Tod eines Brandstifters
Keith Flint, Frontmann der britischen Elektronikpioniere The Prodigy, ist mit 49 gestorben
RAVENSBURG - Elektropunk, Klangpionier, Bühnenderwisch: Keith Flint gehörte in den 1990er-Jahren mit seiner Band The Prodigy zu den einflussreichsten Musikern der Welt. Jetzt ist der britische Sänger und Tänzer mit 49 Jahren gestorben.
Die Polizei hatte Flint am Montagmorgen leblos in seinem Haus in der englischen Grafschaft Essex gefunden. Zur Todesursache hatte sich die Polizei nicht geäußert, aber mitgeteilt, sie stufe den Tod als „nicht verdächtig“ein – es handele sich also nicht um ein Verbrechen.
Wer im Jahr 1996 den deutschen Musiksender Viva einschaltete, den erwischten The Prodigy kalt: Zwischen DJ Bobo und Backstreet Boys lief die Hitsingle „Firestarter“. Flint tanzte in dem Clip wie besessen herum, streckte provokativ die Zunge heraus und war mit seiner Frisur – rasierter Schädel und zu Teufelshörnern gestylte Haare – ein wahrer Bürgerschreck. Der Song verhalf der britischen Band zum kommerziellen Durchbruch. Das dazugehörige Album „The Fat of The Land“avancierte in England zum meistverkauften Album 1997 und schaffte es in 27 Ländern auf Platz eins der Charts, auch in Deutschland. Mit ihrem innovativen Sound trafen The Prodigy einen Nerv: Die Musik kombinierte Rave und Electro mit harten Gitarren, punkiger Außenseiter-Attitüde und bissigen Breakbeats – und war härter als so manche Rockband. Als die deutsche Musikzeitschrift „Metal Hammer“sich damals neuen Stilrichtungen öffnete, sich in „New Rock und Metal Hammer“umbenannte und Flint aufs Cover nahm, rebellierte die Leserschaft und warf dem Blatt Anbiederung an den Kommerz vor. Ein Elektropunk, der harten Metallern nicht geheuer war – The Prodigy provozierten nicht nur in Mittelschichtwohnzimmern.
Flint war mit seinem diabolischen Äußeren das Gesicht und mit seiner ekstatischen Live-Performance das Aushängeschild der Band, hatte aber eigentlich als Tänzer in der Band angefangen. Gegründet wurden The Prodigy 1990 von Liam Howlett, der als musikalischer Kreativkopf der Band gilt, gemeinsam mit Flint und Leeroy Thornhill. DJ Maxim Reality komplettierte die Gruppe. Bereits fünf Jahre später traten The Prodigy beim Glastonbury-Festival auf.
Dem Popstar-Ruhm folgte eine längere Pause. Erst 2004 kam ein neues Album. In den darauffolgenden 14 Jahren brachte die Band regelmäßig neue Studioalben heraus, zuletzt im November 2018 „No Tourists“. 2009 gelang der Band mit ihrem Album „Invaders Must Die“der größte Erfolg seit 1997 (Platz drei in den deutschen Charts).
Zwei Auftritte beim Southside
Auch abseits der Bühne liebte Flint, der im Londoner Stadtteil Redbridge geboren wurde, das Adrenalin: Er war Motorradfahrer und besaß ein eigenes Motorsport-Team. Über sein Privatleben ist ansonsten nicht allzuviel bekannt.
In Süddeutschland waren The Prodigy mehrfach zu Gast. Beim Southside Festival in Neuhausen ob Eck (Kreis Tuttlingen) traten The Prodigy 2010 und 2018 auf. Die Band hatte vergangenes Jahr den etwas undankbaren Auftritt am Abend des letzten Festivaltags, riss die übernächtigten Konzertbesucher aber mit einer irrwitzigen Show mit.
Die Nachricht von Flints Tod rief im Netz Trauer hervor. „Zutiefst geschockt und mit Traurigkeit bestätigen wir den Tod unseres Bruders und Freundes Keith Flint“, gaben The Prodigy am Montag via Twitter bekannt. Auf dem offiziellen Instagram-Profil von The Prodigy postete Howlett, dass sich Flint am Wochenende das Leben genommen habe. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es bislang allerdings nicht.
Die „Schwäbische Zeitung“berichtet nur in Ausnahmefällen über Selbsttötungen, um keinen Anreiz zur Nachahmung zu geben. Wenn Sie selbst Suizidgedanken haben oder depressiv sind, kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge. Unter 0800-1110111 oder 08001110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.