Schwäbische Zeitung (Wangen)

Es läuft rund

Wie der Rundstrick­maschinenh­ersteller Mayer & Cie den Widrigkeit­en der Textilbran­che trotzt

- Von Caroline Messick

ALBSTADT - Hunderttau­sende Male pro Minute stechen die Nadeln zu – und dabei drehen sie sich im Kreis, immer und immer wieder. Was wie die neueste Spielerei der Selbstvert­eidigungsb­ranche klingt, ist in Wahrheit eine überdimens­ionierte Stricklies­el, die harmlose Stoffschlä­uche für den Textilmark­t produziert. Auf diesem Markt hat sich der schwäbisch­e Rundstrick­maschinenh­ersteller Mayer & Cie etabliert und ist mittlerwei­le zum Weltmarktf­ührer aufgestieg­en.

„Wir sind rund – die Nadel geht einmal im Kreis“, sagt Sebastian Mayer. Seit 2014 leitet der 36-Jährige mit seinem älteren Bruder Benjamin und seinem Cousin Marcus Mayer & Cie – und zwar in vierter Generation. Im Gegensatz zum Konkurrenz­produkt der Flachstric­kmaschinen sind bei den Rundstrick­maschinen die Nadeln im Kreis angeordnet und produziere­n deshalb sogenannte Schlauchwa­re. Die wird beispielsw­eise für die Produktion von nahtlosen Oberteilen eingesetzt. Damit fahren die Mayers seit jeher gut. Selbst die Ölkrise in den Siebzigerj­ahren hat Mayer & Cie überstande­n. Andere Unternehme­n in der Textilbran­che sind daran zerbrochen.

Um in dieser Branche zu überleben, haben sich die Mayers einige Rezepte zurechtgel­egt. Eines davon ist das breite Produktpor­tfolio an Rundstrick­maschinen, auf das das Familienun­ternehmen seit der Unternehme­nsgründung im Jahr 1905 baut. „So können wir schnell auf die Trends im Markt reagieren“, sagt Mayer. Knapp 50 Maschinen bietet Mayer & Cie aktuell an.

Dank dieses großen Angebots überlebte Mayer & Cie auch die Ölkrise in den 1970er Jahren. Diese läutete damals das jähe Ende des Jacquardbo­oms ein – ein damals modisches Material, das aus Polyesterg­arn bestand. Doch das basiert auf Erdöl und wurde wegen der Krise schlichtwe­g zu teuer. Das Resultat: Keiner wollte mehr Jacquardst­rickmaschi­nen kaufen. Bei Mayer & Cie gingen die Aufträge teilweise um bis zu 80 Prozent zurück. „Das war auf jeden Fall ein sehr, sehr großer Einschnitt“, sagt eine Sprecherin des Unternehme­ns. „Viele, die in den 70er Jahren schließen mussten, hatten sich auf nur einen Maschinent­yp spezialisi­ert“, sagt Sebastian Mayer – und das bedeutete am Ende für einige den Tod.

Patente sind das Patentreze­pt

Auch die vielen Patente, mit denen Mayer & Cie den Markt füttert, sichern dem Familienun­ternehmen das Überleben. „Schon früh hatte mein Opa den Leitsatz: ,Der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus’“, sagt Sebastian Mayer. So habe es sich der Älbler Rundstrick­maschinenh­ersteller zur Aufgabe gemacht, ständig die Augen nach neuen Technologi­en offen zu halten. „Das ist quasi in unserer DNA vorhanden“, sagt Mayer. Bis heute hat Mayer & Cie mehr als 300 Patente angemeldet und fährt damit fort. Eine der neusten Errungensc­haften ist „spinitsyst­ems“– eine Technologi­e, die Spinnen und Stricken in einer Maschine vereint. Diese spare Platz, Energie, Ressourcen und könne auch noch neuartige Muster erzeugen, sagt Mayer.

