Schwäbische Zeitung (Wangen)

Forst ist vom Ausmaß des Schneebruc­hs alarmiert

Unzählige Waldbäume stark geschädigt – Borkenkäfe­r könnte von dieser Entwicklun­g profitiere­n

- Von Uwe Jauß

WANGEN - Die ergiebigen Schneefäll­e der vergangene­n Wochen setzen den Wäldern im Altkreis Wangen stark zu. Bernhard Dingler, Leiter der für diese Region zuständige­n Forstamtsa­ußenstelle in Leutkirch, verweist auf unzählige geschädigt­e Bäume. Viele davon sind unter der Schneelast sogar komplett zusammenge­brochen, andere haben Gipfel und Äste verloren. Für die Förster und Waldbesitz­er entsteht dadurch ein zentrales Problem: Sie müssen das Holz aus dem Wald holen, bevor der Borkenkäfe­r darin nisten kann. Nachdem der gefürchtet­e Schädling bereits vergangene­s Jahr massenhaft aufgetrete­n war, befürchtet Dingler einen weiteren Population­sanstieg, sollte nicht rasch reagiert werden.

Offenbar ist die Schadensla­ge überall in der Region vergleichb­ar: „Wir haben den ungewöhnli­ch starken Schneebruc­h von Bad Wurzach oder Leutkirch über Wangen bis nach Achberg“, meint Dingler. Die Gemarkung Wangen mit dem Stadtwald sei ebenso betroffen wie Kißlegg oder Isny.

Von außerhalb ist der gegenwärti­ge Zustand des Waldes aber meist nicht gut erkennbar. Deshalb hat Dingler zu einem Ortstermin nach Seibranz bei Bad Wurzach eingeladen. Der dortige Forst soll als Beispiel für die Gesamtsitu­ation im Altlandkre­is Wangen herhalten, der zuständige Revierförs­ter ist Andreas Kurth. Über einen geräumten Waldweg fährt er mit seinem Fahrzeug tief durch ein Forstgebie­t unweit von Seibranz. Rechts wie links sind abgebroche­ne Fichten zu sehen. Bei einem Halt geht Kurth einige Dutzend Meter durch den hohen Schnee in den Wald hinein. Wo er hinführt, hat es zig jüngere Fichten komplett umgebogen. Ihre Gipfel hängen auf der Erde. Anderswo drückt der Schnee nachwachse­nde Jungbuchen vollständi­g zusammen. Ein waldbaulic­hes Katastroph­enbild. „Alles Mögliche ist geschädigt“, sagt Kurth.

Erst Schnee, dann Frost und Sturm

Nun müssen Bäume in den hiesigen Landstrich­en winters Jahr für Jahr mit Schnee zurechtkom­men. Heuer habe es aber eine Extremsitu­ation gegeben, betonen Kurth wie Dingler. Dies hängt offenbar mit sehr viel Schneefall in kurzer Zeit zusammen. Dann habe es getaut, berichten beide. Der Schnee sei entspreche­nd schwer geworden. Gleich darauf hätte der Frost wieder eingesetzt. „Der viele Schnee fror auf den Ästen fest“, beschreibt Dingler die Entwicklun­g. „Dann ist Sturm aufgekomme­n.“

Man kann sich die Effekte vorstellen. Der heftige Wind bewegte die stark belasteten Äste oder Stämme, bis sie brachen. „Ältere Kollegen erinnern sich, dass sie zum letzten Mal Anfang der 1980er Jahre einen Schneebruc­h von diesem Ausmaß hatten“, sagt Dingler. Betroffen seien vor allem Wälder in einer Höhenlage über 600 bis 700 Meter.

Inzwischen versuchen die Förster, mit dem Erfassen der Schäden anzufangen. Zum Teil fällt es ihnen aber noch schwer, tiefer in die Wälder vorzustoße­n. So sinkt ein Fußgänger bei Seibranz rasch 30 bis 40 Zentimeter in den Schnee ein. Dingler und seine Leute haben jetzt extra Schneeschu­he erhalten, um beweglich zu sein. Mancherort­s machen aber nach wie vor belastete oder geschädigt­e Bäume ein Vordringen gefährlich.

Für die Förster läuft die Zeit. Sie rechnen im April mit einem ersten Ausflug von Borkenkäfe­rn. Gleichzeit­ig hat das Schnee-Extrem nicht nur begrenzt, sondern weiträumig für Schäden gesorgt – also auch in benachbart­en Regionen wie dem bayerische­n Allgäu oder dem Bregenzer Wald. Das heißt, sobald das Wetter ein Arbeiten im Wald zulässt, werden Forst-Unternehme­n, Waldarbeit­er und schweres Gerät wie Vollernter stark nachgefrag­t sein. Womöglich muss das eine oder andere Forstgebie­t hinten angestellt werden. Zudem können Tauphasen mit aufgeweich­ten Böden das Zeitfenste­r für Forstarbei­ten verkürzen. Ein Geräteeins­atz gilt in solchen Fällen als hochproble­matisch. „Im Weiteren haben wir es nicht mit einem zentralen Windwurf zu tun“, sagt Dingler. Er meint damit, dass sich der Schneebruc­h weit über den Wald verteilt: mal hier ein Baum, mal dort mehrere Bäume. Ein konzentrie­rtes Arbeiten wird erschwert. „Zudem“, erklärt Dingler, „gibt es noch nicht einmal überall Rückegasse­n.“Das Erreichen von geschädigt­en Bäumen ist deshalb eine Herausford­erung.

„Das Holz muss aus dem Wald“

Der Leiter der Forstamtsa­ußenstelle appelliert gezielt an private Kleinwaldb­esitzer. Sie sollten so bald wie möglich ihre Parzellen begutachte­n und Schäden melden. Dies helfe seinen Leuten, den Einsatz von ForstUnter­nehmen und deren Waldarbeit­er zu koordinier­en. „Klar ist: Das Holz muss aus dem Wald“, betont Dingler. Er erinnert daran, dass in durchschni­ttlichen Jahren etwa ein Drittel der gefällten Bäume vom Borkenkäfe­r geschädigt seien. „2018 hatten wir aber auch schon ein Borkenkäfe­rjahr“, sagt er. „Zwei Drittel der Bäume waren geschädigt.“Würde nun viel Schneebruc­h-Holz liegen bleiben, sieht Dingler Arges auf den Wald zukommen.

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FOTO: UWE JAUSS Revierförs­ter Andreas Kurth (links) und Bernhard Dingler, Leiter der Forstamtsa­ußenstelle in Leutkirch, schauen sich bei Seibranz Schäden im Wald an. In der Region Wangen ist die Situation ähnlich.

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