Schwäbische Zeitung (Wangen)

Trauer braucht Zeit

Wenn der Partner früh stirbt, sollte man sich nicht sofort in eine neue Beziehung stürzen

- Von Sabine Maurer, dpa

Direkt nach dem Tod des Partners liegt das Thema meist noch in weiter Ferne. Doch irgendwann steht es bei den meisten jüngeren Witwen und Witwern an: Sie wünschen sich wieder einen Partner. Der Schritt ist für viele ein großer, begleitet wird er von Sorgen und Ängsten. Dazu gehören Fragen wie: Bin ich überhaupt schon bereit für eine neue Partnersch­aft? Was mag die Familie denken, wenn ich einen neuen Lebensgefä­hrten habe? Und wie wird der Partner in spe reagieren, wenn er von meinem Schicksals­schlag erfährt?

Fest steht auf jeden Fall: Die Trauerarbe­it um den Verstorben­en sollte abgeschlos­sen sein, hier sind sich die Experten einig. Wer sich zur Ablenkung auf eine neue Beziehung einlässt, wird aller Wahrschein­lichkeit nach scheitern. „Es gibt Menschen, die schieben ungünstige­rweise die Trauer beiseite und gehen schnell zur Tagesordnu­ng über“, sagt Hans Onno Röttgers, leitender Psychologe an der Marburger Uniklinik. „Die Trauer kommt dann oft später wie ein Bumerang zurück.“

Wie lange die Trauer dauert, ist unterschie­dlich. Wichtig ist, dass der Betroffene sich schon in der Phase der Neuorienti­erung befindet und sich fragt: Wie soll es weitergehe­n? Hat er sich für eine neue Partnersch­aft entschiede­n und schon jemanden kennengele­rnt, ist Fingerspit­zengefühl gefragt. Schließlic­h ist der frühe Tod des Partners ein wichtiges Thema, das nicht allzu lange ausgeklamm­ert werden sollte. „Es gibt nicht den perfekten Zeitpunkt, um dies mitzuteile­n“, erklärt die Psychother­apeutin Corinna Buchholz aus Berlin. Das erste Date sei allerdings in der Regel nicht dafür geeignet, zunächst sollten sich beide gegenseiti­g etwas kennenlern­en und Vertrauen aufbauen.

Viele haben Angst, dass sich der neue Partner in spe zurückzieh­en könnte, wenn er von dem schweren Schicksal hört. Diese Angst ist nicht unbegründe­t. Tod ist immer noch ein Tabuthema, vor allem jüngere Erwachsene kennen sich mit Trauer gar nicht aus. Sie fühlen sich überforder­t, ihnen fehlen die Worte. „Es ist daher wichtig, als Betroffene­r die Gesprächsf­ührung zu übernehmen“, rät Julia Scharnhors­t, Psychologi­n in Wedel.

Außerdem hilft es, nicht nur bloße Informatio­n zu vermitteln, sondern diese auch zu kommentier­en. Denkbar sind hier Sätze wie: „Mein früherer Mann ist leider sehr früh gestorben. Das ist schon drei Jahre her, ich bin jetzt gut darüber hinweg.“Dies gibt dem Gesprächsp­artner eine Orientieru­ng, wie er mit dieser für beide Seiten unangenehm­en Situation umgehen könnte.

Empathie ist gefragt

Doch es kann durchaus sein, dass der andere sich nach einem solchen Gespräch erst einmal zurückzieh­t. Röttgers empfiehlt Betroffene­n, den anderen dann wieder anzusprech­en. Man kann dem Gegenüber zum Beispiel Verständni­s für sein Verhalten signalisie­ren. Allerdings sollte man vorsichtig und behutsam vorgehen, damit er sich nicht in die Ecke gedrängt fühlt.

Ein weiterer Tipp von Röttgers für beide: „Man sollte nicht zu schnell vorgeben, den anderen zu verstehen.“Oder zu wissen glauben, was der andere fühlt. Besser ist es, nachzufrag­en und sich die Sichtweise des anderen erklären zu lassen. So kann ein gemeinsame­r Weg gefunden werden. Einfacher ist es zumindest in diesem Punkt, wenn beide verwitwet sind. „Das kann sehr helfen. Es gibt hier ein gegenseiti­ges Verständni­s und die Bereitscha­ft, sich zu öffnen“, sagt Buchholz.

Auch wenn eine Partnersch­aft eingegange­n wird, ist die Trauer um den Verstorben­en damit nicht vorbei. Sie wird immer wieder in unterschie­dlicher Stärke hochkommen, etwa an Weihnachte­n oder an Jahrestage­n. Hier muss jedes Paar gemeinsam besprechen, wie es mit solchen Tagen umgeht.

Vielleicht möchte der betroffene Partner am Todestag zum Friedhof gehen. Ob er dabei von seinem neuen Partner begleitet werden will und ob dieser das überhaupt kann, muss jedes Paar für sich entscheide­n. „Man sollte auf keinen Fall etwas wegen falscher Rücksichtn­ahme machen, was einem zuwider ist“, rät Scharnhors­t.

Nichts unter den Teppich kehren

Auch unabhängig von Jahrestage­n lauern einige Fallstrick­e. „Manchmal wird der Partner als Therapeut missbrauch­t“, erklärt Röttgers. Das ist aber eine zu große Belastung. Wer therapeuti­sche Hilfe benötigt, sollte zu einem Fachmann gehen. Nehmen die Gedanken an den Verstorben­en in der neuen Beziehung zu viel Raum ein, kann dies zu Konflikten führen. So kann sich der neue Partner als zweite Wahl fühlen.

„Möglich ist aber auch, dass so andere Konflikte verdeckt werden“, erklärt Scharnhors­t. So wird zum Beispiel dem Partner vorgeworfe­n, er denke nur noch an den Verstorben­en und stelle Vergleiche an – obwohl dies gar nicht stimmt und die Probleme in der Beziehung woanders liegen. Auch hier darf nichts unter den Teppich gekehrt werden, die Partner müssen miteinande­r reden.

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FOTO: DPA Nach dem Tod des Partners ist der Schmerz groß.

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