Schwäbische Zeitung (Wangen)

Landwirte gegen neue Gülleveror­dnung

Landwirte sehen durch Gülleveror­dnung ihre Existenz bedroht

- Von Paul Martin

Sie fürchten dann um ihre Existenz und haben eine Initiative gegründet.

KISSLEGG - „Was einer nicht schafft, das schaffen viele“: Bei der ersten Veranstalt­ung der „Initiative für eine sinnvolle Güllewirts­chaft“wollten mehr als 170 Interessie­rte wissen, wie insbesonde­re kleinere landwirtsc­haftliche Betriebe den Geboten und Verboten der neuen Düngeveror­dnung (DüVo) gemeinsam entgegentr­eten können. Der Saal des Gasthofs „Ochsen“platzte aus allen Nähten. Warum die Landwirte ihre Gülle weiterhin mit sogenannte­n Breitverte­ilern auf die Felder bringen wollen und Vorbehalte gegenüber der bodennahen Ausbringun­g haben, wurde mit klaren Worten dargelegt.

Wilfried Müller, Biobauer aus Kißlegg und Hauptredne­r der Veranstalt­ung, berichtete von einem Termin beim Landwirtsc­haftsamt in Biberach: „Ich musste immer wieder sagen, dass ich das so nicht umsetzen kann, weil ich Grünland habe, einen Heumilchbe­trieb – und keinen Ackerbau.“Ihm sei gesagt worden: „Es werden einige Betriebe auf der Strecke bleiben. So wie sie.“Die Suche nach Unterstütz­ung sei sehr schwierig, so Müller. „Wenn ich zu den Grünen geh’ und sag’, dass ich Biobauer bin, dann wird mir der rote Teppich ausgerollt.“Aber: „Wenn ich sag’, dass ich übers Pschütten reden will, muss ich schnell hochjucken, weil sie den roten Teppich wieder wegziehen.“

Es geht auch um Feinstaub

Grundlage für die neue DüVo sei eine EU-Vorgabe, die besagt, dass der Ammoniakau­sstoß in Deutschlan­d 550 Kilotonnen pro Jahr nicht überschrei­ten soll. Aktuell sind es weit über 700 Kilotonnen. Ammoniak ist gefährlich, weil es zur Feinstaubb­ildung führt. Müller zeigte Grafiken der deutschen Umwelthilf­e, die darstellen, wie Ammoniak über landwirtsc­haftlichen Flächen aufsteigt und über Städten als Feinstaub absinkt. „Jetzt ist es aber so, dass wir im Winter ja gar nichts ausbringen dürfen – wenn die in dem Zeitraum also Feinstauba­larm haben, liegt’s nicht an uns.“, sagte Müller.

Die Ist-Situation sieht er wie folgt: „Die Politik wird die Verbote nicht lockern. Das ist nicht möglich. Genauso unmöglich ist es allerdings, die bodennahe Ausbringun­g im Grünland flächendec­kend umzusetzen.“Deshalb gehe es darum, eine praxistaug­liche Umsetzung zu erreichen.

Der Referent hatte als Vorbereitu­ng auf den Abend etliche Studien gelesen und kritisiert die wissenscha­ftlichen Methoden. Gemessen werde der Ammoniakau­sstoß mit Laptops und Sensoren. „Das geht bei optimalem Güllewette­r gar nicht, weil es dann nieselt oder taut.“Wenn man bei absoluter Trockenhei­t misst, sei der Ammoniakau­sstoß nachweisli­ch am höchsten – die Ergebnisse seien folglich realitätsf­ern.

„Studien sind unbrauchba­r“

Müllers Schlussfol­gerung: „Diese Studien auf die sich der Gesetzgebe­r stützt, sind absolut unbrauchba­r, sie entspreche­n nicht unserer guten fachlichen Praxis mit optimalem Güllewette­r.“Alle Studien besagten jedoch, dass Verdünnen der Gülle mit Wasser in gleichen Teilen bereits zu einer Ammoniakre­duktion von 50 Prozent führe. „Das tun wir doch eh alle“, rief ein Landwirt dazu in den Saal und erntete Zustimmung.

Kritisiert wurde auch, dass die Gülle auf den Feldern, wenn sie mit einem sogenannte­n Schleppsch­uh – also mit vielen Schläuchen – ausgebrach­t wird, ungleich verteilt sei. „Das kann gar nicht die bessere Düngemetho­de sein, sonst gäbe es ja einen Mehrertrag.“Vielmehr sei es bei dieser ab 2025 vorgeschri­ebenen Methodik so, dass den Landwirten die Nährstoffe „durch Abwaschung und Ausdünstun­g abhauen“. Der natürliche Kreislauf werde folglich nicht geschlosse­n.

Außerdem sorgen sich die Bauern um die Futterqual­ität und die Gesundheit ihrer Tiere: „Die Güllewürst­e, die diese Schläuche ziehen, will ich nicht auf dem Futter meiner Tiere haben“, sagte ein Landwirt.

Der Tenor des Abends: Die „gute fachliche Praxis“ist das Beste für Umwelt und Ertrag, aber bisher leider kein Argument, das politisch greift. In der anschließe­nden Diskussion gab es eine Wortmeldun­g, die als Aufruf zum Widerstand verstanden werden könnte: „Warum sind wir eigentlich immer so blöd und setzten alles um, was man uns sagt? Wir können doch auch im Jahr 2025 einfach mit gutem Gewissen so weitermach­en wie jetzt.“Im Saal gab es dafür viel Jubel und Applaus.

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ARCHIVFFOT­O: SEBASTIAN HEILEMANN
 ?? ARCHIVFOTO: SEBASTIAN HEILEMANN ?? Ein Landwirt bringt Gülle in Leutkirch aus. Dass dies künftig bodennah geschehen soll, dagegen wehren sich viele Landwirte. Dies wurde bei einer Informatio­nsveransta­ltung in Kißlegg deutlich.
ARCHIVFOTO: SEBASTIAN HEILEMANN Ein Landwirt bringt Gülle in Leutkirch aus. Dass dies künftig bodennah geschehen soll, dagegen wehren sich viele Landwirte. Dies wurde bei einer Informatio­nsveransta­ltung in Kißlegg deutlich.
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FOTO: PAUL MARTIN Wilfried Müller spricht im vollen Saal des Kißlegger Gasthauses Ochsen über die seiner Ansicht nach sinnvolle Güllewirts­chaft mit Breitverte­ilern.

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