Gescheitert am Selbstverständnis der Reds
Liverpool und Trainer Klopp zeigen den Münchnern die Grenzen auf – van Dijk entscheidend
MÜNCHEN - Ein langer, aber umso präziserer Ball von Virgil van Dijk – dieser Abwehrkante mit Füßen aus Samt – auf Sadio Mané, der Manuel Neuer düpiert zurücklässt. 1:0. Ein präziser Eckball von James Milner auf Virgil van Dijks Kopf – dieser Abwehrkante mit filigranem Zöpfchen. 2:1. Eine herrliche Flanke von Mo Salah auf Sadio Mané, diesem zweiten Alleskönner. 3:1: Sich erleichtert umarmende und applaudierende Liverpooler – Jürgen Klopp mittendrin, und auf dem Rasen sitzende Bayern.
So endet sie also, die diesjährige Kampagne der deutschen Vertreter in der Champions League. Nach Borussia Dortmund (gegen ein Tottenham Hotspur mit etwas mehr Glück) und Schalke (gedemütigt durch Pep Guardiolas Manchester City), ist also auch das europäische Abenteuer FC Bayern München gegen eine englische Mannschaft zu Ende gegangen. Der Traum vom Henkelpott ist im Achtelfinale zerschellt an Jürgen Klopps FC Liverpool und seinem überragenden Abwehrchef Virgil van Dijk und seinem nicht minder genialen Außenstürmer Sadio Mané.
„Wir sind heute schwer in unseren Fußball reingekommen. Das 2:1 nach dem Standard hat bei uns dann den Glauben rausgenommen“, sagte Mats Hummels. Trainer Niko Kovac bei Sky musste zugeben: „Wir haben heute verdient verloren. In zwei Spielen war Liverpool die bessere Mannschaft. Wir haben heute unsere Grenzen aufgezeigt bekommen.“
Wie eigentlich vor dem Spiel allgemein erwartet worden war, entschied sich das Schicksal des deutschen Meisters in dieser kalten Münchner Nacht schon recht früh auf der rechten Bayernseite. Die Frage war gewesen: Wie würde Rechtsverteidiger Rafinha, Ersatz des gelbgesperrten und weit schnelleren Bösingers Joshua Kimmich, mit dem quirligen und technisch hochveranlagten Dribbler Sadio Mané zurecht kommen? Die Frage war auch gewesen: Wie würde sich davor Serge Gnabry in seinem größten Spiel seiner Karriere schlagen? Um es vorweg zu nehmen: Gnabry machte ein gutes Spiel, war ständiger Unruheherd und an so gut wie allen Münchner Offensivaktionen beteiligt.
Und Rafinha? Spielte auch nicht unbedingt übel, war auch nicht der Hauptverantwortliche am 0:1 in der 26. Minute, machte da aber auch nicht die beste Figur. Als van Dijk (der mit den Füßen aus Samt) eine langen Ball auf Mané spielte, stand Bayerns Verteidiger ungünstig, dass Mané den Ball aber in einer fließenden Bewegung aus der Luft annahm, dann einen Haken schlug und den nach vorne geeilten Manuel Neuer in dessen 100. Champions-LeagueSpiel wie einen dieser außerhalb ihres natürlichen Habitats Fünfmeterraum stets etwas hüftsteifen Torhüter aus den 1980ern aussehen ließ: Da konnte Rafinha nichts dafür.
1:2 bricht das Selbstvertrauen
Durch das 0:1 war klar: Bayern würde mindestens zwei Tore benötigen, um weiterzukommen. Doch wer gegen diese Liverpooler zwei Tore schießen wollte, der musste … Serge Gnabry in seinen Reihen haben – oder auf die Hilfe eines Ex-Schalkers bauen. Joel Matip, deutsch-kamerunischer Verteidiger in Liverpools Diensten, verwertete beim Versuch, Robert Lewandoski am Schuss zu hindern, eine scharfe Hereingabe Gnabrys zum 1:1 (39.). Die Hoffnung lebte wieder auf Seiten der Münchner, auch weil sie bis dahin die Kontrolle über das Spiel gehabt hatten und weil sie in manchen Situationen im Gegenpressing einen Jagdfußball betrieben, den man ja eigentlich von Klopps Mannschaften erwartet. Hummels – zugegeben, ein KloppSchüler – grätschte schon mal an der Mittellinie, Javi Martínez schien stets bereit, es mit zwei Gegnern aufzunehmen, selbst James und Gnabry störten die Reds weit in deren Hälfte.
Mit 1:1 ging es in die Pause, noch schien alles drin für beide. Liverpool wirkte etwas gefährlicher, die Münchner, gestärkt durch die Aufholjagd in der Bundesliga, hatten die Köpfe oben – und rutschten in Gestalt von Lewandowski nur knapp am 2:1 vorbei. Doch die Liverpooler hatten am Ende das größere Selbstverständnis und die breitere Brust. Acht Minuten später traf van Dijk per Kopf und brach damit den Willen der Gastgeber vollends. In der 84. Minute setzte Mané, der zweite überragende Liverpooler, den Schlusspunkt. Per Kopf. Was van Dijk kann, kann Sadio Mané schon lange. Nicht nur deshalb verkündete ein beseelter Klopp anschließend: „Das ist der nächste Schritt, wir sind zurück auf der großen Landkarte des Fußballs. Es gibt nicht so viele, die bei den Bayern gewonnen haben, das ist schon etwas Besonderes.“
München: Neuer - Rafinha, Süle, Hummels, Alaba - Martinez (72. Goretzka), Thiago - Gnabry, James (79. Sanches), Ribéry (61. Coman) Lewandowski. – Liverpool: Alisson Alexander-Arnold, Matip, Van Dijk, Robertson - Henderson (13. Fabinho) - Wijnaldum, Milner (87. Lallana) Salah, Roberto Firmino (83. Origi), Mané. – Tore: 0:1 Mané (26.), 1:1 Matip (39./ET), 1:2 Van Dijk (69.), 1:3 Mané (84.). – Zuschauer: 70 000.