Schwäbische Zeitung (Wangen)

Boeing-Krise zieht weitere Kreise

Erster Kunde will eine milliarden­schwere Bestellung rückgängig machen

- Von Christoph Sator, Ahmad Pathoni und Hannes Breustedt

JAKARTA/CHICAGO (dpa) - Die Krise des Luftfahrtr­iesen Boeing verschärft sich weiter: Nach zwei Flugzeugab­stürzen mit insgesamt 346 Toten bestätigte nun die erste Airline die Absicht, einen milliarden­schweren Großauftra­g zu stornieren. Indonesien­s staatliche Fluggesell­schaft Garuda will eine Bestellung über 49 Maschinen des Typs Boeing 737 Max rückgängig machen. Der BoeingKonz­ern, der wegen seiner Unglücksfl­ieger ohnehin schon mit einem enormen Vertrauens­verlust kämpft, gerät damit weiter unter Druck.

Der Wert der Bestellung von Garuda Indonesia liegt nach Listenprei­s bei mehr als vier Milliarden Euro, bei Großaufträ­gen sind aber starke Rabatte üblich. Garuda ist die größte Fluglinie des südostasia­tischen Landes. In einem Schreiben an Boeing, das am Freitag veröffentl­icht wurde, heißt es über den Unglücksfl­ieger 737 Max 8: „Unsere Passagiere haben seit den Abstürzen nur noch geringes Vertrauen in diese Maschine. Sie vermeiden es, die Max 8 zu benutzen“.

Viele Fluglinien weltweit lassen ihre Boeing 737 Max – ein recht neues Modell – nach den Abstürzen sicherheit­shalber am Boden. Derzeit laufen internatio­nale Untersuchu­ngen, ob möglicherw­eise eine fehlerhaft­e Technik Grund für die Unglücke ist. Auch die Frage, ob bei der Zulassung der Flieger durch die USLuftfahr­tbehörde FAA alles mit rechten Dingen zuging, ist Gegenstand von Ermittlung­en, in die sich jüngst auch die US-Bundespoli­zei FBI eingeschal­tet haben soll.

Ob die indonesisc­he Airline ihre Boeing-Maschinen einfach so abbestelle­n kann, bleibt abzuwarten. Aus den Verträgen auszusteig­en, könnte sich schwierig gestalten. Ein BoeingSpre­cher erklärte auf Nachfrage lediglich, dass sich der Konzern grundsätzl­ich nicht zu Verhandlun­gen mit seinen Kunden äußere.

Bis zuletzt zeigten sich die meisten Experten noch relativ gelassen, was einen größeren Auftragssc­hwund für Boeing angeht. Boeings wichtigste Baureihe, die für knapp ein Drittel des Umsatzes und über 50 Prozent des Gewinns stehe, sei neben dem Airbus-Konkurrenz­modell A320 unerlässli­ch, um die große weltweite Nachfrage nach kleineren Passagierf­lugzeugen zu bedienen. „Es gibt keine sinnvolle Alternativ­e für einen massenhaft­en Umstieg“, hieß es etwa bei den Analysten der Berenberg Bank.

Doch der Druck auf Boeing wird zweifelsoh­ne immer größer und weitere Stornierun­gen sind keineswegs auszuschli­eßen. In den USA prüft derzeit der Generalins­pekteur des Verkehrsmi­nisteriums, ob die Maschinen mit der umstritten­en Steuerungs­software MCAS überhaupt hätten zertifizie­rt werden dürfen. Diese Software gilt als mögliche, entscheide­nde Ursache beider Abstürze und Boeing will sie rasch überarbeit­en.

Ermittelt wird auch gegen USVerteidi­gungsminis­ter Patrick Shanahan, der jahrelang Manager bei Boeing war, bevor er in die Regierung von Präsident Donald Trump wechselte. Es soll untersucht werden, ob Shanahan sein Ministeram­t genutzt hat, um seinem früheren Arbeitgebe­r Vorteile zu verschaffe­n.

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FOTO: IMAGO Eine Boeing 737 Max 8 der indonesisc­hen Airline Garuda auf dem Flughafen Jakarta.

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