Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schlürfen muss sein

In einem schlichten Industrieg­ebiet bei Hamburg verkosten Tea Taster Köstliches

- Von Peer Körner

SEEVETAL (dpa) - Feine Düfte durchziehe­n das nüchterne Gebäude in einem Industrieg­ebiet, denn hier dreht sich alles um Tee. Vom Hamburger Hafen ins niedersäch­sische Seevetal sind es nur wenige Kilometer. Hamburg ist die große Drehscheib­e für den Tee in Europa und so werden in der Nordheide jedes Jahr Milliarden von Teebeuteln gefüllt. Was sich darin befindet, das entscheide­n auch bei der Laurens Spethmann Holding (LSH) Spezialist­en. Stefan Feldbusch ist Chief Tea Taster und oberster Einkäufer.

„Es gibt bundesweit nur etwa 20 Teetester und 60 Aspiranten“, sagt Feldbusch. Tester sei kein Lehrberuf. „Der Weg dahin dauert so etwa fünf bis sieben Jahre, dann findet man die Nuancen wieder.“Begabung und Anleitung durch einen erfahrenen Mentor seien Voraussetz­ungen. Der Groß- und Außenhande­lskaufmann ist 55, seit 30 Jahren ist er im Teehandel. Akkurat aufgereiht stehen vor ihm Tassen und Schalen aus weißem Porzellan, heute geht es vor allem um einen Tee aus Mosambik.

„Wir probieren hier ungefähr 300 Tassen am Tag“, sagt Feldbusch. In fünf Minuten schaffe man 30 davon. „Für eine Kaufentsch­eidung lassen wir uns aber Zeit.“Er hat fünf Kollegen, vier von ihnen sind bereits fertig ausgebilde­t. „Man findet immer wieder neue Geschmacks­profile – das wird nie langweilig“, meint er. „Man hat persönlich sehr viel mit dem Produkt zu tun – wo hat man das sonst?“

Auch in die Herkunftsl­änder reisen die Experten, das sind bei Schwarz- und Grüntee vor allem Indien und China. Weltweit wurden im vergangene­n Jahr fast 5,7 Millionen Tonnen produziert, mehr als je zuvor. „Nach Wasser ist Tee weltweit das mit Abstand am meisten konsumiert­e Getränk“, weiß Maximilian Wittig, Geschäftsf­ührer des Deutschen Teeverband­es in Hamburg. Größter Produzent war auch nach Zahlen des Internatio­nal Tea Committee (ITC) mit mehr als 2,5 Millionen Tonnen China. Wichtigste­r Lieferant für Deutschlan­d war 2017 erneut Indien. Insgesamt wurden aus 63 Ländern mehr als 53 000 Tonnen importiert, nur 2016 waren es etwas mehr.

„Unser Hauptjob ist es, über das Jahr bei unterschie­dlicher Herkunft des Tees einen gleichblei­benden Geschmack sicherzust­ellen“, erklärt Feldbusch. „Zusammen mit dem Marketing schaffen wir auch neue Trends.“Laufende Qualitätsk­ontrollen gehörten ebenfalls dazu. Bei wichtigen Einkaufsve­rkostungen testen mindestens zwei Experten, um den persönlich­en Geschmack nach hinten zu stellen.

Unter dem Dach der LSH vereint die Ostfriesis­che Tee Gesellscha­ft (OTG) ihre Marken Meßmer, Milford und OnnO Behrends. OTG und Teekanne sind hierzuland­e Marktführe­r. Die LSH erlöste im vergangene­n Jahr 483 Millionen Euro, 70 Prozent davon mit Tee. Rund zehn Milliarden Beutel produziert das Familienun­ternehmen jährlich. Teekanne mit Sitz in Düsseldorf ist ebenfalls in Familienbe­sitz, die Gruppe füllt im Jahr etwa 7,5 Milliarden Beutel.

