Demos gegen Urheberrechtsreform
Richtlinie am Dienstag zur Abstimmung – CDU-Politiker Voss beklagt „Verrohung“
FRANKFURT/MÜNCHEN (epd/dpa) - Zehntausende Menschen sind am Samstag in vielen deutschen Städten gegen die geplante Reform des EUUrheberrechts auf die Straße gegangen. In Berlin versammelten sich nach Angaben der Polizei mehr als 10 000 Teilnehmer auf dem Potsdamer Platz zu einem Protestzug zum Brandenburger Tor. In München demonstrierten 40 000 Menschen, in Köln waren es nach Angaben der Veranstalter etwa 8000. Die Kritiker der Urheberrechtsnovelle, die das EU-Parlament am Dienstag verabschieden will, befürchten eine Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet durch sogenannte UploadFilter. Diese Filter sollen beim Hochladen prüfen, ob Bilder, Videos oder Musik urheberrechtlich geschützt sind.
Zu den bundesweiten Demonstrationen hatten Bündnisse aus Bürgerrechtsund Internetorganisationen sowie Parteien aufgerufen. Die Initiative „Save the Internet“verzeichnete auf ihrer Internetseite Demonstrationen in mehr als 40 deutschen Städten. Außerdem waren Protestmärsche in vielen Städten im europäischen Ausland angekündigt, darunter Paris, Athen, Amsterdam und Warschau.
„Das Internet kann nur so frei sein, wie die Gesellschaft, die es nutzt“, sagte Thomas Lechner, Redner der Organisatoren auf dem Münchner Marienplatz. Nach der Auftaktkundgebung vor dem Rathaus zogen die Demonstranten an der Staatskanzlei vorbei zum Odeonsplatz.
In Stuttgart demonstrierten etwa 10 000 Menschen, in Karlsruhe rund 5000. Auch in Ravensburg gingen Menschen gegen die Reform auf die Straße.
Der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, erklärte auf Twitter, Konzerne und ihre Algorithmen dürften nicht darüber entscheiden, „welcher Content auf ihren Plattformen erscheint“. Allerdings gehöre es zum christlichen Menschenbild, „das geistige Eigentum anderer zu wahren“, betonte der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz.
Timmermans verteidigt Reform
Das Europaparlament stimmt am Dienstag in Straßburg über die umstrittene Reform ab. Nach dem Willen ihrer Befürworter soll sie das Urheberrecht fit für das Internet machen. Gegner befürchten vor allem durch Artikel 13 eine Einschränkung der Netzkultur. Ebenfalls in der Kritik steht Artikel 11, der ein Leistungsschutzrecht für Verleger einführen würde.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, verteidigte die geplante Novelle. Es sei „doch nicht gerecht“, wenn nur der US-Internetkonzern Google mit geistigem Eigentum Gewinne mache, sagte Timmermans den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Daher versuchen wir, das über europäische Gesetzgebung zu regeln. Wir müssen Künstlerinnen und Künstler schützen.“Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss, der für das Europäische Parlament die umstrittene Reform verhandelt hat, beklagte eine „enorme Verrohung unserer politischen Kultur“. „An die Stelle der sachlichen Debatte über das Urheberrecht ist der Versuch getreten, mich im Schutze der Anonymität als Person anzugreifen, zu diskreditieren und mit Gewaltdrohungen politisch einzuschüchtern“, sagte Voss der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Er habe immer wieder Morddrohungen gegen sich und seine Familie erhalten.