Der Karpfen guckt mit Olivenaugen zu
Jüdischer Kochkurs in Ravensburg ist ein warmer Abend der Begegnung
RAVENSBURG - Die Anne-FrankAusstellung im Medienhaus hat auch bei der Volkshochschule für einen besonderen Termin gesorgt: Ein jüdischer Kochkurs stand in der vergangenen Woche auf dem Kursprogramm. An „gefilte Fisch“, dem klassischen, jüdischen Nationalgericht wollten sich knapp 20 Kochschüler versuchen.
Wie gelbe Blüten hängen die bunten Dunstabzugshauben von der Decke, in der Küche der Realschule. Jemand hat Tüten mit Gemüse und Gewürzkräutern auf der Arbeitsfläche deponiert. Dosen mit geschälten Tomaten warten auf den Öffner, Zwiebel, Dill und Petersilie auf das Messer. In einer üppigen Pfanne zischt Fett und am benachbarten Herd schöpft ein schmaler Mann dicke Brocken Fleisch über Kartoffelspalten. Was er da kocht? „Tscholent“, antwortet der Mann leise, und bietet gestenreich an, die Soße zu kosten. Die Menschen mit den adretten Schürzen und dem aufmerksamen Blick sind Kochkurs-Teilnehmer, die anderen Mitglieder der jüdischen Gemeinde.
Etwa 30 Menschen aus Russland und der Ukraine mit jüdischem Glauben leben derzeit im Schussental. Zurückgezogen und für die Öffentlichkeit praktisch nicht wahrnehmbar, wie die Leiterin der VHS Silke Pfaller in ihrer kurzen Einführung erläutert. Sie macht keinen Hehl daraus, dass es sie viel Überzeugungsarbeit gebraucht habe, um Slava und seine Familie zum Kochkurs zu überreden. „Wer kommt da? – Was sind das für Menschen?“, habe Slava im Vorgespräch gefragt, seiner Sorge Ausdruck verleihend, dass man sich nicht exponieren wolle, als Juden. Erst als Pfaller „Hanuka“, das Lichterfest mit der Familie gefeiert hat, sagte Slava zu. So groß ist seine Vorsicht, dass er seinen Nachnamen nicht nennen mag. Den Mann am Gulaschtopf, seinen Onkel, stellt er mit Valentin vor.
Von Kochen, also selbst den Kochlöffel schwingen, sind die 20 Teilnehmer des VHS-Kurses an diesem Abend weit entfernt. Der „gefilte Fisch“, die traditionelle Vorspeise am Schabbat und besonderen Feiertagen, ist schon fertig. Slava lässt Nathalie Traud, die als Sozialbegleiterin für die jüdische Gemeinde tätig ist, übersetzen, der brauche vier Stunden Vorbereitungszeit. Servierfertig, mit Karottenstücken garniert, liegt der kalte Fisch nun auf einer silbernen Servierplatte. Ist bei Slava zu Hause aus der Haut genommen, entgrätet und gehackt worden. Und als Farce mit Zwiebeln, Matzemehl, Eiern und Gewürzen wieder zurück in die Fischhaut gepackt und dann in Fischbrühe langsam gekocht worden. Jetzt guckt der Fisch mit halben Oliven-Augen zu, wie Slava für die Kochschüler „Shakshuka“macht. Auf ein Bett aus Paprika, Zwiebeln und gestückelten Tomaten lässt Slava rohe Eier gleiten, die im Handumdrehen stocken.
Geschichten werden ausgetauscht
Dass es schließlich doch eine vergnügliche, ja spannende Tischrunde wird, das liegt daran, dass anstelle von Kochrezepten etliche Geschichten rund um jüdische Bräuche ausgetauscht werden. Längst haben die meisten der Kursteilnehmer die Schürzen abgelegt, sitzen um die lange, uncharmante Tafel in der Schulküche, kosten vom gefüllten Fisch, vom würzigen Tscholent, dem süßen Kuchen und schwatzen. Übers Essen, koscheren Wein und typische Gewürze. Über große Feiertage im jüdischen Glauben. Slavas Frau wirft indes in knappen Stichworten das Rezept für den HonigNuss-Kuchen an die Küchentafel.
Übersetzerin Nathalia erklärt, dass das ungesäuerte „Mazza“einschließlich der Backzeit binnen 18 Minuten hergestellt werden muss und auch „Brot des Leidens“genannt wird. Das karge Lebensmittel ist demnach Symbol für die Entbehrung und das Leid, das die israelitischen Sklaven unter der ägyptischen Willkürherrschaft ertragen müssen. „Mazza steht in der jüdischen Küche für Einfachheit und Bescheidenheit“, sagt Nathalia Traud. Und irgendwie erklärt sie damit auch die vorsichtige Zurückhaltung von Slava.
Der trinkt zum Ende des kurzen Abends einen großen Schluck Lindenblütentee. Ohne Zucker. Und nimmt mit einem schlichten Händedruck und einem scheuen Blick die Danksagungen für einen Abend entgegen, der bestimmt kein klassischer Kochkurs aber ein warmer Abend der Begegnung gewesen ist.