News hilft. „In manchen Situatione­n ja“, findet Dieter Janecek. Beim Amoklauf am Münchner Olympia-Einkaufsze­ntrum 2016 hätten sich vor allem über MessengerD­ienste wie Whatsapp Falschmel- dungen in der ganzen Stadt verbreitet und zu Panik geführt. „Hier hätte eine Weiterleit­ungsbeschr­änkung vermutlich dämpfend gewirkt.“

Das bedeutet jedoch keine endgültige Lösung des Problems. Eine profession­ell organisier­te WhatsappKa­mpagne, wie jüngst bei der brasiliani­schen Präsidents­chaftswahl, ließe sich durch eine solche Beschränku­ng nicht aufhalten. Profession­elle Anbieter können zeitgleich tausende Nachrichte­n an Nutzer versenden, weitgehend frei von Einschränk­ungen. Wer im großen Stil Meinung manipulier­en will, wie der rechtspopu­listische brasiliani­sche Präsident, kann das weiterhin tun.

Auch unter Privatpers­onen funktionie­rt das Verbreiten von Falschmeld­ungen nach wie vor. Es dauert halt nur ein paar Klicks mehr, als bisher – und schon findet ein falsches Gerücht neue Leser.

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