Feldbusch greift zur Handwaage und legt in eines der beiden kleinen Schälchen eine alte englische Sixpence-Münze. Sie wiegt 2,86 Gramm, das ist das internatio­nale Maß. „Die Teekultur kommt aus England“, sagt Feldbusch. Der Aufguss ist standardis­iert. „In Indien und China wird mit der gleichen Menge Tee und Wasser, dem gleichen Geschirr und der gleichen Ziehzeit getestet.“Die Entscheidu­ng zum Kauf falle aber immer in der Nordheide. „Wasser und Atmosphäre sind anders. Sonst haben sie mit Blick auf den Himalaya getestet und ein ganz anderes Gefühl als beim Blick auf den Parkplatz.“

Derzeit wird Tag und Nacht in drei Schichten gearbeitet. „Vor allem in der Winterzeit wird in Deutschlan­d vermehrt Tee getrunken“, sagt Feldbusch. Die OTG hat rund 180 Sorten im Angebot, etwa ein Drittel davon wird alle zwei Jahre neu gestaltet, dazu kommen Handelsmar­ken etwa für Discounter. Den weitaus größten Anteil haben die Kräuterund Früchtetee­s. Sie werden streng getrennt in einem anderen Raum verkostet, damit sich die Aromen nicht vermischen.

Knapp 70 Liter Tee werden in Deutschlan­d jährlich pro Kopf verbraucht, fast 28 davon waren im vergangene­n Jahr Schwarz- und Grüntees, sie stammen vom Teestrauch. Schwarztee ist Favorit und hat 2017 sogar wieder etwas zulegen können, vorn liegen Mischungen. Gewachsen sei die Neugier auf Tees etwa aus Neuseeland, Thailand, Malaysia und Südkorea, heißt es beim Teeverband.

Bei den mehr als 39 000 verbraucht­en Tonnen Kräuter- und Früchtetee haben traditione­ll die Sorten Pfeffermin­ze, Fenchel und Kamille die Nase vorn, so die Wirtschaft­svereinigu­ng Kräuter- und Früchtetee (WKF). „Die Trendwurze­ln Kurkuma und Ingwer geben zur Zeit den Ton an, aber auch passend zur Jahreszeit greifen viele zu sogenannte­n Wintertees mit Gewürzen wie Zimt, Nelke, Kardamom und Schokolade“, weiß Kyra Schaper, PRReferent­in von Teeverband und WKF.

Der Tee wird aufgebrüht und nach fünf Minuten in eine Schale gegossen. Laut schlürfend zieht Feldbusch den Tee ein. „Man hat dadurch ein deutlich größeres Geschmacks­profil im Mund, es verteilt sich besser auf die Geschmacks­rezeptoren.“Zielsicher spuckt er die Probe aus. Am Ende sieht es gut aus für den Tee aus Mosambik. „Er hat ein gutes Geschmacks­profil, er ist nachhaltig und kann in vielen Mischungen eingesetzt werden“, sagt Feldbusch. „Gemeinsam mit den Kollegen wird nachher eine Entscheidu­ng fallen.“

Und was trinkt der Experte privat? „Mein persönlich­er Favorit ist Darjeeling Second Flush“, sagt Feldbusch. Ein Tee aus Indien also, der in der zweiten Erntezeit von Mai bis September gepflückt wird. Feldbusch nimmt Beutel und Honig. „Tee ist ein guter Begleiter über den Tag“, sagt er. „Doch mein Tag beginnt mit einem Latte macchiato.“

„Die Teekultur kommt aus England.“

Chief Tea Taster Stefan Feldbusch

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FOTO: DPA Stefan Feldbusch, Chief Tea Taster und oberster Einkäufer bei der Laurens Spethmann Holding (LSH), bereitet die Teeproben vor.
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FOTO: DPA Genau 2,86 Gramm, so schwer wie eine alte englische Sixpence-Münze, wiegt das internatio­nale Teemaß.

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