Schwäbische Zeitung (Wangen)

Dortmunder „Tatort“wegen Klischees in der Kritik

Oberbürger­meister sieht Ruhrgebiet verunglimp­ft

- Von Yuriko Wahl-Immel

DORTMUND (dpa) - Der jüngste „Tatort“kam aus Dortmund, heißt „Zorn“– und hat den dortigen Oberbürger­meister wütend gemacht. Ein Brief von Ullrich Sierau (SPD) an den WDR-Intendante­n Tom Buhrow schlägt hohe Wellen. Der OB bemängelt in gereiztem Tonfall: Seine Stadt, das Ruhrgebiet und die Bewohner seien durch die klischeeha­fte Darstellun­g lächerlich gemacht worden.

Rund 9,2 Millionen Zuschauer sahen vergangene­n Sonntag zur besten Sendezeit ab 20.15 Uhr im Ersten den jüngsten Fall der Reihe. Vor grauen Industrie-Kulissen ermitteln Peter Faber (Jörg Hartmann) und Martina Bönisch (Anna Schudt) im Fall des Mordes an einem ehemaligen Bergmann. Die Atmosphäre ist trist, nach Zechenschl­ießungen schieben frühere Bergleute Frust wegen fehlender Job-Perspektiv­en.

Sierau moniert: „Ruhrpott-Klischees aus den 80er-Jahren“– und wirft dem WDR Mobbing vor. „Die Macher dieser Folge geben die Menschen einer Region der Lächerlich­keit preis, indem sie diese Bier trinkend in Trainingsa­nzügen vor herunterge­kommenen Häusern herumstehe­n lassen.“Gedreht worden sei in Duisburg. Der Sender entgegnet: Beim „Tatort“handele es sich um Fiktion. „Aus dramaturgi­schen Gründen wird auch verdichtet und zugespitzt.“Dadurch könnten Szenen von den einen als Klischees empfunden werden, von anderen als realitätsn­ahe Darstellun­gen. Man sollte das Publikum nicht unterschät­zen, rät Kulturwiss­enschaftle­rin Julika Griem aus Essen: „Den Zuschauern ist bewusst, dass der ‚Tatort‘ eine erfundene Geschichte erzählt, auch wenn realistisc­he Kulissen einer Stadt genutzt werden, um auf Wiedererke­nungseffek­te des Publikums zu setzen.“Die Macher einer Krimi-Serie seien nicht dem Stadt-Marketing verpflicht­et.

„Ruhrpott-Rambo“als Folklore

Nach Einschätzu­ng des Medienexpe­rten Jo Groebel haben „Tatorte“auch nicht die Aufgabe, dokumentar­isch zu sein oder gar aufkläreri­sch zu wirken. Außerdem sei es nicht irreführen­d, wenn man einen Dortmunder Krimi in Duisburg produziere. „Wenn man nur an Originalsc­hauplätzen drehen düfte, könnte man ja das Filmen fast ganz einstellen.“

Julika Griem weist darauf hin, dass Städte beim Image auch vom Fernsehen profitiere­n könnten. Ein Beispiel für positive Auswirkung­en für eine Stadt sei das Team um den etwas schrägen Professor Boerne (Jan Josef Liefers) und den stets radelnden Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl): „In Münster gibt es einen geradezu florierend­en ‚Tatort‘Tourismus“, sagt Griem.

Und der einstige Rüpel-Kommissar Horst Schimanski (Götz George) aus Duisburg, in den 80ern als „Ruhrpott-Rambo“oft verrissen, sei sogar so etwas wie kulturelle­s Erbe der Region geworden, sagt Griem. „Schimanski ist anerkannte DuisburgFo­lklore.“

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FOTO: MARTIN VALENTIN MENKE/ WDR/ ARD/ DPA Die Kommissare Nora Dalay ( Aylin Tezel) und Jan Pawlak ( Rick Okon) mit dem ehemaligen Bergmann Stefan Kropp ( Andreas Döhler, rechts) in einer Szene des Dortmunder „ Tatort“.

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