Fortschritt durch Rückschritt
Um Sinn und Zweck von Bewerbungsschreiben ist ein Streit entbrannt. Die einen pochen auf das traditionelle Bewerbungsschreiben. Die anderen fügen sich der Realität, dass viele Schulabgänger sich nicht mehr ausreichend in Wort und Schrift ausdrücken können und bieten andere Wege zu einer Lehrstelle an.
Die Traditionalisten liegen falsch. Denn der durchaus beklagenswerte Rückschritt beim Bildungsniveau ist in diesem Falle zu einem Fortschritt bei der Rekrutierung geworden. Das belegt das Beispiel der Deutschen Bahn. Seit das Unternehmen kein Anschreiben
Anders sieht das der Deutsche Lehrerverband. Er ist gegen eine Abschaffung des Anschreibens. Das Verfassen eines Anschreibens sei sinnvoll, „nicht nur deshalb, um nachzuweisen, dass man so etwas sprachlich bewältigen kann, sondern vor allem deshalb, weil es dem Bewerber die Chance gibt, seine Motivation, seine persönliche Interessenlage und Befähigung individuell auszudrücken und damit sich aus der Masse der Bewerbungen abzuheben“, sagt Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger. Das Erstellen von Bewerbungsunterlagen und die Formulierung von Bewerbungsanschreiben mehr verlangt, steigt die Zahl der Bewerber.
Es ist ein Fortschritt, wenn sich Arbeitgeber nicht auf Äußerlichkeiten wie Namen, Aussehen oder eben ein schön formuliertes Anschreiben verlassen, sondern die Entscheidung über die Eignung eines Kandidaten nach einem persönlichen Gespräch treffen. Niemand weiß, wie viele Talente schon verschwendet wurden, weil das Bewerbungsverfahren zu sehr formalen Kriterien folgte. Das kann sich das Land angesichts des Fachkräftemangels nicht leisten.
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seien auch Inhalt der Lehrpläne in Schulen.
Der Autor Jürgen Hesse, der ein Buch über Anschreiben publiziert hat, kommt zu diesem Schluss: „Zweifelsohne hat das Anschreiben eine Bedeutung, aber diese war schon immer ziemlich relativ. Es ist eine Chance zu sagen: Hier bin ich, hier sind meine Unterlagen, ich bin echt motiviert.“Entscheidender seien aber Lebenslauf, Berufsausbildung und letzte Stationen. Hesse geht davon aus, dass sich das Anschreiben weiter als Teil der Bewerbung halten wird.