„Er ist eher niedlich als gefährlich“
Ravensburger Tankstellenräuber muss für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis
RAVENSBURG - Überraschend hat am Dienstag die Siebte Große Strafkammer bereits am zweiten von vier anberaumten Verhandlungstagen ein Urteil gefällt: Zwei Jahre und sechs Monate muss ein 44-Jähriger für minderschweren Raub ins Gefängnis. Der Angeklagte hatte im Oktober 2018 mit einem Teppichmesser bewaffnet eine Tankstelle in Ravensburg überfallen und dabei 573 Euro erbeutet.
„Dass jemand mit 44 Jahren zum ersten Mal straffällig wird – so etwas haben wir nicht alle Tage“, erklärte die Vorsitzende Richterin Birgit Eißler unmittelbar nach dem Urteilsspruch. Tatsächlich hätten sich die fehlenden Vorstrafen, sein Geständnis sowie die relativ geringe Höhe der Beute positiv auf die Strafzumessung ausgewirkt, führte Eißler aus. Auch dass der Angeklagte versucht habe, den entstandenen Schaden wieder gutzumachen, spreche für ihn. Der Tankstellenbetreiber wurde bald nach der Tat im vergangenen Oktober mit den gestohlenen 573 Euro entschädigt. Und der damals diensthabende Kassierer habe Anfang der Woche über die Schwester des Mannes bereits 450 von versprochenen 900 Euro „als Schmerzensgeld“erhalten, wie die Verteidigerin bestätigte.
Nichtsdestotrotz wertete das Gericht den Überfall auf die Tankstelle im Ravensburger Osten als „massive Straftat“. Der Angeklagte habe sich mit Kapuze und Sonnenbrille maskiert, mit einem Teppichmesser bewaffnet und sei an jenem Sonntagabend gegen 20 Uhr mit „hoher Beuteerwartung“in die Tankstelle gegangen: Dass dort kurz davor eine regelmäßig stattfindende Abschöpfung der Erträge stattgefunden hatte, das konnte der Angeklagte nicht wissen. Ebenso wenig, dass der junge Kassierer „cool“reagieren würde, keine Gegenwehr leistete – und den unprofessionellen Überfall zunächst für einen Witz hielt.
Die sachverständige Psychiaterin Kerstin Schwarz aus dem Zentrum für Psychiatrie stützte die Aussagen weiterer Kriminalbeamten, die einhellig ausgesagt hatten, der Beschuldigte habe auch bei seiner Verhaftung nicht wie der typische Räuber gewirkt. Eher harmlos. Und höflich. Sein Arbeitgeber hatte am ersten Verhandlungstag den Mann sogar „als besten Mitarbeiter“beschrieben, den er sofort wieder einstellen werde. Laut Einschätzung der Gutachterin neige der 44-Jährige grundsätzlich nicht zu Gewalttaten. „Eher niedlich als gefährlich“, beschrieb die Ärztin ihren Eindruck. Der Tankstellenüberfall sei keine Affekttat gewesen, der Mann sei weder kokain- noch alkoholabhängig. Lediglich sozial erschüttert, durch das Ende seiner Liebesbeziehung. Und dadurch von seiner Spielsucht in den Kokainmissbrauch gerutscht.
Weder professionell noch geplant
Der Angeklagte hatte mit der Beute sofort im Anschluss an die Tat Kokain im Wert von 550 Euro gekauft. Dies aber wohl eher, um seiner koksabhängigen Freundin, die sich zwischenzeitlich wieder ihrem ExFreund zugewandt hatte, einen Gefallen zu tun. Er selbst konsumierte zwar auch, wie er in seiner Aussage bestätigte. „Aus Einsamkeit und Langeweile“, wie er sagte. Und um seiner Freundin nahe sein zu können, wie die Verteidigerin betonte. Bei der Tat habe ihr Mandant weder professionell noch geplant gehandelt. Die Tatwaffe, das Teppichmesser, hätte – voll ausgefahren – nicht einmal besonderen Schaden anrichten können. Zudem habe sich der Mann von seiner ehemaligen Freundin gedrängt gefühlt, sie in ihrer Sucht zu unterstützen. Für den ihrer Meinung nach „minderschweren Fall“plädierte sie auf zwei Jahre, die noch zur Bewährung hätten ausgesetzt werden können.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte zuvor auf fünf Jahre und zwei Monate für schweren Raub plädiert. Zumal der Tankstellenüberfall tatsächlich nicht die erste Straftat des Angeklagten sei, wie der Staatsanwalt betonte. Immerhin hatte der 44Jährige ausgesagt, mindestens zwölfmal davor Kokain für sich und die Freundin besorgt zu haben. „Ich wünsche Ihnen alles Gute“, schloss die Richterin ihre Urteilsbegründung. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) habe er Psychologen, die ihm bei einer Entwöhnung von seiner Spiel- und Tabaksucht helfen könnten. Mit ordentlicher Führung im Montagebetrieb der JVA könne er auf einen Freigang hinarbeiten, auf eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung hoffen. „Sofern Sie konsequent gucken, dass Sie Ihre Probleme in den Griff kriegen.“
„Ich wünsche Ihnen alles Gute.“ Riccterin Birgit Eißler zum Angeklagten am Ende der Urteilsbegründung