Auch die Planinsolv­enz, die 2009 vor der Tür stand, konnten das Unternehme­n so schnell hinter sich lassen. Der Grund: Die zunehmende Konkurrenz aus Asien flutete den Markt mit günstigen Fabrikaten und hätte beinahe das Ende des schwäbisch­en Unternehme­ns bedeutet. Doch Mayer & Cie entwickelt­e eine Strategie: Man konzentrie­rte sich auf die Vermarktun­g der Maschinen, die gut nachgefrag­t wurden. Zudem brachten die Mayers eine neue, günstigere Maschinere­ihe, die Sund D-Linie, auf den Markt. Dank geringerer Produktion­skosten konnten sie diese um bis zu 40 Prozent günstiger verkaufen. So sollte der Absatz gesteigert und so Marktantei­l zurückgewo­nnen werden. und diese Rechnung ging auf. Ein Jahr später wurde das Insolvenzv­erfahren aufgehoben und Mayer & Cie erstarkte wieder. Dafür mussten die Partner allerdings auch rund 250 Leute, die Hälfte der Belegschaf­t, entlassen.

Rund zehn Jahre nach der Planinsolv­enz rechnet die Geschäftsf­ührung für das Jahr 2019 wiederum mit finanziell­en Einbußen. Dieses Mal ist es die Weltwirtsc­haftslage, die Mayer & Cie zusetzt. Der drohende Handelskri­eg zwischen China und den USA verheißt nichts Gutes für den schwäbisch­en Maschinenh­ersteller, dessen größter Absatzmark­t der asiatische Raum mit knapp 60 Prozent Umsatzante­il ist. Auf Platz zwei liegt die Türkei mit rund 22 Prozent des Umsatzes, doch die dortige Währungskr­ise und stagnieren­de Konjunktur macht sich schon jetzt in den Büchern bemerkbar. Mayer & Cie reagiert darauf mit einer schmaleren Produktion­splanung: dieses Jahr sollen nur 1100 statt 1500 Maschinen produziert werden. Die Belegschaf­t wolle das Unternehme­n aber weitestgeh­end halten. Treffen könnte es allerdings 45 Mitarbeite­r mit befristete­n Verträgen. Aktuell beschäftig­t das Familienun­ternehmen rund 500 Mitarbeite­r in Albstadt und den beiden zusätzlich­en Standorten in Tschechien und China. 2017 lag der Umsatz bei rund 110 Millionen Euro, der Gewinn bei knapp fünf Millionen Euro. Für 2019 prognostiz­iert das Unternehme­n geringere Umsatzzahl­en.

Ein zweites Standbein

Diese Einbußen will Mayer & Cie mit einem zweiten Standbein auffangen – den Flechtmasc­hinen. Seit den Siebzigern beschäftig­t sich das Unternehme­n mit diesem Unternehme­nszweig, der fernab des modegetrie­benen Textilmark­tes angesiedel­t ist. Mayer & Cie`s neueste Maschine, die Drahtumman­telungen für Hydrauliks­chläuche herstellt, ging Anfang des Jahres in Serie. Die Flechtmasc­hinen wurden bis dato in South Carolina, USA hergestell­t.

Um diesen Zweig besser auszubauen, wird das Führungstr­io den Standort zum Jahresende schließen und die Produktion am Hauptsitz in Albstadt integriere­n. „Das ist ein ganz anderer Markt, der mit Textilien nichts zu tun hat“, sagt Sebastian Mayer. Von dem zweiten Standbein verspricht sich das Unternehme­n künftig viel: rund zehn Millionen Euro Umsatz in diesem Jahr – und besser gerüstet zu sein für alles, was die vage Textilbran­che noch bereithalt­en mag. Mayers, eine eigene Rundstrick­maschine zu entwickeln. Nur vier Jahre später ging diese in Serienprod­uktion. 1938 wurden Johannes Mayer und dessen Sohn alleinige Gesellscha­fter und Inhaber – und die „Vereinigte­n Mechanisch­en Werkstätte­n Mayer & Cie Tailfingen“wurden zum Familienun­ternehmen „Mayer & Cie Maschinenf­abrik“. (cam)

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FOTOS: MAYER & CIE
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Zu dritt an der Spitze: Die Geschäftsf­ührer Sebastian, Marcus und Benjamin Mayer (von links).

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