Turbulenzen voraus
No-Deal–Brexit bereitet Fluggesellschaften Probleme – Auswirkungen auf Urlauber unklar
FRANKFURT - Ein harter Brexit könnte den Luftverkehr empfindlich treffen. Denn sowohl die Verkehrsrechte zwischen Großbritannien und der Europäischen Union wären betroffen als auch die Zulassungsrechte von Flugzeugen und Flugzeugteilen.
Im Extremfall würde nach einem Brexit ohne Vertrag nicht nur der Verkehr zwischen der EU und Großbritannien quasi unmöglich. Es wären auch Ferienflüge betroffen, die gar nicht aus Großbritannien, sondern vom Kontinent aus starten. Das Kernproblem: Den Luftverkehrs-Binnenmarkt in der EU dürfen nur die Fluggesellschaften nutzen, die mehrheitlich Eigentümern in der EU gehören.
Nach einem Austritt der Briten aus der EU wäre das bei den meisten britischen Fluggesellschaften nicht mehr der Fall. Nicht betroffen ist die dänische Regionalfluggesellschaft Sunair, die als Franchise-Partner von British Airways ab Friedrichshafen die innerdeutschen Routen nach Düsseldorf und Hamburg bedient. Als in Dänemark beheimatete Airline wird sie weiterhin uneingeschränkt nach den derzeitigen EU-Regularien fliegen.
Die meisten rein britischen Fluggesellschaften dürften dagegen nicht mehr Flughäfen in der EU ansteuern und auch nicht zwischen zwei Flughäfen innerhalb der EU unterwegs sein. So schlimm dürfte es nicht kommen. Denn die EU-Kommission hat den Briten angeboten, sich im Falle eines „No Deal“auf eine Übergangslösung zu einigen.
In diesen Notfallplänen sei aber nur von Basis-Verbindungen die Rede, sagt Isabelle Buscke, Leiterin des Brüsseler Büros des Verbraucherzentrale Bundesverbands. Außerdem haben die Briten bisher offiziell einer solchen Lösung noch nicht zugestimmt, die wahrscheinlich bis Ende März 2020 gelten soll. Damit würden aber zumindest Flüge zwischen dem Kontinent und dem Vereinigten Königreich gesichert.
Zwangsverkäufe von Aktien
Ein anderes Problem trifft die Fluggesellschaften, die mehrheitlich in der Hand von Nicht-EU-Aktionären sind und die vor allem innerhalb der EU fliegen wollen. Da ist als erste die spa- nische Iberia zu nennen, die zusammen mit British Airways zum britisch-spanischen IAG-Konzern gehört. Doch besteht Iberia darauf, dass sie eine spanische Fluggesellschaft sei. Denn bei der Gründung der IAG sei sie zwar wirtschaftlich zu 100 Prozent auf die IAG übergegangen. Doch die politischen Rechte gehörten dem IAG-Konzern nur zu 49,9 Prozent. Die EU verlangt eine EU-Mehrheit von 50 Prozent plus einer Aktie.
Von diesem Grundsatz will die EU nicht abgehen, deshalb haben einige Fluggesellschaften schon weitgehende Pläne. Der Billigflieger Eaysjet etwa ist aktuell nur zu 49 Prozent in der Hand von Anteilseignern aus dem europäischen Wirtschafts- raum – ohne Großbritannien. Damit aus den 49 mehr als 50 Prozent werden, will der Billigflieger die Stimmrechte britischer Eigner aussetzen oder die Aktionäre sogar zum Verkauf an EU-Eigentümer zwingen. Zuvor hatte Easyjet schon eine Tochtergesellschaft in Österreich gegründet, auf die die Briten 130 der 318 Airbus-Flugzeuge übertragen hatten, die Lizenzen der Besatzungen sollen auch auf diese Gesellschaft transferiert werden. Über einen Ausschluss der britischen Aktionäre denkt auch Konkurrent Ryanair nach. Der Billigflieger ist zwar in Irland, also der EU angesiedelt, allerdings mehrheitlich in der Hand britischer Anteilseigner.
Das gilt auch für Tuifly, Tochter des TUI-Konzerns als auch für Condor, Tochter des britischen ThomasCook-Konzerns. So könnten also bei einer harten Haltung der EU die Flugzeuge dieser Ferienflieger auch nicht von deutschem Boden starten. Doch die Fluggesellschaften beruhigen: „Wir fliegen“, sagt ein Sprecher von Tuifly. Kunden sollten sich keine Sorgen machen, dass sie ihren Osteroder Sommerurlaub nicht wahrnehmen könnten. Man habe diverse Pläne „in der Schublade“– je nach Ausgang des „Tauziehens“um den Brexit. Wie diese aussehen, das war nicht zu erfahren. Auch ein Sprecher von Condor gibt sich zuversichtlich, die Kunden unabhängig von einer Austrittsvereinbarung in diesem Sommer in den Urlaub zu fliegen: „Darüber hinaus stehen wir in engem Dialog mit den zuständigen Behörden in Europa, um sicherzustellen, dass sich unsere Pläne auch bei einem No-Deal-Szenario umsetzen lassen“, versichert er.
Doch auch die Flugzeughersteller bangen. Die Zulassung der Flugzeuge und deren Teilen liegt in der Hand der europäischen Agentur EASA, bei der Großbritannien noch Mitglied ist – bis zum Brexit. Danach wäre dann auch fraglich, wie es um die Zulassung der Flugzeuge steht, die britischen Leasinggebern gehören. Und auch Airbus sorgt sich: Denn die Flügel der Flugzeuge werden zum großen Teil in Großbritannien gefertigt. Diese wären nach einem Brexit nicht mehr in der EU zugelassen. Das Gemeinschaftsunternehmen stockt jetzt vorübergehend seine Lager auf.