Boeing-Krise zieht weitere Kreise
Erster Kunde will eine milliardenschwere Bestellung rückgängig machen
JAKARTA/CHICAGO (dpa) - Die Krise des Luftfahrtriesen Boeing verschärft sich weiter: Nach zwei Flugzeugabstürzen mit insgesamt 346 Toten bestätigte nun die erste Airline die Absicht, einen milliardenschweren Großauftrag zu stornieren. Indonesiens staatliche Fluggesellschaft Garuda will eine Bestellung über 49 Maschinen des Typs Boeing 737 Max rückgängig machen. Der BoeingKonzern, der wegen seiner Unglücksflieger ohnehin schon mit einem enormen Vertrauensverlust kämpft, gerät damit weiter unter Druck.
Der Wert der Bestellung von Garuda Indonesia liegt nach Listenpreis bei mehr als vier Milliarden Euro, bei Großaufträgen sind aber starke Rabatte üblich. Garuda ist die größte Fluglinie des südostasiatischen Landes. In einem Schreiben an Boeing, das am Freitag veröffentlicht wurde, heißt es über den Unglücksflieger 737 Max 8: „Unsere Passagiere haben seit den Abstürzen nur noch geringes Vertrauen in diese Maschine. Sie vermeiden es, die Max 8 zu benutzen“.
Viele Fluglinien weltweit lassen ihre Boeing 737 Max – ein recht neues Modell – nach den Abstürzen sicherheitshalber am Boden. Derzeit laufen internationale Untersuchungen, ob möglicherweise eine fehlerhafte Technik Grund für die Unglücke ist. Auch die Frage, ob bei der Zulassung der Flieger durch die USLuftfahrtbehörde FAA alles mit rechten Dingen zuging, ist Gegenstand von Ermittlungen, in die sich jüngst auch die US-Bundespolizei FBI eingeschaltet haben soll.
Ob die indonesische Airline ihre Boeing-Maschinen einfach so abbestellen kann, bleibt abzuwarten. Aus den Verträgen auszusteigen, könnte sich schwierig gestalten. Ein BoeingSprecher erklärte auf Nachfrage lediglich, dass sich der Konzern grundsätzlich nicht zu Verhandlungen mit seinen Kunden äußere.
Bis zuletzt zeigten sich die meisten Experten noch relativ gelassen, was einen größeren Auftragsschwund für Boeing angeht. Boeings wichtigste Baureihe, die für knapp ein Drittel des Umsatzes und über 50 Prozent des Gewinns stehe, sei neben dem Airbus-Konkurrenzmodell A320 unerlässlich, um die große weltweite Nachfrage nach kleineren Passagierflugzeugen zu bedienen. „Es gibt keine sinnvolle Alternative für einen massenhaften Umstieg“, hieß es etwa bei den Analysten der Berenberg Bank.
Doch der Druck auf Boeing wird zweifelsohne immer größer und weitere Stornierungen sind keineswegs auszuschließen. In den USA prüft derzeit der Generalinspekteur des Verkehrsministeriums, ob die Maschinen mit der umstrittenen Steuerungssoftware MCAS überhaupt hätten zertifiziert werden dürfen. Diese Software gilt als mögliche, entscheidende Ursache beider Abstürze und Boeing will sie rasch überarbeiten.
Ermittelt wird auch gegen USVerteidigungsminister Patrick Shanahan, der jahrelang Manager bei Boeing war, bevor er in die Regierung von Präsident Donald Trump wechselte. Es soll untersucht werden, ob Shanahan sein Ministeramt genutzt hat, um seinem früheren Arbeitgeber Vorteile zu verschaffen.